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„Sword of Doom" - Ein Film so cool wie sein Titel!

Ich weiß es kaum in einem Satz zu sagen, was mich an Kihachi Okamotos „Sword of Doom" (1966) so fasziniert, aber obwohl der Film seine Geschichte total zerpflückt erzählt, auf der Zeitebene springt und mich mehr als einmal die Orientierung bei den Figuren hat verlieren lassen, habe ich alles verziehen und diverse Male die Spultaste gedrückt oder bin sogar mehrere Kapitel zurückgesprungen, um eine offensichtliche Lücke für mich zu schließen. 


Das klingt jetzt erstmal nach einem Totalversagen des Regisseurs. Trotzdem spreche ich hier für mich persönlich von einem sehr ungewöhnlichen Meisterwerk des Kinos, das ich auf einer Stufe mit den deutlich berühmteren Werken Kurosawas sehe. Aber wo „Yojimbo" oder „Sanjuro" klar gegliederte und unterhaltsame Abenteuerfilme mit einem sympathischen Hauptdarsteller sind, ist „Sword of Doom" ein durch und durch pessimistisches Gegenstück, das uns statt eines Protagonisten der Herzen nur einen Antihelden aus der Hölle andient, dessen dunklen Pfaden wir hier durch das Japan gegen Ende des Shoghunats um 1860 folgen. 

Tatsuya Nakadei als gefallener Samurai Ryunosuke Tsukue verleiht der Figur durch seinen emotionslosen und starren Blick und die häufig ins Apathische driftende Regungslosigkeit eine unheimliche Aura.

Gleich zu Beginn des Films meuchelt er an einem Heiligenschrein einen alten Mann, der dafür betete, seiner Enkelin Omatsu, die Wasser holen gegangen ist, nicht mehr zur Last zu fallen. Hier impliziert der Film, dass Ryunosuke in seiner Weltsicht der Lebensmüdigkeit des alten Mannes nur konsequent ein Ende setzt.  

Kurz zuvor gebührte der jungen Omatsu (Yoko Naito) in der meisterhaft bebilderten Einführungsszene der erste gesprochene Text des Films und das vollkommen unschuldige und unbedarft wirkende Mädchen zieht einen sofort in den Bann. Mit nur einem Satz gelingt es hier, dass man eine Bindung zu dieser Figur aufbaut, so dass das anschließende Verbrechen an ihrem ebenso warmherzigen Großvater umso grausamer erscheint. 

Ryunosuke ist ein wirklich übler Geselle und sofort bereit, den nächsten Händler, dem er kurze Zeit später begegnet, ebenfalls abzuschlachten. Dieser wandert aber weiter und nimmt sich, wie wir erst viel später erfahren, der um den Großvater weinenden Omatsu an, die er noch am Schrein vorfindet.  

Eine solche Exposition haut schon ordentlich rein und versetzt einen automatisch in eine Warteposition, dass doch bitte gleich der Held um die Ecke kommt, um dem üblen Gesellen Einhalt zu gebieten. Kommt er aber nicht. 

Stattdessen kommt die junge Ohama zu Ryunosuke, um ihn zu bitten, bei einem Wettkampf ihren Mann Bunnojo gewinnen zu lassen, da er als Verlierer nicht die Schwertkampfschule übernehmen könne und die Familie so Ruf und Hof verlieren würde. Und sie sagt deutlich, Ryunosuke habe nichts zu verlieren, was darauf verweist, dass seine Familie ihn schon lange hat fallen lassen. Ryunosuke lässt sich dann tatsächlich auf den Handel ein, fordert aber Ohamas Tugendhaftigkeit, die sie widerwillig gibt, um die Familie vor dem Abstieg und Ehrverlust zu bewahren. 

Ihr Mann Bunnojo erfährt jedoch davon und sieht durch Ohamas Tugendlosigkeit die Ehre der Familie so verletzt, dass er Ohama schwört, Ryunosuke bei dem Wettkampf zu töten, um die Schande auszulöschen. Dieser reagiert aber mit seiner überlegenen Kampftechnik während des Kampfes auf den tödlichen Angriff und bringt im Gegenzug Bunnojo um. 

Die gefallene Ohama warnt Ryunosuke noch davor, dass die Schüler der Schwertkampfschule sein Leben fordern, er kann sie aber alle töten und Ohama schließt sich in ihrer Schande Ryunosuke an, um später die Mutter seines Kindes zu werden. 

