Eine wohlweislich genau über dem Grenzstein in den bayerisch-österreichischen Alpen platzierte Leiche ruft ein deutsch-österreichisches Ermittlerteam auf den Plan, welches unterschiedlicher gar nicht sein könnte: Ellie Stocker (Julia Jentsch) von der Kripo Traunstein und der aus Wien nach Salzburg strafversetzte Kommissar Winter (Nichols Ofczarek) bilden fortan ein Duo, das mit der Komplexität des Falls immer mehr zusammenwächst.
Der Tote, der einen sauber präparierten Pferdeschwanz in der Hand hielt, stellt sich bald als Flüchtlingsschlepper heraus, doch die Ermittlungen in diese Richtung ergeben nichts Konkretes - bis erneut eine Leiche mit solch einem Rosschweif aufgefunden wird. Die deutsche SOKO unter Leitung von Claas Wallinger (Hanno Koffler), der ein heimliches Liebesverhältnis mit Ellie Stocker unterhält, ermittelt zwar fleißig in alle Richtungen, kann aber einen weiteren Mord nicht verhindern. Dafür rückt der Spürsinn des anfangs eher widerwillig in seinem Salzburger Exil herumsitzenden Kommissars Winter umso mehr in den Vordergrund: der schnoddrige Wiener, der sich einen Dreck um Dienstvorschriften schert, entwickelt die eine oder andere ungewöhnliche Idee, welche die Ermittlungen langsam auf die richtige Spur bringen.
Tatsächlich handelt es sich hier um einen Serienmörder, der über sehr gute IT-Kenntnisse verfügt, mittels derer der unter verschiedenen Decknamen auftretende Gregor Ansbach (Franz Hartwig) nicht nur diverse Handies, sondern später sogar den Laptop der Kommissarin hackt, was ihm stets einen Informationsvorsprung verschafft. Zugute kommt ihm dabei auch, daß er auf einen in der Gegend verbreiteten Mythos vom "Waldmenschen" aufsatteln kann und die Polizei sich lange Zeit mit einem solchen, tatsächlich existenten Spinner namens Sebastian Brunner (Lukas Miko) und seiner Sekte herumschlagen muß. Der wahre Mörder jedoch sorgt für zusätzliche Verwirrung, indem er einem vorwitzigen Journalisten einer großen Münchner Zeitung exklusives Material von seinen Morden zukommen läßt, dessen zeitnahe Veröffentlichung die Ermittler in Sachen
"Krampus-Killer" noch mehr unter Druck setzt...
Gleichwohl der Beginn sehr an die exzellente schwedische Noir-Serie Broen erinnert, entwickelt die deutsch-österreichische Produktion Der Pass dann doch recht bald durchaus Eigenständigkeit: sowohl die (leider nur hochdeutsch sprechende) Ellie Stocker aus dem bayerischen Traunstein (die hier ihren ersten großen Fall bearbeiten darf) und erst recht der Wiener Kommissarin Winter, dessen übertriebene Wurstigkeit manchmal in komödiantische Gefilde abgleitet, tragen diese hinsichtlich der Mordmotive komplexe, streckenweise auch etwas konstruiert wirkende Serie im Alleingang. Dazu kommen immer wieder eindrucksvolle Ansichten von Winterlandschaften mit kilometerweit eingeschneiten Tannenwäldern, bei denen die oftmals stark zurückgedrehten Farbfilter erdig-braune Töne liefern und deren friedliche Idylle durch die brutalen Morde konterkariert wird.
Dabei bedient sich die Regie des Kniffs, bereits nach 3 der insgesamt 8 Folgen zwischen je 45 bis 60 Minuten den Täter vorzustellen, sodaß das Publikum stets etwas mehr weiß als die Ermittler, die zeitweilig sogar den Profiler Ressler (Martin Feifel, leider viel zu wenig Screentime in dieser Nebenrolle) zu Rate ziehen. Dadurch kommen sie dem sehr diszipliniert und seine Taten akribisch vorbereitenden Täter zwar immer näher, können ihn aber bestenfalls stören, nicht jedoch dingfest machen. Dazu gesellen sich dann noch einige Subplots wie die Privatleben der beiden Ermittler (Stocker, Anfang 40, lebt bis auf ihre Affäre monogam und kümmert sich um ihren Vater, während Einzelgänger Winter noch eine - inzwischen abgeschlossene - interne Ermittlung wegen Informationsweitergabe an Wiener Rotlichtgrößen nachhängt, ein Dienstverstoß, den er übrigens immer noch "pflegt"), eine illegal im Dorf arbeitende Mazedonierin oder auch ein rechtspopulistischer Nachwuchspolitiker - eine insgesamt ebenso unterhaltsame wie spannende Mischung, die das eigentliche Mordgeschehen unterfüttert.
Wollte man der unter der Regie von Cyrill Boss und Philipp Stennert entstandenen Produktion etwas ankreiden, dann sind es nur ein paar kleinere Logikfehler, wie beispielsweise der Umstand, daß Stockers infiltrierter Laptop nie auf Trojaner überprüft wird, selbst nachdem - zur Überraschung der Ermittler - top-secret-Infos an die Presse durchgesickert sind oder Winters Geistesblitz mit der rollenden Bombe (wie und wodurch konnte er so schnell davon wissen?). Überhaupt scheint die Kontrolle der Internet- und Mobilfunk-Verbindungen, derer sich auch der von der Presse als "Krampuskiller" bezeichnete Mörder bedient, viel zu lax gehandhabt zu werden. Dafür endet eine Gegenüberstellung mit einem Zeugen erstaunlicherweise ergebnislos (wieso?) und später muß ein viel zu kurz umrissener Amoklauf als Begründung für eine Verwechslung herhalten. Und schließlich natürlich die Figur des Wiener Kommissars, die Ofczarek so hingebungsvoll darbietet, daß er damit spielend die Sympathie des Publikums gewinnt, die in ihrer bewußten Überzeichnung aber kaum einen Realitätsbezug aufweist.
Fazit: Der Pass ist eine weitgehend überzeugende deutschsprachige Produktion, die sich zwar an skandinavischen Noir-Vorlagen orientiert, sich vor internationalen Vergleichen aber keineswegs verstecken muß und (fast) bis zum Ende spannend bleibt: 8 Punkte.