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Dass die wirtschaftliche Denke eines Studios nichts mit Qualitätssicherung zu tun hat, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Bisweilen führt das zu Marktstrategien, die gelinde gesagt merkwürdig anmuten. Im Fall von „Hellboy“ jedenfalls hätte Guillermo del Toro zur Komplettierung der von ihm gestarteten Trilogie bereit gestanden, sofern man ihm erlaubt hätte, wieder mit Ron Perlman in der Titelrolle ein eigenes Skript zu verfilmen. Nur ist del Toro inzwischen ein recht großer Name, bei dem man wohl in der Kosten-Nutzen-Relation ein Minusgeschäft erwartete, zumal die 66 Millionen Dollar Produktionskosten des ersten Teils in der Fortsetzung bereits 25 Prozent höher ausfielen; eine Entwicklung, die sich in einem dritten Teil mit Sicherheit fortgesetzt hätte, nicht nur der Inflation wegen („Hellboy II: The Golden Army“ ist immerhin bereits mehr als zehn Jahre alt). Dafür reicht das Vertrauen in die Stärke der Marke wohl nicht aus. Aber anstatt das Projekt zu begraben, werden lieber Zugeständnisse gemacht; kein del Toro mehr, kein Perlman, das Budget sinkt auf 50 Millionen und zur Entschuldigung zieht mal wieder jemand die wunderbare Reset-Formel „Reboot“ aus der Tasche, mit der sich das Weh-Weh und Buh-Buh der Produzenten einfach ins Nirwana schnippen lässt. Neil Marshall, der letztmalig 2010 mit „Centurion“ einen richtigen Film drehte, wird es schon richten. Und das Publikum soll die offerierte Light-Version mindestens genauso gut finden wie die beiden besser ausgestatteten Filme, die es schon kennt, so dass möglichst viel Kohle in die Kassen gespült wird... für eine teurere Fortsetzung dann wohl.

Geld ist aber natürlich schon beim ersten Versuch sehr wichtig, gerade wenn man Fantasy drehen möchte. Und ja, der neue „Hellboy“ hat so seine lieben Probleme, was die Wertigkeit des Augenfutters angeht. Das kommt wohl auch daher, dass er klotzen möchte wie die ganz Großen und ihm deswegen nichts anderes übrig bleibt, als seine Mittel großflächig zu verteilen. Im Ergebnis stehen Spezialeffekte von sehr unterschiedlicher Qualität. Die Hexe Baba Yaga und ein Wer-Eber nach Bebop-Bauart gehören zu den am besten ausgearbeiteten, reinen Fantasy-Gestalten des Films, auch weil ihnen ausreichend Zeit gewidmet wird und die On-Set-Darsteller ihnen mit spezieller Gestik, Haltung und Fortbewegung Persönlichkeit einimpfen. Dennoch sind auch ihre Gesichter mit dem Kleister der virtuellen Übermalung stigmatisiert, so dass sie letztlich wie all ihre Artgenossen als CGI-Kreaturen ein digitales Dasein fristen. Sonstiges Ungeziefer kommt da noch weniger gut weg: Die drei hässlichen Goliaths in einer frühen Actionsequenz müssen tollpatschige Verwandte der Steintrolle aus Peter Jacksons erstem „Hobbit“ sein, folgen sie doch denselben Slapstick-Regeln in ihr unvermeidliches Ende, das sie im Kampf gegen einen roten David im vom Zufall geleiteten Abwehrmodus finden. Die vielen kleinen Minion-Gnome indes, von denen die Blutkönigin anfangs umringt ist (immerhin kein Computergesicht, sondern nur Computer-Körperteile: Milla Jovovich fein filetiert), sind bloß blubbernde Masse, die in Babysprache ziellos irgendwelche Laute von sich geben. Das Nebeneinander dieser unausgereiften Monster-Ergüsse und der deutlich feiner konturierten Hauptkontrahenten Hellboys erinnert fast ein wenig an die alte „Ghostbusters“-Zeichentrickserie: Auch hier wurden grobschlächtig gezeichnete Geistermassen als Vorgeschmack auf das Chaos in der Geisterwelt gerne ins Bild gesetzt, während die eigentlichen „Ghosts Of The Week“ wesentlich liebevoller umgesetzt waren. Auf die gleiche Weise möchte man hier nun andeuten, in welcher Gesellschaft die Jovovich ihre letzten 1500 Jahre verbracht hat.

