Basierend auf oder doch nur inspiriert durch einen wahren Kriminalfall und ohne Einwilligung der Betroffenen geschrieben und inszeniert, stellt sich der von Kim Tae-gyoon als Autor und Regisseur verfasste Dark Figure of Crime als weitere Erzählung von a) historischen Begebenheiten, diesmal eher kleinerer und persönlicher Natur statt den großen nationalen Ereignissen dar. Und b) als dramatischer Thriller über die psychologische Konfrontation zwischen dem Ermittler und dem Täter; beides im Grunde beliebte Genres der jüngsten Kinogeschichte von Südkorea und beides auch Gattungen, in denen die einheimischen Filmemacher oftmals Meister drin und den Nerv der Zeit am Treffen sind:
Der Polizist Kim Hyung-min [ Kim Yun-seok ] ist auf Cold Cases spezialisiert, seit längerem ungelöste Fälle, die längst zu den Akten gelegt wurden und für die sich niemand mehr interessiert. Eines Tages wird er vom bereits inhaftierten und auch verurteilten Mörder Kang Tae-oh [ Ju Ji-hoon ] wegen diverser Hinweise zu früheren Taten angesprochen, allerdings nur gegen diverse Gegenleistungen und auch mit wagen Aussagen, die allesamt recherchiert werden müssen und zuweilen mit Absicht in die Irre führen. Kim, der sich auf richtiger Fährte wähnt, allerdings nach mehreren Fehlermittlungen auf der Abschussliste im eigenen Revier steht, riskiert bei weiteren versuchen, tatsächlich hinter die Wahrheit zu kommen auch ein Wiederaufrollen des bisherigen Gerichtsverfahrens von Kang; was diesen wiederum zu einem teuflischen Spiel animiert.
Auch der vorliegende, ursprünglich unter mehrerlei Titeln wie bspw. dem reißerischen Woman and Man Murders oder gar auch Sex Murders angekündigte Film war beim Publikum ein voller Erfolg und trotz der düsteren Begebenheiten und der ernsten Behandlung für die Zuschauer ein Anreiz zum Einlösen an der Kinokasse und zusätzlich auch bei den Kritikern ein Gewinn. Gute darstellerische Leistungen, ein Eintauchen in die Abgründe der Seele, ein Packen Psychologie und die Konfrontation und gleichzeitig die Abhängigkeit zweiter Männer mit unterschiedlicher Herkunft, gegensätzlichen Leben und direkt gegenüber auf den jeweiligen Seiten des Gesetzes als die einhelligen Pluspunkte, sowie eine einfühlsame Herangehensweise von Kim, der bislang weniger dem Blockbuster oder dem Spekulativen verpflichtet ist, sondern nur das leise, auch positiv bewertete, aber kaum gesehene Drama Spring, Snow (2012) um eine Krebserkrankung und den langen Abschied verfasst hat und ansonsten ein unbeschriebenes Blatt ist.
Die Darsteller eher unbekannt, aber in ihr Spiel vertieft. Die Gegensätze zwischen den Figuren groß, vom Alter her, vom Auftreten, dem sozialen Umgang, einen bzw. überschneiden bei beiden tut sie nur die Beschäftigung mit dem Tode; beim Detective vom Beruf her und der Berufung sicher nicht, beim Inhaftierten eine seltsame Mischung aus Routine, aus Skrupellosigkeit und der fehlenden Empathie. Cold Cases werden vom Polizisten bearbeitet, Akten, deren Spuren längst verwischt sind und wo die Suche abgekühlt ist und aufgegeben im weiteren Sinne. Die Zeit drängt nicht (mehr), sein Verhalten ist entsprechend ruhig und besonnen, was auch für den Stil der Inszenierung, die Liebe für eher Trockenes und zum Detail, und die Beobachtung von außen durch den Regisseur und die Herangehensweise an das Innere der Menschen gilt.
Die Verhaftung war ein Zufall oder eher: dass der Detective bei der Verhaftung anwesend war und ein erster Kontakt überhaupt hergestellt wurde, hat er sich (unterstützt von einem Informanten) mit dem späteren Massenmörder nur deswegen getroffen, um von der Beseitigung einer Leiche unter Auftrag, und nicht etwa von gleich mehreren mit den eigenen Händen umgebrachten Menschen zu hören. Schockieren tut ihn das nicht. Überrascht war er schon. Interessiert ist er auch. Aber merken tut man das nicht.
Von der Seeseite aus blickt die Kamera eingangs auf die Stadt, wird hier Busan statt wie üblich Seoul als erstes Zentrum der Geschichte genommen und vom Ursprung der wahren Begebenheiten aus 'gewählt'; ein anderer Ort als sonst, und wo auch der Beruf des Detective mit seinen Cold Cases anders als sonst üblich in Thrillergenre Südkoreas und hier gar mehrfach Anlass zur Anklage an den Außenseiter der Obrigkeit ist und diesen zur Verteidigung seines Dienstes zwingt. Aktuelle Fälle soll er doch bitte aufklären, statt bereits verurteilten Gefangenen weitere Taten anzuhängen. Eine merkwürdige Sichtweise der Kollegen, die keine sind, und wo selber das Gesetz gebrochen und zu ihr Gutdünken missbraucht wird, während er sich für die Wahrheit rechtfertigen muss und aufgrund der Durchsetzung der Rechtsprechung sogar der Bestechung beschuldigt wird. Überhaupt wird hier oft nach dem "Warum?" gefragt, und sich dann auch in der Beantwortung darum gekümmert, warum ist der Detective so interessiert, und warum all die Wunden wieder aufreißen. Auch warum redet der Täter überhaupt, was erhofft er sich davon, und warum stimmt die Geschichte mal und dann wieder nicht.