Elektrizität ermöglicht Leben. Das wissen wir spätestens, seit Luigi Galvani im 18. Jahrhundert Froschschenkel zum Tanzen brachte. Filmemacher ließen sich dann auch nicht lange bitten, Elektrizität als Metapher für den Wiederanfang in Anspruch zu nehmen. Über Epochen hinweg spielte sie vor allem im Phantastischen Film immer wieder eine gewichtige Rolle. Was wir also nun in neueren Kleinproduktionen wie „Reborn“ sehen, ist das Konzentrat aus mehr als einem Jahrhundert Filmgeschichte, banalisiert bis zur völligen Selbstverständlichkeit.
Was könnte von diesem Identitätsfindungs-Horrordrama mit der Laufzeit einer Black-Mirror-Episode auch mehr zu erwarten sein als eine komprimierte Sammlung von Standards, die im Klischeebeutel zum x-ten Mal mit heißem Wasser aufgegossen wird? Je nachdem, wie man filmisch sozialisiert ist, kann man in der Prämisse von „Reborn“ jedenfalls alle möglichen Ahnen entdecken. „Frankenstein“ selbstverständlich ganz vorne, zumal Barbara Crampton eine tragende Rolle spielt, die ja mit „Re-Animator“ einen Frankenstein-Nachfahren ersten Grades in der Filmografie stehen hat. Welch ein Clou also, sie hier zu besetzen. Die Außenansicht des Krankenhauses, in dem zu Beginn des Films ein totes Baby durch einen Blitzeinschlag wieder zum Leben erweckt wird, sieht passenderweise dann auch aus wie der überdimensionale Nachbau einer Blitzfangmaschine aus dem Labor eines verrückten Wissenschaftlers.
Vielleicht sieht man aber auch die Geburtsstunde einer neuen Superheldin, die sich fehlgeleitet wie der Bursche aus „Brightburn“ zu einer dunklen Macht entwickelt, der man lieber nicht im Weg steht. Elektrifizierte Superkräfte werden von den Comic-Göttern schließlich gerne verteilt; von „Storm“ über „Electro“ bis zu „Thor“, „The Flash“ und „Shazam“ haben es sogar schon einige auf die Leinwand geschafft, viele andere stehen in ihren kleinen Panels bereit, noch auf die große Leinwand auszubrechen. Und spüren wir in dem Zusammenhang nicht auch eine Note Coming-of-Age? Mit „Carrie“ und „Firestarter“ jongliert die Presse, weil sie sieht, wie eine Heranwachsende, längst noch nicht Herrin ihres Handelns, mit übermenschlichen Kräften ausgestattet über Verlängerungsrohre ihrer verwirrten Gefühle verfügt, mit denen sie ihre Umgebung quasi in Rauch auflösen könnte, wenn sie wollte.
Doch diese Vielzahl an Einflüssen bedeuten in „Reborn“ nichts Konkretes, sondern einfach nur, dass Autoren-Neuling Michael Mahin so ziemlich alles absorbiert hat, was er zu dem Thema in die Finger kriegen konnte. Ungewöhnlich an seinem Drehbuch ist allenfalls der Umstand, dass das aus dem Nest gefallene Küken den Weg zurück in den Baum sucht, anstatt wie üblich mit einem mächtigen Flügelschlag das Nest gezielt zu verlassen. Daraus entwickelt sich eine Parallelmontage der Handlungsstränge von Wunderkind Tess (Kayleigh Gilbert) und ihrer von Schuldgefühlen geplagten Mutter Lena (Barbara Crampton), die sich einander langsam annähern, bis sie pflichtgemäß und ohne große Überraschungen in einem Funkenschlag explodieren.