Schlimmer als die durchwachsenen Spezialeffekte fällt allerdings der reduzierte Aufwand in Sachen Setdesign ins Gewicht, insbesondere, da aus unerfindlichen Gründen ständig der Vergleich mit del Toro gesucht wird. Schon die Behausung Hellboys, die nur zu Beginn kurz gezeigt wird (it's a Road Movie!), hebt sich nicht nennenswert von den Entwürfen der ersten Filme ab, wirkt aber in jeder Hinsicht eine Nummer bescheidener. Und das ist nur der Auftakt: kleinere Einsatzzentrale, kleinere Showdowns, kleinere Gadgets. Selbst die Hörner werden nicht mehr funkensprühend mit der Schleifmaschine getrimmt, sondern mit einer Nagelfeile. Richtig auffällig wird es aber, als sich Baba Yaga und Hellboy an einem festlich gedeckten Bankett gegenübersitzen: Da kann man einfach nicht anders, als an den „Pale Man“ aus „Pan's Labyrinth“ zu denken... und das oscarprämierte Szenenbild und Make-Up mit diesem hier zu vergleichen. Wer als Sieger hervorgeht, dürfte klar sein – und diesmal ist nicht die Nostalgie schuld.

Aber es ist nicht einmal das Budget, das den neuen „Hellboy“ blindlings in eine Sackgasse steuert, es ist die fehlende Vision. Del Toros Interpretation war sicher nicht unumstritten (vor allem nicht Teil 2), sie fußte aber auf einer konkreten Vorstellung davon, wie man die Hauptfigur einbetten sollte und auf welchen Weg man sie bringen würde. Marshall hingegen muss einen richtig geilen Höllenritt auf dem Regiestuhl gehabt haben, denn es sieht nicht so aus, als habe er zu Anfang gewusst, wohin ihn die Reise am Ende führen würde. Zwar schmeißen die Dialogschreiber mit diffusen Andeutungen um sich, kaum dass die Stifte zu kreiseln begonnen haben. Die Story, die sich irgendwo zwischen Babyentführer-Feen, Merlins und Kirchentore einreißenden Schweinemonstern spannt, wird aber mit dem Rücken zum Zuhörer erzählt, als ginge sie ihn gar nichts an. Es ist zwar schön, dass auf das übliche Origins-Einführungsgeplapper verzichtet wird, aber muss man deswegen so desinteressiert am eigenen Plot sein?

Verständnis dafür entwickelt man aber, als man zu verstehen beginnt, dass die Autoren (Andrew Cosby für das Drehbuch, Mike Mignola durch die Vorlage) sich mit einer klassischen Evil-Rising-Story ohne raffinierte Extra-Note zufrieden geben, die man wegen der „portionierten“ Rückkehr der Villainess ins Reich der Lebenden noch am ehesten mit „Die Mumie“ vergleichen kann. Für ein solches Kopisten-Vorgehen hat sich bislang noch keine Autorenbrust stolz schwellen dürfen. Während der häufige Tourist von Fantasiewelten die Einfältigkeit in der Story jedoch zu tolerieren weiß (wo er doch selten genug Besseres zu sehen bekommt), verlangt er aber zumindest nach einer klaren Vorstellung, welche Richtung eingeschlagen werden soll in Sachen Charakterentwicklung, Drehbuchablauf und letztlich vor allem Atmosphäre. Hier nun scheinen aber unterschiedliche Teams völlig autonom an unterschiedlichen Szenen gearbeitet zu haben. Der Schwarzweißprolog mit rot ausgeschnittenem Käppi verheißt ja schon nichts Gutes (Van-Helsing-Vibes anyone?) und in der Tat: Auch im Anschluss lässt die Produktion optisch eine klare Marschrichtung vermissen. Vampir-Wrestling im Schmuddelschuppen, Gigantenkloppe auf der Wiese bei Sonnenschein, Londoner Plattenbauromantik bei Nacht, Ausflüge in neblige Traumwelten und die Entweihung heiliger Stätten lassen den Eindruck einer TV-Serie entstehen, die sich Episode für Episode fortentwickelt... was nicht der Anspruch eines Kinofilms sein kann.

