Karel Zeman dürfte den meisten Jules-Verne-Fans ein geläufiger Name sein, war dieser tschechische Regisseur in den 50er und 60er Jahren der Vater einiger bekannter Verfilmungen des französischen Wegbereiters der modernen Science-Fiction-Literatur. Berühmt wurden seine Filme wie „Die Erfindung des Verderbens", bei der er auf wunderbare Weise Realszenen mit Animationseffekten - meistens als Hintergrund - verband und damit einen ganz eigenen Reiz hervorzauberte. Auf diese Weise entstand auch Zemans Klassiker „Reise in die Urzeit", welches für mich in erster Linie heute eine Bedeutung innehat, nämlich schönste Erinnerungen aus der eigenen Kindheit.
Obwohl dieser Film eigentlich keiner Jules-Verne-Vorlage folgt, ist die nahe Verwandtschaft unübersehbar. Vier Kinder, die eine Reise mit einem Boot flussabwärts unternehmen und dabei immer weiter in die Vergangenheit eintauchen, erinnert zwar nur vom Ansatz her an die Reise zum Mittelpunkt der Erde, doch die hier in der Einleitung mit Jules-Verne-Illustrationen unterlegte Motivation der jungen Entdecker zeigt genau dieses Ziel: Das Erforschen unbekannter Gebiete und die Entdeckung ausgestorbener Lebensformen.
Die Angst spielt natürlich immer ein wenig mit, wenn man nach ungefähr dreißig Jahren ein Wiedersehen feiert, doch in diesem Fall waren die Bedenken schnell wieder weggewischt. Jawohl, genauso hatte man den Streifen in Erinnerung und alles wurde wieder vor dem nunmehr erwachsenen Auge lebendig und greifbar. Dabei musste man sich ja so doll auch nicht umgewöhnen, gehorchten doch die urzeitlichen Kreaturen der guten alten Stop-Motion-Technik, die Dank Harryhausen in den damaligen Abenteuern von Sindbad oder Jason seinen Argonauten Einzug hielt.
Was besonders beeindruckt, Zeman erweckt nicht nur die mannigfaltigsten Tiere der Urzeit zum Leben, die gesamte Welt versunkener Epochen entrollt sich dem staunendem Auge des Betrachters. Mit zum Großteil gezeichneten Hintergrundbildern von erloschenen Vulkanen und eigentümlichen Schachtelhalmwäldern wirken die Szenen verblüffend plastisch und damit realistisch. Dass sich dabei die Interaktion unserer vier Abenteurer mit den getricksten Lebewesen zumeist mit sicherem Abstand Halten erschöpft, wie zum Beispiel mit einem Mammut, einem im Wasser schwimmenden Brontosaurus oder beim Kampf zwischen Stegosaurier und T-Rex, ist zwar auffällig, allerdings auch nicht wirklich störend. Und außerdem passt dies auch zum eigentlichen Konzept dieses Filmes.
Denn „Reise in die Urzeit" ist einerseits als Kinderfilm gedacht, sprich vordergründige Aufreger oder gar Schockeffekte wird man hier nicht erwarten können, zum anderen stellt man gerne mal den Lehrfilmcharakter heraus. Und so werden die Vertreter der Urzeit nicht nur namentlich vorgestellt, auch ihre Eigentümlichkeiten und die zeitliche Einordnung in die jeweiligen Epochen der Erdgeschichte werden behandelt. Das kindliche Tagebuch, versehen mit krakeligen Einträgen, leistet dabei gute Unterstützung, denn mittels treppenartiger Tabelle und Zeitstrahl wird die Entwicklung des Lebens noch einmal hervorgehoben.
Dass aufgrund dieser Konzeption die individuellen Eigenarten unserer vier Helden ein wenig auf der Strecke bleiben, muss man natürlich auch anmerken. Allenfalls der jüngste unter ihnen namens Jirka wird hin und wieder aufgezogen und als wenig hilfreich auf dieser Reise hingestellt, doch seine Rettung des verloren geglaubten Tagebuches in den Sümpfen des Karbons rückt auch diese Schieflage einer vorübergehend brüchigen Kinderfreundschaft wieder gerade. Und wenn man zum Schluss vereint am Meer des Silurs einen echten Trilobiten in der Hand hält, so hat sich ein faszinierender Kreis wieder geschlossen, weil man ein versteinertes Gegenstück aus dem heimischen Museum danebenlegt.
„Reise in die Urzeit" uneingeschränkt zu empfehlen, fällt mir dennoch nicht ganz leicht. Allerdings kann und will ich den Bonus aus Kindheitstagen nicht leugnen und dementsprechend ist auch meine Wertung zu verstehen. Und bei der heutigen Zielgruppe bin ich mir nicht ganz sicher, ob man hier noch jemanden von seiner Spielekonsole weglocken kann, zudem die Konkurrenz a la „Jurassic Park" alljährlich die Kinderzimmer bombardiert. Bleibt nur die Hoffnung, dass es diesen Klassikern nicht so ergeht wie damals den Dinosauriern zum Ende der Kreidezeit...