Der vom Videoclip-Stil der 90er Jahre inspirierte Vorspann überzeugt noch mit stylishen Credits über traumhaft schönem Naturschauspiel aus Blitzen und Wolken, danach normalisiert sich der audiovisuelle Pegel auf das erwartete Videotheken-Maß. Chaz Bono darf die Prämisse als schmieriger Pathologieassistent auf den Weg bringen, indem er das reanimierte Findelkind wie eine Elster in sein eigenes Nest bringt und aus mehr als undurchsichtigen Gründen aufzieht. Es ist die Geburtsstunde von Kayleigh Gilbert, die man wohl ohne große Übertreibung als das große Ass des Films bezeichnen kann. Geschminkt und aufgemacht wie eine Mischung aus Frankensteins Braut, Wednesday Addams und Edwardine mit den Blitzhänden braucht es nur wenige Minuten, bis sie ihre Präsenz voll ausspielen kann. In dieser Art Film erwartet man kein großes Schauspiel, um so mehr wird man von den riesigen Augen überrumpelt, die als weit geöffnete Fenster zu kindlicher Freude, Wehklagen und schäumender Wut in Erscheinung treten, ergänzt von einem ebenso großen Mund, dessen Zahnreihen stets die Panoramen über ihnen zu kommentieren scheinen, selbst wenn keine Worte gesprochen werden. Das ist keine im konventionellen Sinn herausragende Leistung, die immer den Ton des Moments treffen würde, aber es ist doch eine expressionistische Darbietung, die man so schnell nicht vergessen wird.
Etwas ungelenk wird die Schauspielerei als solche dann auch zum Thema des Films gemacht, weil Barbara Crampton, sicher nicht ganz ohne die eigene Karriere zu reflektieren, eine verzweifelte Altdarstellerin mimt, die gerade im Begriff ist, ihren letzten Strohhalm zu ergreifen, als sie sich für eine Rolle im neuen Peter-Bogdanovich-Film bewirbt (eine Gelegenheit, die Bogdanovich persönlich für einen kleinen Cameo nutzt). Wenn die Mutter mit der Tochter ein Stück über die Entfremdung von Mutter und Tochter probt, ohne dass sie die Identität ihrer Mitspielerin kennt, werden Meta-Dimensionen betreten, aus denen leider kaum etwas von Wert geborgen wird. Ein Gag um den Aufbruch des typischen Traum-im-Film-Konstrukts gelingt zwar kurz vor dem Ende, aber auch hier wieder ohne einen greifbaren Bezug zur eigentlichen Prämisse, so dass der gesamte doppelte Boden zum Thema Schauspielerei quasi auf der falschen Bühne verlegt ist.
Ironischerweise hätten Drehbuch, Regie und Cast (u.a. auch mit Rae Dawn Chong als Schauspielagentin und Michael Paré als recht nutzloser Detective) für einen mit Computereffekten vollgestopften Mittelklasse-Kinofilm vielleicht sogar gereicht. „Reborn“ ist auf Effektspektakel ausgelegt, hat gerade davon aber viel zu wenig zu bieten. Hier und da schlägt mal eine Steckdose ein paar CGI-Funken, der Lichtgestalter am Set dirigiert ein Orchester aus flackernden Glühbirnen und eine besonders unsympathische Figur macht dann auch mal onscreen Bekanntschaft mit einem Elektromast. Aber wenn schon jemand so grimmig schauen kann wie Gilbert, möchte man schließlich auch sehen, wie sich ihr Innenleben auf der Leinwand absolut kompromisslos entlädt. Stattdessen wird dem Zuschauer zu viel vorenthalten, das Ergebnis eines abstürzenden Aufzugs etwa oder die Amokfahrt eines herrenlosen Autos. Abgespeist wird man mit einer ranzigen Oma-Leiche aus dem Puppenkoffer und ein paar außer Kontrolle geratenen Leuchtmitteln. Natürlich ist das dem limitierten Budget anzurechnen, aber wer große Versprechungen macht, muss eben groß liefern. Auch wenn Gilbert ihr Bestes tut; Blicke töten nun mal nicht wirklich.
„Reborn“ klingt also nicht nur von Titel wegen austauschbar, er ist es auch insofern, als dass er aus einem Grundgerüst ohne Verkleidung besteht und kaum etwas über die elementare Ebene hinaus zu bieten hat. Kayleigh Gilbert ist eine kleine Entdeckung, zumal ihre emotionalen Ausbrüche stimmungsvoll in Szene gesetzt werden, ihre Partnerin Barbara Crampton beweist nach wie vor viel Leinwand-Charisma und überhaupt hat Julian Richards die besten Momente seinen Darstellern zu verdanken. Nur ist ein „Re-Animator“ nicht etwa wegen toller Schauspielleistungen zum Kult-Klassiker geworden, sondern wegen der Eskalationen der Geschehnisse. Davon hätte Richards ein paar gebrauchen können.