Weil man jedoch vermutlich schon während der Produktion von einer kurzen Halbwertszeit ausging, packte man im Dienste des schnellen Erfolgs einfach noch ein paar Trends in die Formel, die sich am Box Office zuletzt für Filme vergleichbarer Größendimensionen bewährt hatten. Wer schon explizit in einem eigens dafür geschnittenen Trailer mit dem R-Rating werben muss, hat damit höchstwahrscheinlich Dinge zu kompensieren. Die in diesem Comic-Abenteuer gezeigte Gewalt ist tatsächlich von bemerkenswerter Radikalität und kann durchaus schocken – nicht etwa wegen der Gewalt an sich, sondern wegen der Erkenntnis, wie fatal man ihre Qualitäten als Würzmittel missverstehen kann. Wenn hier Kiefer ausgerissen oder Köpfe gehäutet werden, glaubt man ein dummes Kind zu beobachten, das gerade in einer Zaubershow gesehen hat, wie der Magier seine Assistentin entzwei teilte... um das Gleiche am Brüderlein mit Mamas Küchenmesser auszuprobieren. Dabei sagte Deadpool doch klar und deutlich: Nicht nachmachen, Kinder!

Immerhin an den Darstellern gibt es eher wenig zu meckern, obschon David Harbours Interpretation des Höllenjungen nicht jedem schmecken dürfte. Während Ron Perlman ihn wie ein trotziges Kind mit zu viel Kraft anlegte, versucht sich Harbour auch mal an der selbstmitleidigen Tour. Man hört den großen Jungen öfter mal vor Schmerzen oder Verzweiflung wimmern, zwischen die durchaus immer noch vorhandenen Badass-Momente mischt sich auch mancher Moment der Verunsicherung und nach den Mid Credits kommt sogar noch ein wenig Fanboyism dazu. Bei Kostüm und Maske sind nur wenige Unterschiede zu verzeichnen; in einem Cosplay-Wettbewerb würden sich beide Darsteller wohl um den ersten Platz streiten. Harbours Maske erlaubt allerdings etwas mehr Schauspiel, Perlman wirkt vergleichsweise versteinert im Gesichtsbereich. Es ist wohl Geschmackssache, wen man bevorzugt, obwohl es schlicht und ergreifend nicht möglich ist. an einem Perlman in Sachen Charisma vorbeizuziehen.
Auch Milla Jovovich rechtfertigt ihr Casting mit einer guten Leistung. Ihre Schönheit aus Leeloo-Zeiten hat sie sich bewahrt, während sich ihre Gesichtszüge während des Alterns ein wenig verhärtet haben – die perfekte Besetzung für den Typus „böse Königin“. Und Ian McShane als Hellboys Paps, was soll man da schon Negatives anbringen? Sasha Lane bleibt als Helferin mit magischen Fähigkeiten eher unauffällig. Daniel Dae Kim hat seine Rolle derweil von Ed Skrein geerbt, der sie freiwillig abgetreten hat, um eine Whitewashing-Kontroverse zu verhindern. Hätte Kim gesehen, wie seine finale Jaguar-Gestalt in Aktion aussieht, hätte er es sich vielleicht noch einmal überlegt...

Das größte Kompliment, das man diesem Reboot from Hell machen kann: Es wird wohl einige Zuschauer geben, die während der Sichtung den Guilty-Pleasure-Effekt durchleben. Aufgrund der sinnlosen Gewalt, der Nonstop-Action, der blöden Sprüche und der vielen, vielen Kreaturen werden sie sich königlich amüsieren, sehr wohl darum wissend, welchem Käse sie hier aufsitzen. Käse bleibt dieser „Hellboy“ 2.0 aber trotzdem, daran ändert kein „more blood, more gore, more badass“ etwas. Wir haben ja den Direktvergleich.

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