Review

Ich bin noch recht neu im Geschäft und möchte einen stylishen Crime-Actioner auf die Beine stellen - also nicht gerade das unverbrauchteste Gebiet. In diesem riesigen Haifischbecken voller hervorragender Genrebeiträge gerade im Asia-Bereich, was sollte ich da wohl nicht machen, um wenigstens halbwegs registriert zu werden? Richtig: ein unmotiviertes Zitate-Potpourri veranstalten, mit Zutaten, die nicht zusammengehören. Wer das tut, hat verloren. Min Byeong-jin ist ein Verlierer.

“Out of Justice” beginnt optisch zielstrebig und stilsicher. Ein gewisser Benny Chan beginnt seine Filme auf ähnliche Weise, mit Zeitlupen, Close Ups, Regenfall, mit der Ästhetik des Details. An diesem Punkt noch recht gelungener Score und herrlich düstere Bilder lassen für den weiteren Abend ein visuelles Fest vermuten; von der Handlung erwartet man sich weniger viel, da “Out of Justice” mit seinem so abgedroschenen Titel (“This is Law” ist auch nicht viel besser) nur wieder auf eines dieser total verbrauchten Selbstjustiz-Szenarien hinausläuft. Ein Killer hat es sich zur Aufgabe gemacht, Verbrecher, die von der Justiz nicht bestraft werden (können), selbst zu richten, und die Morde per Digicam ins Internet zu stellen. Surprise, Surprise! Es lässt sich wohl nicht vermeiden, dass wir hierüber auf die klassischen Szenenkonstruktionen stoßen. Der Mord (Beobachterperspektive mit dem Opfer im Fokus), Tatortermittlungen am nächsten Morgen, Einsatzbesprechungen in der Zentrale, Undercovereinsätze auf öffentlichen Plätzen (einer verkauft Luftballons, der andere ist als Handwerker verkleidet und alle kommunizieren sie über Funk), Razzien mit anschließender Verdächtigenverfolgung und so weiter. Ja, wer hat denn hier auch etwas Neues erwartet?

Aber es bleibt leider nicht bei der Innovationsfreiheit im Drehbuch; handwerklich hält Min Byeong-jin den viel versprechenden Anfang kaum mehr als zehn Minuten durch, bis das Unvermögen in Sachen Regie-Finesse zum Vorschein kommt. Es fehlt vollkommen das Händchen für die bestpassende Inszenierung. Aus heiterem Himmel ist “Out of Justice” plötzlich überzogener Easternklamauk; Lim Won-Hee bemüht sich nach Kräften, seine Mundwinkel bis zu den Ohren zu ziehen und einen neuen Rekord im Dauergrinsen aufzustellen. Das fällt ihm leicht, weil sich Shin Eun-Kyung oft in seiner Nähe befindet und er auf sie reagieren darf wie ein übermütiger Schuljunge. Küsst sie ihn auf die Wange, erreichen die Mundwinkel endlich die Ohren, er hält sich eine Hand vor die schamgerötete Wange und reibt sie liebevoll. Die entsetzliche Synchronisation lässt ihn dabei so stöhnen, als hätte er gleich einen Orgasmus. Twinkle, twinkle, Lucky Stars... aber was hat das in einem Cop-Actionthriller zu suchen?

Dann wird auch noch John Woo in einer schrecklich kitschigen Freundschaftsszene nachgeäfft, mit drei Polizisten, die des Nachts im Regen (Regen, Byeong-jin hat’s mit Regen) ausgelassen herumalbern, sich fast kugeln vor lachen, durch Pfützen latschen und sich gegenseitig mit Wassereimern begießen. Das alles unterlegt mit schmalziger Musik und gelegentlichen Zeitlupen. Im Grunde waren solche Szenen bei Woo nicht viel anders inszeniert, sie hatten bei ihm aber ihren Grund und wirkten deswegen nicht ganz so verkitscht, und wenn, dann doch mit Recht. Aber das hier ist einfach nur unbegründet in den Plot geworfen, weil scheinbar jemand im Filmcast auf Woo steht.
Der unüberlegte Einbau von Stilmitteln ist hier überhaupt ein großes Problem. In der ersten halben Stunde läuft die Hälfte der Zeit mit Raffersequenzen ab, die ein abgehacktes, hektisches Gefühl vermitteln sollen. Eigentlich soll damit die Vergewaltigung durch das erste Opfer der Killers dramatisiert werden, aber lustigerweise wird das Stilmittel auch noch darüber hinaus verwendet - ohne, dass es irgendwie begründet wäre.

Was dann noch so in der Postproduktion vergeigt wurde, dafür steht stellvertretend vor allem der Filmschnitt, der eine mittelschwere Katastrophe darstellt. Was da so aneinander montiert wurde, passt auf keine Kuhhaut. Zum einen wechselt die Schnittechnik sowieso mal so alle zwanzig Minuten. In den ersten zwanzig Minuten hat man sogar das Gefühl, in einem Zeitparadoxon gefangen zu sein, da mit Jump Cuts um sich geworfen wird und somit extrem viele unzusammenhängende Szenen aufeinander stoßen, meist auch noch ohne musikalische Untermalung.
Und der Soundtrack ist ebenso inkonsequent wie der Schnitt: Mal wird ganz auf Musik verzichtet, dann gibt es Punk, Cyber-Metal, plötzlich völkische Balladen, manchmal durch den miserablen Schnitt einfach abbrechend, so gut wie nie aber zum Gezeigten passend.

Für die Actionszenen haben die Schludereien auch ihre Konsequenzen. Meist handelt es sich nur um Verfolgungen per Fuß und seltsame Zweikämpfe mit Stöcken, wobei die Schläge aber nie gezeigt werden, sondern im Moment des Ausholens fotomäßig als Standbild eingefangen werden. Allerdings gibt es auch ein paar Auto- und Motorradstunts und größere Explosionen. Nun liegt der Verdacht nahe, dass die On-Set-Stuntarbeit sogar recht gelungen ist, da ein paar prinzipiell nette Actionszenen gezeigt werden. Das ist aber nur zu erahnen, denn die dilettantische Schnittmontage, allen voran die beim Motorradjump über den Verkehrsstau, lässt kaum Schlüsse über die wirkliche Qualität der Stunts zu, da man zwar weiß, was da gerade passiert ist, aber eigentlich nichts davon sehen konnte. Eine Beleidigung für den Zuschauer sind dann die Explosionen. Copy & Paste ist schon was Dolles...
Der Gewaltgrad ist für eine FSK 16 nicht ohne, da es explizite Einschüsse auf der Mattscheibe zu sehen gibt und einiges an Blut, wenn auch nicht ganz so stark wie bei den Gewaltballetts von John Woo.

Zumal die Schauspieler einen “Infernal Affairs”-Cast für Arme bereitstellen, ist “Out of Justice” demnach von seiner Anlage her ein Totalfehlschlag. So einfach will ich es mir dann aber doch nicht machen, denn so fehlerhaft und unpassend viele Zutaten auch erscheinen mögen, nimmt Byeong-jins Thriller dennoch nie die fade Optik eines TV-Films an. Er ist drängt sich durchaus mit markanten Merkmalen in den Fokus und ist nicht ganz so beliebig, wie es der Plot prophezeit. Am Anfang und am Ende sieht er sogar verdammt gut aus, nämlich so, wie ein ordentlicher Benny Chan-Film über die gesamte Laufzeit aussieht. An dem Eindruck, dass es sich bei “Out of Justice” nichtsdestotrotz um unüberlegtes Flickwerk handelt, ändert das jedoch rein gar nichts.

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