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Bevor David S. Goyer mit Drehbüchern zu Werken wie „Blade“, „Batman Begins“ und „Man of Steel“ in Hollywoods erste Liga aufstieg, verfasste er Scripts wie „Kickboxer 2“ für Albert Pyun, „Demonic Toys“ für Charles Bands B-Klitsche Full Moon und „Arcade“ für Pyun und Full Moon.
„Arcade“, hierzulande „Cyber World“ betitelt, schwamm auf der Welle der Begeisterung für Virtual Reality und neue Computertricks mit, noch bevor Hollywood 1995 mit „Strange Days“, „Virtuosity“ und „Johnny Mnemonic“ gleich drei Filme zu dem Thema vorlegte. Tatsächlich wäre „Arcade“ sogar noch vor dem trendsetzenden „Der Rasenmäher-Mann“ erschienen, hätte er nicht zwei Jahre im Giftschrank gelegen, da noch einige CGI-Effekte überarbeitet werden mussten. Freundlichen Gerüchten zufolge geschah dies, weil Charles Band noch bessere Tricks haben wollte, weniger freundlichen Gerüchten zufolge stand eine Plagiatsklage von Walt Disney ins Haus, da einige der ursprünglichen Effekte in einer Rennszene sehr eindeutig das Design von „Tron“ kopierten.
Hauptfigur des Ganzen ist die Teenagerin Alex (Megan Ward), deren Mutter vor Jahresfrist via selbstgesetztem Kopfschuss aus dem Leben schied, was in anderen Filmen vielleicht für Charakterzeichnung genutzt würde, hier aber erst später an zwei Stellen plotrelevant wird, worauf der Film dann auch immer klar hinweist. So geht Alex zwar brav zum Schulpsychologen und kümmert sich um den nichtsnutzigen Daddy, den man in seiner einzigen Szene kaum handlungsunfähig auf der Couch rumschimmeln sieht, ist aber sonst ein relativ normaler Teenager in einer Clique aus sechs Leuten: Dabei sind noch ihr Boyfriend Greg (Bryan Dattilo), Computerspiel-Experte Nick (Peter Billingsley) Sprücheklopfer Stilts (Seth Green), Laurie (A.J. Langer) und Benz (Brandon Rane), wobei letztere noch nicht mal die eine charakteristische Eigenschaft der sonstigen Pappkameraden haben und Benz so wenig zu tun hat, dass man fast vergisst, dass die Clique nicht nur aus fünf Leuten besteht. Jenes Sextett aus Klischeefiguren und Leuten ohne Eigenschaften wird jedenfalls zur Präsentation des neuen Videospiels Arcade in die örtliche Spielhölle Dante’s Inferno eingeladen – Arcade soll die Superduper-Immersiv-Simulation sein und die Tester dürfen sogar portable Testgeräte mit nach Hause nehmen, was eigentlich alle außer Alex begeistert, weil diese keine große Zockerin ist. Das erfahren wir, weil Nick und Co. mehrfach darauf hinweisen, dass sie keine große Zockerin ist, damit das auch die Doofen vor dem Fernseher kapieren.

Dummerweise verschwindet Greg beim Testspielen in Dante’s Inferno und beim Heimtest weiß Arcade bereits Alex‘ Namen, obwohl sie diesen gar nicht gesagt hat. Natürlich riecht Alex, dass da was faul ist, und tatsächlich sind bereits große Teile der Clique von Arcade eingesaugt oder in einen katatonischen Zustand versetzt worden…
Wer jetzt glaubt, Albert und Charles ließen der Kreativität und dem Erschaffen neuer Welten freien Lauf, der ist schief gewickelt, denn sowas kommt bei den beiden Sparfüchsen natürlich nicht in die Tüte. Dementsprechend muss man eine ausgesprochen lange Exposition über sich ergehen lassen, ehe dann das passiert, was man eh schon seit Filmbeginn erwartet: Der Überlebenskampf im Videospiel. Ein, zwei Häuser, ein Schulhof, ein Büro und die mit reichlich Kunstnebel zugesuppte Spielhölle müssen bis dahin als Locations reichen, in denen die Abziehbildfiguren über das Offensichtliche plaudern, während die übliche Routine derartiger Filme abgespult wird: Erst glaubt keiner Alex (wer zum Schulpsychologen muss und den Selbstmord der Mutter verkraften, der könnte ja auch plemplem sein), schließlich immerhin Nick. Ein wenig wird bei der Programmierfirma ermittelt, wo man mit den billigsten Flunkereien gleich zum Chefprogrammierer vorgelassen wird und der einem auch noch die Lösung für das Spiel gibt. Dabei erfahren wir auch, warum Arcade so ein mörderisches Eigenleben hat: Man hat Zellen eines Spenderhirns in die künstliche Intelligenz gesteckt, was ungefähr 300 Fragen über die biotechnologische Machbarkeit aufwirft, die der Film allerdings nicht zu beantworten gedenkt. Klar ist nur: Technik plus Spenderhirnzellen ergibt Evil.
Doch der lachhaften Blödheiten nicht genug, auch figurentechnisch gibt es diverse Ansätze, die sowas von ins Leere laufen oder auf der Müllhalde landen, dass man es kaum fassen mag. Etwa die Tatsache, dass Nick heimlich in Alex verschossen ist. Ob er der bessere Freund als Greg wäre, erfährt man nicht, denn Greg sitzt ja schon nach wenigen Minuten im Spiel fest und hatte eh keine Eigenschaften. Der Film deutet eine kurze Annäherung zwischen Alex und Nick an (nach einem Liebesgeständnis Nicks, das Alex anscheinend so gar nicht beeindruckt), die danach aber vom Drehbuch und den Figuren wieder vergessen und vom Film nie wieder aufgenommen wird. Dazu kommen noch Logikfehler en masse: Warum kann Arcade die Telefonleitungen seiner Opfer blockieren bzw. auch die seiner Nichtopfer und warum fährt fast jeder andere in die Katatonie rüber, während Nick stundenlang problemlos zocken konnte? Und hat hier keiner Eltern, die sich darüber wundern, dass ihr Kind entweder verschwindet oder regungslos in einen Bildschirm starrt? Und wie kommt der freundliche Programmierer Albert (Norbert Weisser) direkt darauf, an welchem Ort Nick und Alex gegen Arcade antreten werden, zumal er zu diesem Zeitpunkt das volle Unheil noch nicht ahnt? Fragen über Fragen.

