Etwa ein Jahr nach der Aufklärung der "Krampus"-Morde (siehe Staffel 1) ist Kommissarin Ellie Stocker (Julia Jentsch) immer noch nicht ganz auf der Höhe: bei einem Polizeieinsatz in einem Kieswerk nahe der bayerisch-österreichischen Grenze hat sie einen psychotischen Schub und richtet die Waffe auf einen Kollegen, obwohl der Einsatz bereits beendet wurde.
Durch gutes Zureden ihrer jungen Kollegin Yela Antic (Franziska von Harsdorf) kann die Situation gerade noch entschärft werden.
Jenseits der Grenze plant Wolfgang Gössen, Sproß und Leiter der alteingesessenen Salzburger Immobilien-Investmentfirma
Gössen gerade ein größeres, milliardenschweres Projekt. Dabei muß der umtriebige Mittvierziger immer wieder Rücksicht auf seinen kleinen Bruder Alexander, genannt "Xandi" (Dominic Markus Singer) nehmen, denn der dickliche, schnauzbärtige Mann, der noch auf dem elterlichen Gutshof lebt, hat es im Leben bisher zu nichts gebracht und ist mit seinen unausgereiften Ideen immer wieder gescheitert.
Ellie gelingt es kaum, ihre psychologischen Probleme vor den Kollegen zu verbergen, dennoch möchte sie ihre Fälle behalten. Dabei nimmt sie die unerfahrene, aber aufstrebende Kollegen Antic, die zu ihrem Team gehört, zunehmend als Konkurrenz wahr. Als sie wegen des Vorfalls im Kieswerk von ihrem Chef - gegen ihren Willen - beurlaubt wird, überträgt sie Antic die Leitung eines aktuellen Falls: die übel zugerichtete Leiche einer deutschen Joggerin wurde in Salzburg aufgefunden. Da es sich um ein deutsches Mordopfer handelt, wird Antic nicht nur als deutsche Verbindungsbeamtin fungieren, sondern mit Einverständnis der Salzburger Polizei die Ermittlungen der dortigen SOKO leiten. Doch diese verlaufen schnell im Sand - und bald werden weitere Opfer des sadistischen Mörders gefunden...
Wie schon die die erste Staffel, spielt auch die zweite Staffel von Der Pass im bergigen, bayerisch-österreichischen Grenzgebiet, wo manch schreckliche Tat im tiefem Wald oder durch nachbarliches Schweigen verborgen bleibt. In diesem bereits bekannten, sagenumwitterten Umfeld ereignen sich wieder einmal scheußliche Morde, deren Ursache in teils jahrelang zurückliegenden Begebenheiten begründet liegt, welche es erst mühsam zu erkunden gilt. Erneut bedient sich die Regie des Umstands, den Mörder schon relativ früh einzuführen und dessen Umfeld und Motive zu beleuchten, bis ihm die Ermittler nach etlichen Fehlversuchen schließlich doch auf die Spur kommen.
Die Ermittler sind auch in dieser Staffel wieder die - diesmal zeitweilig dienstlich kaltgestellte - Ellie Stocker (die daraufhin bald auf eigene Faust ermittelt) sowie der von den Toten auferstandene Wiener Kommissar Winter (Nicholas Ofczarek), welcher - ebenfalls gesundheitlich angeschlagen - diesmal nur als "Berater" fungiert, von seinen de facto nicht vorhandenen dienstlichen Befugnissen jedoch wieder reichlich Gebrauch macht. Die junge SOKO-Leiterin Antic dagegen, eigentlich für die neue Hauptrolle prädestiniert, wird schon recht bald erschossen aufgefunden.
Vom Strickmuster her (skandinavisches Noir in den bayerisch-österreichischen Alpen) hält sich diese zweite Staffel also an das Erfolgsrezept der ersten Staffel - eine Vorgangsweise, wie man sie oft bei Fortsetzungen findet und die meist in die Hose geht. Hier jedoch gelingt es, trotzdem der Mörder fast von Anfang an bekannt ist, die Spannung und das Interesse bis zum Schluß aufrechtzuerhalten, und dies liegt in der Figur des Täters begründet: denn dieser von Dominic Markus Singer meisterlich dargestellte Xandi ist (im Gegensatz zum eindimensional-unsympathischen Killer in Staffel 1) eine durchwegs tragische Figur und eigentlich selbst ein Opfer. Dies entschuldigt zwar keineswegs seine Taten, doch die ihm vom Drehbuch zugeschriebene charakterliche Ambivalenz machen ihn zum bemerkenswertesten Filmcharakter dieser 2. Staffel. Der Umstand, seine keineswegs planvollen, sondern im Gegenteil von vielen Zufällen gesteuerten Taten teilweise in Echtzeit mitzuerleben, tun ein Übriges.
Abstriche muß man dagegen bei den beiden schon bekannten Ermittlern machen: Ellies Psychosen nerven schon nach kurzer Zeit, und die an sich sehr gefestigte Kommissarin zeigt dann auch bald ungewohnt zickige Verhaltensweisen. Leider halten diese Ausfälle bis zum Schluß an, aber am Ende kann sie dennoch einen (Teil-)Erfolg verbuchen. Noch weniger vermag die Wiederauferstehung von Kommissar Winter zu überzeugen: um seine Figur, die am Ende der ersten Staffel durch ein Drive-by-Shooting erschossen wurde, weiter mitspielen zu lassen, wurde er "nur" schwer verwundet und wacht mit einer inoperablen Kugel im Kopf wieder auf. Dieses "Wunder" anerkennen auch seine eigentlichen "Mörder", die ihn daraufhin unbehelligt weiterleben lassen - wtf? Dieser (und zwei weitere, später folgende) unrealistische Einfälle trüben ein wenig das insgesamt dennoch wieder gute Gesamtbild, das der sich auf einen Stock stützende, ansonsten in seinem alten Volvo 262C herumkurvende Kommissar in dieser 2. Staffel hinterläßt - natürlich tritt er erneut als unangepasster Motivator und Ideengeber auf, gleichwohl er mit kurzen Haaren und gesundheitlichen Problemen etwas weniger rotzig daherkommt als noch im Vorgänger.
Fazit: Auch die 2. Staffel von Der Pass vermag trotz ihres sich wiederholenden Konzepts zu überzeugen: sehr gut gewählte Darsteller, feinste Kameraarbeit, ein weitgehend durchdachtes Drehbuch und der Verzicht auf jedwede TV-Klischees machen auch diese, erneut aus 8 Episoden (zwischen je etwa 45 bis 60 Minuten) bestehende 2. Staffel zu einem Krimivergnügen. 8 Punkte.