Der Bruder des getöteten Bunnojo, Hyomo Utsuki, wird jedoch von dem Vater Ryunosukes auf dessen Sterbebett beauftragt, seinen verdorbenen Sohn zu töten, damit dieser nicht noch mehr Unheil anrichten kann. Dazu solle er bei Sensei Shimada (Toshiro Mifune) unterwiesen werden. Zudem lässt Ryunosukes Vater durchblicken, dass sein Sohn einfach von grundauf böse sei, was fast an Dr. Loomis Monolog über Michael Meyers aus „Halloween“ erinnert. Ryunosuke ist das personifizierte Böse. 

Wie man merkt, bietet der Film recht viel Dramatik und die lange Exposition für die Geschichte habe ich hier meiner Erinnerung nach bereits deutlich klarer wiedergegeben, als sie im Film aufgebaut ist.
Und so geht es auch weiter, denn der rote Faden des Konflikts zwischen Ryunosuke und Hyomo wird alles andere als gradlinig verfolgt. 

Omatsu ist inzwischen von ihrem „Retter", der es wirklich gut mit ihr meint, in einer Schule für angehende Konkubinen, das war wohl damals so, untergebracht worden. Dort treffen an der Tür eines Tages Hyomo, der sich während eines Regengusses dort unterstellt, und Omatsu aufeinander und es sprüht Funken. Hier treffen also die zwei zentralen Handlungsstränge aufeinander, ohne dass die Figuren es wissen, schließlich ist Ryunosuke der Mörder von Otsamas Großvater und von Hyomos Bruder. 
Hyomo geht weiter seines Weges und trainiert auf Geheiß des Senseis Shimada den Todesstoß, mit dem er die scheinbar unbesiegbare Technik Ryunosukes überwinden will. 


Diese bittere Geschichte um Ehrverlust, Tradition und Rache entwickelt sich über die gesamte Laufzeit zu einem Weg in die Verdammnis, der überragend fotografiert wurde und in jeder einzelnen Szene ein Genuss ist.

Die bereits erwähnte Einführungszene zeigt ein Panoramabild eines Bergs und wir sehen von hinten den Kopf Ryunouskes mit Strohhut bedeckt, in der Ferne bewegen sich wie kleine Figuren Otsama nebst Großvater den Berg hinauf. Schon mit dieser Einstellung hatte mich der Film irgendwie gepackt und es gibt so viele wunderschöne Set Pieces, dass der Film trotz seiner düsteren Handlung oft etwas Märchenhaftes mitschwingen lässt. 

Selbst in einer ganz finsteren Szene, in der Ryunosuke Ohama in einem Teich inmitten ihres verschneiten Gartens ersticht, schwingt noch etwas Schönes mit und Okamoto und Kameramann Hiroshi Murai finden eine sehr poetische Bildsprache. Ich könnte an dieser Stelle wieder die Seelenlosigkeit modernen CGI-Kinos bemängeln, aber dann fühle ich mich einfach zu alt. Jedoch ist es ein Phänomen, wie sehr mich Bilder aus einem über 55 Jahre alten Film aus Japan beeindrucken können, obwohl der Film deutlich vor meiner Geburt gemacht wurde und ich, neben den typischen Western und Krimis, die in den öffentlich rechtlichen Programmen liefen, ja mit Filmen wie Terminator 2 aufgewachsen bin, also mit der globalen Begeisterung für am Computer erstellte Bilder sozialisiert wurde. Aber dieser Film hier zerbröselt Filme aus dem MCU oder irgendeinen anderen hochbudgetierten Disney-Output zwischen Daumen und kleinem Finger, weil er uns seine Orte so wunderbar nahebringt.  

Als Ryunosuke, mittlerweile Mitglied der Shinsengumi, einer Art vom Shogun bezahlter Miliz, mit seiner Truppe ein Attentat auf zwei Würdenträger ausüben will, schleicht die Truppe den zwei getragenen Sänften durch einen verschneiten Ort hinterher. Dies stellt sich jedoch als Falle heraus und Sensei Shimada entsteigt einer der Sänften und tötet sämtliche Angreifer. Nur Ryunosuke überlebt, weil er, scheinbar vor Schock erstarrt, dem Treiben nur zusieht. Ob er dabei vielleicht nur die Technik von Shimada studiert, der zurückliegend wohlwollend einen Kampf gegen Ryunosuke abgelehnt hatte, um gegen seinen Schüler Hyomo gefeilt zu sein, erfahren wir nicht.

