Filme von Wellson Chin gehören eher nicht zu den Produktionen, von denen man mehr als Zwei am Tag verträgt; vor allem nicht hintereinander weg. Die Meisten sind nach Einem sowieso von allein gesättigt – oder leiden an Aufmerksamkeitsdefiziten – oder haben eine Wette verloren und müssen die entsprechende Strafe erfüllen. Chin übertreibt es nämlich liebend gerne in der Wahl seiner Mittel; er beherrscht sie durchaus aus, aber weiss nicht, wann es reicht und wann Schluss sein muss. Die Filme werden anstrengend; da hilft es nicht einmal mehr, wenn man sich anfangs gut unterhalten hat, man zuerst das schnelle Tempo, die furiose Action und den krachlernden Humor genossen hat und sich eigentlich nichts daran ändert.
Erstaunlich zu sehen, dass dies bereits für sein Regiedebüt Naughty Boys gilt, dass er 1986 aus heiterem Himmel für Golden Harvest drehte. Er war vorher Schauspieler; trat ab 1978 mehrere Male in Filmen Sammo Hungs auf, ohne sich dort wirklich ins Gedächtnis zu brennen.
Nach dem augenscheinlichen Erfolg vom Start weg folgten eine Reihe weiterer Actionkomödien, die zwar gar nicht so unbekannt sind, aber dennoch nie wirklich den guten Ruf seiner Kollegen Hung und Jackie Chan erreicht haben. Dabei spricht er durchaus diesselbe Sprache und konnte vor allem in den 80ern mit Prince of the Sun [ 1989 ] und der Inspector wears Skirts Reihe [ 1988 – 1992 ] auch dasselbe Publikum auf der Suche nach Mehr für sich gewinnen. Später strich man die Action und addierte Horror; auch diesmal blieb die Verbindung mit der Komödie am Augenfälligsten und auch am Fordernsten.
Naughty Boys ist vor Eins: Schnell.
Nicht so schnell wie sein eigener Super Lady Cop [ 1992 ], der aber auch kräftig zu den Mitteln von Upspeeding greift; aber die Geschwindigkeit ist auch hier schon von Beginn weg drin und lässt nach dem Fliegenden Start niemals locker. Selbst in ruhigeren Szenen wirkt es, als hätte man mit zuviel Kaffee im Körper am Dreh gesessen und den Blick nicht von der Stoppuhr lassen können. Das ständige Aufgeputschsein sorgt aber dafür, dass man nicht die nötige Balance findet und sich kein wirklicher Aufbau aufspüren lässt. Einstellungen werden nicht angelegt, sondern sind schon da. Spannung wird nicht erzeugt, sondern soll ebenfalls die gesamte Zeit anwesend sein; ein vermeintlicher Höhepunkt reiht sich an den Nächsten und lässt die wahren Steigerungen im Strudel der permanenten Krönungen einfach untergehen. Man steht fortwährend unter Strom, was schon nach einigen wenigen Minuten einfach zuviel des Guten ist.
Nicht einmal der Vorspann lässt einen die Aufwärmphase über; bereits dort wirkt man wie ein schnellgeschnittener Trailer und präsentiert aneinandergefügt die money shots aus dem Film.
Das erste Bild zeigt Jackie Chan.
Gefängniskleidung, offensichtlich bei der Essensausgabe hinter Gittern.
Chan war Produzent des Filmes; was jetzt nicht soviel heissen mag, da Golden Harvest ja praktisch seine Hausfirma ist. Allerdings war sein Stuntmen Team auch für die Actionszenen verantwortlich; da ist es nur logisch, dass der Chef sein Gesicht und den guten Namen für die Promotion mitbringt.
Er wird sogar 2x innerhalb weniger Minuten gezeigt; allerdings die gleiche kurze Szene und er ist in der anschliessenden Kantinenprügelei schon gar nicht mehr anwesend.
Die Schlägerei wurde inszeniert; Gewinner ist Sheng [ Mars ], der dadurch einige Tage vor seinen drei Kumpels [ Phillip Ko, Tai Bo, Lo Meng ] aus dem Gefängnis darf. Man hat zusammen einen Raubüberfall auf einen Juwelier durchgezogen und auch zusammen die Haft abgesessen; nur mit der versteckten Beute teilen ist nichts: Sheng findet nämlich nur noch Steine statt Diamanten vor. Als er das seinen Partnern mitteilt sind die dementsprechend angesäuert auf ihn; weil sie natürlich annehmen, er hat sie beschissen.
Da Sheng ein bisschen blöd im Kopf ist, dauert das nunmehrige Hin und Her auch eine Weile; die Geschichte von Vielschreiber Edward Tang – der fast 20 Filme für Chan verfasst hat – hält sich dabei auch genau an diesem einen Punkt fest.
