Wenn der Hauptdarsteller eines Action-Thrillers sich über die volle Laufzeit mit zwei- und drei- und einigen fünf-Wort-Sätzen begnügt, legt der entsprechende Film entweder gesteigerten Wert auf den Actionanteil und opfert den gepflegten Dialog dem puren Krawall, was den eher physisch gelagerten Fähigkeiten des Akteurs in den meisten Fällen auch entgegen kommt. Oder aber es handelt sich um einen Darsteller, der seine Rolle mit genügend Schauspiel auszustatten weiß, einen, der weit genug imstande ist Mimik und Gestik einzusetzen, um auf große Reden verzichten zu können. Bullitt, dessen Schwerpunkt nun wirklich nicht im Bereich Action liegt, hat da mit dem King of Cool Steve McQueen genau den richtigen Star der letztgenannten Kategorie zu bieten.
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Lieutenant Frank Bullitt arbeitet beim San Francisco Police Department und erhält von dem schmierigen Staatsanwalt Walter Chalmers den Auftrag, den Kronzeugen Johnny Ross ein Wochenende lang vor Übergriffen eines Mafiasyndikats aus Chicago zu schützen. Chalmers hofft durch Ross‘ Aussagen auf eine Beförderung. Doch bereits in der ersten Nacht gelingt es Attentätern, den wichtigen Zeugen und einen Kollegen Bullitts so schwer zu verwunden, dass Ross einige Stunden später im Krankenhaus stirbt. Um den Fall aufklären und die Mörder überführen zu können, hält Bullitt Ross‘ Tod geheim und macht sich auf die Jagd. Doch Chalmers, dem nur seine Karriere wichtig ist, sitzt dem Polizisten und seinen Vorgesetzten im Nacken...
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Die Story von Bullitt ist keine, die um unnötig viele Ecken erzählt wird, sie wird schnell und einfach mit knappen Sätzen eingeleitet und geht so geradlinig vorwärts, dass Regisseur Peter Yates nur ein paar Knicke aufzufalten braucht, um das Gesamtbild zu präsenti ren. Diese straightness unterstützt gekonnt die Stärken des Films, die sich am deutlichsten im als oberste Maxime der Produktion ausgegebenen Realismus finden und im unterkühlt-einnehmenden Spiel Steve McQueens. Nach den vom Meister der Filmvorspänne Pablo Ferro gestalteten Opening Credits trifft man zunächst auf Johnny Ross und beobachtet ihn bei einigen Erledigungen, bevor mit seinem ersten Auftritt die Figur des Frank Bullitt klar ins Zentrum gerückt wird. Bullitt bleibt im Laufe der Handlung der einzige, wenigstens im Ansatz über ein vorgegbenes Schema hinaus beleuchtete Charakter, jeder andere stellt genaugenommen nur in verschiedener Form Hilfe, Hindernis oder Randerscheinung auf dem Weg zur Lösung des Falls dar. McQueens schweigsamer, von seiner Pflicht beseelter Cop genügt als Gerüst des Films jedoch voll und ganz und erreicht gerade durch den Konflikt, beziehungsweise die Auseinandersetzung und das Zusammenwirken mit den weiteren, sehr ihrem Zweck zugeordneten Personen den nötigen Grad an Glaubwürdigkeit. Bullitt erkennt die Welt, in der er sich bewegt und hat gelernt, ihr durch seine Zielstrebigkeit und Konzentration auf Augenhöhe zu begegnen, und so sehr er selbst auf eine wesentliche Eigenschaft beschränkt agiert, nämlich Integrität, ordnet er auch jeden anderen dem Merkmal zu, das für ihn entscheidend scheint.
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Bullitt wird somit aus sehr subjektiver Sicht geschildert und der charismatische McQueen macht es einem nicht schwer, diesem Ansatz zu folgen. Nach erhaltenem Auftrag darf der Cop zunächst auch Privatmensch sein, verbringt den Abend mit seiner Freundin und wird nicht nur auf den toughest guy in town und ständige Ermittlungsarbeit reduziert, kann aber dennoch nicht einmal in den Armen der bezaubernden Jacqueline Bisset vom Beruf Abstand nehmen. Der Film gipfelt in einen ersten dramatischen Höhepunkt, als Kronzeuge Ross und Bullitts Partner Stanton in einem Hotelzimmer über den Haufen geschossen werden und die Cops vor einem Rätsel stehen, denn Ross selbst hat den Mördern die Tür geöffnet. Die einzelnen Sequenzen in Bullitt sind teils sehr ausgedehnt, nichts wird mal eben im Vorbeigehen abgehandelt und Yates führt seinen Helden mit Bedacht voran, wodurch besonders der längere Abschnitt im Krankenhaus, als Ross‘ Leben und damit Bullitts Fall auf der Kippe stehen, an Intensität gewinnt. McQueens meist auf leiseste Regungen heruntergefahrene Mimik portraitiert dabei ein ums andere Mal die angespannte Situation, ohne dass er seine kontrollierte Ruhe durchbricht.
