kurz angerissen*
Der kurz nach "Dumbo" erschienenen Neuauflage vom "König der Löwen" hat man (vermutlich zu Recht) vorgeworfen, sie klammere sich viel zu sehr ans Original und erzähle dieses im Grunde Strich für Strich nach, ohne für einen eigenen Mehrwert zu sorgen. Wenn man bedenkt, dass Disney seinen Vorrat an Trickfilmklassikern schon jetzt im Fabrikanten-Stil durch die Poliermaschine jagt, klingt das nach einem allgemeinen Vorwurf, der auf jede Neuauflage passen könnte. Wo handgezeichnete Filme mit derartiger Geschwindigkeit in zeitgemäße Animationstechniken übersetzt werden und ohnehin bereits im hohen Bogen die Späne fliegen, kann man schließlich nicht erwarten, dass dabei etwas entsteht, womit das Original ergänzt werden könnte.
Auf Tim Burtons "Dumbo" trifft ironischerweise das exakte Gegenteil zu. Er scheitert immer gerade dort, wo neue Elemente zum Zuge kommen. Die Veränderungen sind eklatant: Sprechende Tiere werden von quäkenden Menschen verdrängt, als hätte es derer nicht ohnehin schon zu viele im Kino. Gute und Böse rangieren natürlich unter ihnen, Fürsprecher der Tiere und ihre Geißeln. Sie ersetzen die anthropomorphen Tierfiguren, die im Original für menschliche Verhaltensweise einstanden. Wie sollte man auch Zwiegespräche zwischen Elefantenbaby und Maus in einem Quasi-Realfilm (wie "real" die Optik des Films wirklich ist, darüber lässt sich trotz realer Darsteller und Sets trefflich streiten) umsetzen? Also wird die Maus, einst Hauptbezugspunkt Dumbos, auf einen Cameo gerückt und das Elefantenbaby muss sich an Colin Farrell und Burton-Muse Eva Green halten, wenn es in dem Affenzirkus überleben will.
Dabei entpuppen sich sämtliche geschriebenen Charaktere als reine Verlegenheit der Autoren, die sich nicht anders zu helfen wissen. Antagonisten wie der skrupellose Zirkus-Tycoon (Michael Keaton) oder sein hässlicher Helfer (Joseph Gatt) bleiben blasse Karikaturen. Und was soll Farrell schon im Umgang mit seiner zurechtgeskripteten Familie tun, außer mit Hundeblick und per CGI wegradiertem Arm Mitleid zu erregen?
Dumbo selbst kann sich auch als Kind eines Computers des Mitleids der Zuschauer sicher sein - Kunststück, ist derartige emotionale Manipulation doch wohl kaum schwieriger zu bewerkstelligen als ein Jump Scare im Horrorfilm. Was fehlt, sind jedoch die besonders warmen Momente, die vergessen lassen, dass man gerade einen Film sieht. Besonders bitter für Burton-Anhänger: Es fehlt vor allem auch diesmal wieder das Skurrile, das Bizarre und Absonderliche. Vielleicht war es die legendäre Halluzinationssequenz aus dem Original, die irgendeinen Produzenten bei Disney dazu veranlasste, bei der Besetzung des Regiepostens an Burton zu denken. Adäquat umsetzen darf er sie natürlich nicht. Die Zeiten haben sich schließlich geändert.
So bleibt ein kitschiges Zirkusmärchen in surrealen Zuckerwattefarben, das den bitteren Kommentar Richtung soziale Ausgrenzung, der das Original so stark machte, oberflächlich aushöhlt. Für das Studio hat oberste Priorität, dass die Säcke mit Dollarzeichen durch die ausgedrückten Krokodilstränen hindurch sichtbar bleiben. Und das bleiben sie in der Tat - leider auch für den Zuschauer.