Review

kurz angerissen*

Die Screenshot-Tätowierer sind zurück! Von der Bildfläche verschwunden irgendwann Mitte der 2000er, als auch die härtesten Videotheken-Clerks endlich genug hatten von drittklassigen Pulp-Fiction-Trittbrettfahrern, feiern sie in der Graphic-Novel-Posse „Polar“ ihr Comeback. Endlich dürfen wir uns wieder auf eingefrorene Bildhintergründe freuen, die mit Brands der Rollennamen in altmodischer Textura-Schriftart getaggt werden. Dazu genießen wir den Fahrtwind des Zooms auf eine Villa mit Swimming Pool und das Stechen in den Augen beim Genuss der Farbpalette, die ausschließlich aus steilen Kontrasten besteht. Alles in allem eine Kombination, mit der die Entwicklung der letzten fünfzehn Jahre mit einem Wisch revidiert wird. Das gilt zumindest für Regisseur Jonas Åkerlund. Der steht jetzt nämlich prompt wieder auf dem Stand seines Regiedebüts „Spun“, das im Jahr 2002 noch eine respektable Arbeit war, heute aber stellvertretend für den nervig-überdrehten Umgang mit Farbfiltern, Schnitt und Kameraarbeit ist.

Keine guten Aussichten, um mit den offensichtlichen Vorbildern „John Wick“ und „The Equalizer“ mithalten zu können. Glück für Åkerlund: Er darf mit Mads Mikkelsen arbeiten. Und dessen Coolness rettet dann auch mal eben den kompletten Film. Ein degenerierter Kohlkopf, der sich selbst „Blut“ nennt und verkrampft auf links gedrehte Suicide Squads als Laufburschen auf die Straße schickt, sollte sich geehrt fühlen, dass ein richtiger Motherfucker wie Mad Mads stückweise seine Gefolgschaft dezimiert, bis nur noch der kleine Mann im hohen Schloss übrig ist. Das wortkarge Auftreten Mikkelsens, sinnbildlich gespiegelt durch ein friedliches Haus am See, ist zwar auch nur eine Masche, aber wenigstens eine, die funktioniert. Falls nötig, ist der Held der Geschichte traurig und verletzlich, bringt einen mit seinen merkwürdigen Marotten sogar zum Lachen (seine Angewohnheit, etwas störrisch abzulehnen und - nach einem effektvoll gesetzten Schnitt - dann doch widerwillig getan zu haben) und zeigt vor allem am Ende seinen weichen Kern. Aber wenn es die Situation erfordert, lässt er den Actionhelden in sich heraus und sorgt für einen anständigen Bodycount. „Polar“ kommt vielleicht etwas schwerer in die Gänge als die Herren Wick und McCall, aber wenn es einmal losgeht, gibt es kein Halten mehr. Zu diesem Zeitpunkt hat die Regie dann auch endlich Fahrt aufgenommen und nutzt den aufgebauten Boost, ohne noch einen Hänger zu riskieren.

Wenn man schließlich kurz vor dem Abspann mehr oder weniger gefragt wird, ob man denn gerne sehen möchte, wie Mikkelsen in einer Fortsetzung noch weitere Schurken über den Haufen ballert, verfällt man über diese Aussicht zwar nicht gerade in Jubelstürme. Vielleicht murmelt man aber leise vor sich hin: „would... bang... again“.

*weitere Informationen: siehe Profil

Details
Ähnliche Filme