Diese Sequenz hat sich ebenfalls tief in mein Filmgedächtnis gebrannt und wäre ich Filmemacher, würde ich alles darum geben, diese Szene einmal zitieren zu können. Ohne Mifune und Nakadai wäre dies allerdings sinnlos.  

Das Finale dieses Films legt dann sogar noch einmal eine Schippe drauf, wenn Ryunosuke in Kyoto ein Gasthaus zerlegt, in dem ihm die Schatten seiner Opfer erscheinen, nachdem ihn die von ihm den Tod erwartende Otsama auf eine Geistergeschichte hingewiesen hat, die dem Ort anhaftet. Diese Szene ist sehr intensiv und führt uns die Greueltaten des Antihelden nochmals vor Augen und Ohren, wenn wir die Gestalten von Ohama und dem Großvater sehen oder seinen Sohn, den er offensichtlich auch ermordet hatte, als Säugling schreien hören. Ryunosuke verfällt dem Wahnsinn.

Irgendwann steht das Haus dann in Flammen und seine Kameraden von der Shinchogumi greifen ihn reihenweise an und werden dann eben auch reihenweise von ihm niedergemetzelt. Diese Szene hat einen so hohen Bodycount, dass sich selbst Tarantino und seine Crazy 88 eventuell hinten anstellen müssen und verliert sich in einem Rausch, der schier großartige, aber auch sehr brutale Einstellungen bietet, wenn Gliedmaßen abgeschnitten und Gesichter gespalten werden. Was die Kamera und der Schnitt hier veranstalten ist selbst nach heutigen Verhältnissen einfach großartig.

Als dann scheinbar unzählbare Gegner immer weiter aus dem Rauch auftauchen und Ryunosuke trotz zahlreicher Verletzungen weiterkämpft wie ein Besessener, stoppt der Film, in dem er einfach das Bild des wahnsinnigen Kämpfers einfriert. 

Der Hammer! 

Ein vergleichbares Gefühl nach einem Film hatte ich allenfalls vor 30 Jahren bei meinem Erstkontakt mit "Das Imperium schlägt" zurück.
Der Film entlässt uns hier ohne einen finalen Kampf der beiden zentralen Figuren Hyomo und Ryunosuke, ohne Rache für Otsamas Großvater, ohne den Willen des Vaters Ryunosukes befolgt zu sehen, ohne Shimadas Erlösung von der Frage, ob sein Schüler seine Aufgabe erfüllt hat, sogar ohne, dass Otsama erfährt, wer der Mörder ihres Großvaters ist. 

Er endet stattdessen mit einem Bild, das uns einen dem Wahnsinn verfallenen Mann zeigt, der dem Freezeframe nach bis in die Unendlichkeit gegen seine Geister zu kämpfen hat, die dort unaufhörlich aus dem Nebel stürmen. Ryunosuke scheint somit ein Verdammter zu sein. 

Dass dem Film eigentlich Fortsetzungen folgen sollten, die die Handlung fertig erzählen sollten, aber einfach nicht realisiert werden konnten, ignoriere ich hier einfach mal. 


Fazit 

„Sword of Doom" ist einer der eigensinnigsten, düstersten und gleichzeitig auf der Bildebene schönsten und klarsten Filme, die ich bisher gesehen habe. Die in Sequenzen zerfallene Handlung fordert sehr viel Aufmerksamkeit, aber der Film belohnt einen dafür im Minutentakt mit starken Szenen und tollem Schauspiel. Tatsuya Nakadai verleiht seiner gefallenen Figur mit fast nur einem Gesichtsausdruck so viel Tiefe, dass man trotz seiner Grausamkeit manchmal schon Mitleid mit ihm hat. So kann man es sich dann auch erlauben, dem immer charismatischen Toshiro Mifune nur eine kleine Rolle zu geben. 
Ich bin nicht allzu bewandert im japanischen Kino und kenne nur die im Westen üblichen Verdächtigen. Aber nach dieser Erfahrung werde ich wohl Kihachi Okamotos Filme auf meine Watchlist setzen. Das Filmjahr 2022 ging für mich mal richtig gut los!    

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