Review

ENTHÄLT ESSENTIELLE SPOILER! Nur lesen wenn man den Film gesehen hat oder ihn eh nicht sehen möchte!

Ja, das sind sie - die Klassiker. Nach welchen Maßstäben möchte man sie bewerten? Nach den heutigen oder den damaligen? Und wenn letzteres: Wie will man als jemand, der 10 Jahre später geboren worden ist, sich in die Rezeption der damaligen Zeit einfühlen?

Fangen wir erst einmal bei der Story an - ein Bereich, den man noch am ehesten heute wie damals bewerten kann.
Selbst wohlwollenden Betrachtern muß fast der Verdacht kommen, daß Lt. Frank Bullitt von der "Organization" geschmiert worden ist, damit sicher gestellt wird, daß Johnny Ross unter keinen Umständen aussagen kann.
Wohl jeder wird sich vorstellen können, wie wichtig dieser Kronzeuge ist und daß seine Aussage eine derartige Sprengkraft besitzen dürfte, daß die organisierte Kriminalität in Chicago in den Grundfesten erschüttert werden würde. Und doch wird angesichts dessen noch keiner ein stümperhafteres Zeugenschutzprogramm gesehen haben, als es von Bullitt und seinen zwei(!) Männern durchgeführt wird. Als sich Ross an der Türkette zu schaffen machte, dachte ich schon, daß er sich angesichts dieses katastrophalen Personenschutzes selbst retten wollte, warum er es aber tatsächlich machte, bleibt ein Rätsel, für das sich auch die Filmemacher nicht mehr sonderlich interessierten.

Okay, mag sein, daß man Bullitt vielleicht einen Fehltritt zugestehen kann (auch wenn dieser eklatant ist). Daß er aber - nachdem er erfahren hat, daß der getötete Ross in Wirklichkeit gar nicht der Echte, sondern nur eine Ablenkung war - den Richtigen dann auch noch auf dessen Flucht erschießt, anstatt ihn einfach nur in den Arm oder ins Bein zu schießen o.ä., ist nun wirklich zu viel.

Mit Jacqueline Bisset fangen wir aber schon an uns von der Story zum Tempo zu wenden. Wenn ich mir überlege, welchen Sinn - außer als Dekorationszweck - sie in der Geschichte gehabt haben soll, fällt mir fast nur eins ein: Zeit schinden. Damit die Geschichte, die löchriger als ein schweizer Käse ist, auf Spielfilmlänge ausgewalzt werden kann, muß man halt schauen, wie man sie verlängern kann. Da selbst die ständig praktizierten überlangen Einstellungen irgendwann nicht mehr ausreichten, mußte wohl ein weiterer (überflüssiger) Subplot hinzu.

Natürlich darf man das Tempo eines Films von damals nur bedingt mit dem Tempo eines heutigen Films vergleichen (obwohl es einige Beispiele von früher gibt, die selbst heutige Filme diesbezüglich blaß aussehen lassen würden) - zu sehr haben sich die Sehgewohnheiten geändert. Aber was damals vielleicht frisch war, ist heute definitiv nur noch als angestaubt zu bezeichnen. Verfolgungsjagden, die damals so vielleicht ein Novum waren, heute aber durch die überlangen aus ewig gleichen Perspektiven gefilmten Einstellungen nur noch leidlich spannend wirken. Überlange Szenen, die weder was zur Story- noch Charakterbildung beitragen. Der angesprochene Subplot mit der unglaublich naiven Cathy aka Jacqueline Bisset.

Warum der Film ein Klassiker geworden ist? Vielleicht einfach nur weil er zur richtigen Zeit gedreht worden ist - als einer der ersten seiner Art.
Wenn man ihn deswegen als einen Klassiker versteht, wird man vielleicht vor zu großer Enttäuschung bewahrt. Übersteigerte Hoffnung sollte man sich bei dem Film jedoch nicht machen.
Hätte es ihn nicht gegeben, hätte es Dirty Harry und Jimmy 'Popeye' Doyle sicher trotzdem gegeben.

6/10

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