Herzstück des Ganzen ist dann aber die Schlussetappe, in der Alex und Nick gegen Arcade im Spiel antreten müssen, wobei das Einmaleins der Dramaturgie natürlich verlangt, dass Alex als Nichtzockerin und verletzliches Wesen irgendwann auf sich allein gestellt sein muss. Was man dann sieht, ist nur teilweise am PC erstellt (oft hüppen die Schauspieler in Bodysuit und Motorradhelm durch die Kulisse) und den CGIs sieht man ihre Herkunft aus den Kinderschuhen der Computertricks merklich an, doch für einen Low-Budget-Film der frühen 1990er sieht die Chose gar nicht mal so übel aus. Dummerweise ist das angeblich so bockschwere Spiel lachhaft einfach: Hat man das erste, nur wegen fehlender Instruktionen schwere Level überwunden, so sind im zweiten Level Schlüssel und Levelausgang in 50m Luftlinie sichtbar vom Eingang präsentiert. Level 3 besteht aus dem alten Rätsel mit dem stets lügenden und dem stets die Wahrheit sagenden Bruder; nur, dass hier die Brüder klar sagen, wer wer ist, sodass es eigentlich kein Rätsel mehr ist. Level 4 erledigt man nebenbei und Level 5 ist die besagte, an „Tron“ angelegte Zweiradjagd, die aber nach ein, zwei Minuten und wenigen Fahrmanövern absolviert wird. Was in Level 6 und 7 geschieht, das weiß der Film wohl selbst nur so halb, zumal am Ende der gute alte spooky Trick kommt, dass das Spiel vielleicht gar nicht geschafft ist, sondern man sich erst im siebten Level befindet (quasi analog zur Endszene des ersten „Nightmare on Elm Street“, nur dass der im Vergleich zu „Arcade“ eben spannend, gruselig und gewitzt war).
Wenn Albert also auf innere Logik oder Spannungsaufbau weitestgehend pfeift, dann ist die Schauspielführung auch entsprechend. Megan Ward ist solala in der Hauptrolle und das ist nicht genug um den Film zu tragen. Peter Billingsley, der frühere Dreikäsehoch aus „A Christmas Story“, muss in erster Linie seine coole Sonnenbrille spazieren führen und verlegte sich später in seiner Karriere vermehrt auf Produktion und Regie. Seth Green und A.J. Langer brachten es in der Folgezeit immerhin auf bescheidene Schauspielkarrieren, sind aber kaum gefordert, während sich Pyun-Spezi Norbert Weisser in der Programmiererrolle einen Wolf zurecht chargiert. Und dann ist da noch die altgediente Schmierlappenfresse von John de Lancie, der hier den schleimigen Arcade-Vermarkter gibt und in seinen Szenen den Film zu klauen droht, aber nur zwei davon hat.

Ob Goyers Script, Alberts mäßige Regie oder Zeit- und Geldmangel an den zahlreichen logischen Böcken, die sich „Arcade“ schießt, und am fehlenden Spannungsbogen Schuld sind, ist am fertigen Film nicht zu ersehen, doch der Virtual-Reality-Horrorthriller verbreitet weder Horror noch Thrill, sondern ist ein braver Langweiler, der immerhin nur rund 80 Minuten dauert und eine gute Grundidee hat, deren Potential sich im Finale zeigt, das auf Low-Budget-Niveau sogar okaye Effekte bietet. Doof nur, dass das ganze Drumherum nicht stimmt, dass jedes Virtual-Reality-Level vorbei ist, ehe es richtig angefangen hat. Denn das hätte man doch lieber gesehen als schwafelnde Teens in kargen Jugendzimmern und vernebelten Spielhöllen.

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