Natürlich werden weitere Figuren addiert, weil es sonst ziemlich leer im Raum wäre; ausserdem muss ja auch der Titel zur Geltung kommen.
Tang orientiert sich nämlich an den Drehbüchern von Barry Wong zu den Lucky Stars Filmen und bringt die einseitige Beziehung von Mann und Frau mit unter. Die Frau als meist Unabhängige, die sich aber in der Welt der Männer zurechtfinden und vor allem deren sexuellen Avanchen ausweichen muss.
Wenn die Herren ihr Objekte der Begierde sehen, sind sie nämlich nicht mehr zu halten; werden frech und ungezogen und versuchen alles Erdenkliche, um ihrer Angebetenen nahe zu kommen.
Diesen Part übernimmt hier Bonnie [ Carina Lau ], die eigentlich für einen Privatdetektiv arbeitet und sich um die verschwundene Beute kümmern und wiederbeschaffen soll. Dazu hängt sie sich an Sheng, der prompt Feuer fängt.
Zum Leidwesen seiner Cousine Chuan [ Kara Hui ], die selber ein Auge auf den Dösbaddel geworfen hat.
Der fröhliche Reigen geht also auf mehreren Ebenen vonstatten, die Juwelen nur als Alibi. Da der Film trotz aufgedrehten Aktionismus nicht richtig vorankommt, ist nach gut einer halben Stunde die Luft raus. Man redet unheimlich viel; schnelle, abgehakte Wortfetzen, oftmals Zank und Streit zwischen den unterschiedlich gesinnten Parteien. Viele Wiederholungen, weil Einige mehrmals überzeugt werden müssen und bei jeder Neuinformation wieder von Null starten. Alle verstecken etwas; sei es die Beute, sei es ihre wahre Identität und sei es auch die Gefühle oder Nichtgefühle zueinander. Darausfolgend die verbalen Kontroversen; die Wortwechsel, Dispute, Stutenbissigkeiten, Gockelverhalten usw.
Materiell ist das vernichtend; wären nicht einige gekonnte verbale Witze, die aber zumeist an den Anfang gesetzt sind und sich bei der „Einführung“ der Personen aufhalten. Dort funktioniert auch der Slapstick besser; eine grandiose Szene mit den Sträflingen bei der Strassenarbeit und den Schwierigkeiten mit einer wildgewordenen Walze erinnert stark an die Road Runner Cartoons. Die eingebrachte Action entspricht sowieso einer stark überzogenen Realität; auf diesem Sektor hat der Film dann wie fast üblich bei Chin auch den grössten Erfolg.
Auch hier ist das Vokabular der zeitgenössischen Kracher vertreten; die Anwesenheit des Stunt Teams und ihrer speziellen Mitglieder Rocky Lai, Ben Lam, Ken Lo, Sin Ho Ying, Tai San und Yee Tin Hung drückt sich in der robusten Choreographie durch. Die Kantinenschlägerei packt in flinker Reihenfolge mehrere sehenswerte Treffer – Wirkung Kompositionen auf den Tisch; viel Bruch und für den Moment schmerzverzerrte Leiber inklusive. Kurze Zeit darauf in Freiheit wird Mars [ der mit bürgerlichen Namen „Chiang Wing Fat“ heisst ] derartig rabiat von einem Auto hopps genommen, dass es einem schon beim Zusehen weh tut; dergleichen Scherze folgen noch einige.
Die Belastungsprobe Mensch gegen Auto wird gegen Ende noch mehrere Male aufgezeigt; dazwischen konnte man sich an agil – brachiale Kloppereien im Verbund mit Artistik und Akrobatik erfreuen und sieht die Darsteller springen, fallen und aus grosser Höhe vorzugsweise auf hartem Untergrund aufprallen.
Vor allem beim viertelstündigen grand finale in einer riesigen Warenhalle werden die Knochen und mehr riskiert. Wahnwitzige Stunts galore gepaart mit einfallsreichen Kämpfen und Ausnutzen aller Einrichtungsgegenstände wird hier zum Musterbeispiel erhoben; die Sequenz braucht sich beileibe nicht hinter ähnlichen Einheiten von Pantyhose Hero, License to Steal oder Rosa verstecken.
Schade, dass man dergleichen Klasse nicht durchgängig bringt und im Rest öfters mal mehr nervend als unterhaltend hervorkommt. Schade auch, dass gerade Mars in einer seiner wenigen Hauptrollen durch seine „Naivität“ und aufdringliche Art etwas unsympathisch erscheint.
Ein Klassiker wird da leider nicht mehr draus, aber Spass macht es und als Geheimtipp kann man es gut gelten lassen.