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Die scheinbar untrügliche Sicherheit McQueens bringt den Film auch ohne wilde Schießereien, Schlägereien und Explosionen immer wieder entscheidend voran, zudem sind die Hinweise über die wahren Hintergründe extrem clever eingestreut und geben dem Geschehen in den richtigen Abständen den Impuls in eine neue Richtung. Bullitt ist weder reißerisch, noch gehetzt inszeniert, viele kleine Nebenschauplätze bekommen ihren Platz; ohne im ersten Moment von größerer Bedeutung zu sein leistet doch alles seinen Beitrag zur Authentizität, füllt den Film mit einer unaufgeregten Echtheit, die ständiges herumtricksen zum Aufbau von Spannung unnötig macht. Die Spannung ist auf natürliche Weise einfach da und man folgt Bullitts Schritten interessiert und erwartungsvoll. Ganz ohne Action soll es dann aber doch nicht von statten gehen und so beherbergt Bullitt eine über zehnminütige Verfolgungsjagd zwischen einem 1968er Ford Mustang Fastback und einem Dodge Charger R/T, zunächst durch die verwinkelten Straßen San Franciscos, später über eine Landstraße. Länge und Umsetzung dieser Szene markierten nicht weniger als Filmgeschichte, denn die rasanten Manöver und brillianten Perspektivwechsel sorgen auch ohne ausufernde Crashorgien und übertriebene Stunts für ordentlich Adrenalinausschüttung, bei den Fahrern wie beim Zuschauer.
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Nicht nur während der Verfolgungsjagd ist das Zusammenspiel von Kamera und Schnitt exzellent gelungen und macht sich als weiterer großer Vorzug von Bullitt verdingt. Kameramann William A. Fraker und Editor Frank P. Keller sorgen für stimmige, oftmals regelrecht mitreißende Perspektiven, etwa wenn über den Lauf einer Pistole hinweg auf Bullitt gezielt wird. Der jazzig-coole Soundtrack Lalo Schifrins ist ebenso großartig, wie sein dosierter und wirkungsvoller Einsatz. Einen immensen und (im Gegensatz zu vielen anderen Mechanismen, die Bullitt einführte) heute kaum noch gebräuchlichen Nutzen zieht Yates zudem aus der ausschließlichen Arbeit an Originalschauplätzen und mit echtem Personal. Ärzte und Krankenschwestern sind (abgesehen von Georg Stanford Brown als Dr. Willard) tatsächlich Ärzte und Krankenschwestern in einem echten Krankenhaus, genauso wie die Filmcrew für eine kurze Szene zwischen McQueen und Bisset in einem Architekturbüro filmte. Im Gesamten erzielt der Film dadurch einen sehr genuinen Effekt, was sich in der nicht unverhältnismäßigen, aber sehr direkten Gewaltdarstellung fortsetzt. Diese wird wiederum durch Bissets Figur in einigen moralischen Zwischentönen hinterfragt, als sie Bullitt angesichts der übel zugerichteten Leiche einer jungen Frau mit seiner Gefühlskälte und Abgebrühtheit konfrontiert. In Bezug darauf ist vor allem die Endszene, nachdem Bullitt zum ersten und einzigen Mal im Film Schüsse abgefeuert hat, von McQueen mit großer Bitterkeit versehen und bietet ein glänzend eingefangenes Schlussbild.
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Bullitt ist ein ausgezeichneter Großstadtkrimi mit einem vortrefflich besetzten und gespielten Ermittler. Steve McQueen überzeugt in einer seiner berühmtesten Rollen als aufmerksamer Beobachter und grimig-entschlossener Mann der Tat. Ein wenig fehlt es dem Film zwar an einem ebenbürtigen Gegenspieler, doch der von Robert Vaughn mit selbstsüchtiger Verschlagenheit gespielte Staatsanwalt Chalmers erfüllt diesen Zweck, wenn er auch mehr Bullitts moralische Stabilität, denn sein kriminalistisches Vermögen fordert. Jacqueline Bisset bekommt wenige Szenen, verhilft ihrer Cathy darin aber zu mehr als bloß körperlicher Anwesenheit, als Bullitts loyaler Partner Delgetti gefällt Don Gordon. Die Story treibt in ruhigem Fluss voran, ganz und gar ohne langweilig oder monoton zu werden und die wenigen Action-Höhepunkte verdienen auch deshalb eben diese Bezeichnung. Der unbedingte Grad an Realismus macht Bullitt schließlich als einen der frühesten Vetreter seines Genres gleichzeitig zu einem der besten.