In den 60er-Jahren war der Thrillerautor Alistair MacLean ein verdammt großer Name. Seine Romane verkauften sich millionenfach, und Verfilmungen wie DIE KANONEN VON NAVARONE oder AGENTEN STERBEN EINSAM standen dem Erfolg der Bücher in Nichts nach. In den 70ern begann dann der allmähliche Abstieg des einstigen Stars, die Romane wiederholten sich zusehends, die Verfilmungen rutschen über den B- in den C- Bereich, und in den 80ern war aus dem Meister der Spannung längst ein Flaschenkind geworden, das zwar nach wie vor gut erzählen konnte, aber das was es zu erzählen hatte, das wurde irgendwann nur noch peinlich.
Aber in den 60ern wie gesagt, da war das alles noch neu und funkelnd. Im Wesentlichen sind es meist Man on a Mission-Stoffe, die durch ausweglose Situationen und trinkfeste Helden glänzen. Ausgefeilte Charakterisierungen sind hier eher selten, die Hauptelemente sind raue Männer, die in einer noch raueren Natur (MacLean war passionierter Segler und Naturliebhaber) töten müssen, um zu überleben. In DAS MÖRDERSCHIFF muss der Agent Philipp Calvert herausfinden, warum vor der schottischen Küste Schiffe mit großen Goldladungen spurlos verschwinden. Zwei seiner Leute, die er vor Ort eingesetzt hat, wurden ermordet, und also geht er gemeinsam mit seinem Freund, einem Bürokraten aus dem Geheimdienst, an einem kleinen schottische Küstenstädtchen als Meeresbiologe vor Anker, um das Geheimnis aufzudecken. Und muss sehr schnell lernen, dass dieses Geheimnis ein tödliches ist, den fast ab dem ersten Tag beginnen Überfälle auf seine Person, und häufen sich um ihn herum die mysteriösen Gestalten einerseits und die Leichen andererseits.
Filme zu bewerten hat meistens etwas sehr Persönliches. Natürlich kann man und sollte man versuchen, so unvoreingenommen wie möglich an einen Film heranzugehen, aber manchmal geht das halt einfach nicht. Hier zum Beispiel haben wir einen Film, der in Schottland spielt. Der die schottische Landschaft, vor allem die Insel Skye, sehr ausführlich zeigt und sie auch zu einem Teil des Films macht. Der die Nebendarsteller ihren eigenen Dialekt sprechen lässt. Und der einfach so durch und durch schottisch ist, wie man es heutzutage sonst nur von BRAVEHEART kennt. Dummerweise ist der Maulwurf sehr großer Schottland-Fan, und damit hat der Film per Definition bereits gewonnen. Der Hubschrauberflug über die Insel zeigt jede Menge wundervoller Landschaften, präsentiert einige der Sehenswürdigkeiten, und lässt mein Maulwurfsherz erbeben vor Freude. Was stört es da, dass die Dramaturgie so holprig ist wie die schottische Heidelandschaft? Dass das Tempo von Beginn an sehr hoch ist, durch fetzige Musik oft sogar noch gesteigert wird, und damit Ansätze einer ausgeklügelten Story glatterdings überbügelt werden? Dass manche der Figuren, wie etwa der Haifischjäger Hutchinson, so platt wirken wie ein flaches Shortbread und eigentlich(!) keinerlei Existenzberechtigung haben? (Was auch nichts macht, denn die Annäherung zwischen Held und Freund ist so dermaßen hanebüchen, dass es einen schaudern könnte wie im schottischen Winter.) Dass der Schurke im Hintergrund während des Films kaum einmal zu sehen ist, und sogar gefühlt erst 10 Minuten vor Ende überhaupt einen Namen erhält? Dass das Ende mehr als nur reichlich seltsam ist, und eher auf eine mögliche Fortsetzung hinweist als auf einen runden Abschluss?
Tatsächlich war ursprünglich geplant, eine Filmserie mit Philipp Calvert in der Hauptrolle zu drehen, und zwar genau zu der Zeit, in der Sean Connery seinen Abschied als James Bond nahm. Die Produzenten wollten also einen Ersatz für die Bond-Serie haben und drehten daraufhin DAS MÖRDERSCHIFF. Nun ja, die Historie ist bekannt: Sean Connery kehrte für DIAMANTENFIEBER zurück, und die Calvert-Serie war, auch weil der Film in den USA nicht besonders erfolgreich war, gestorben. Was man durchaus nachvollziehen kann, denn obwohl das Drehbuch, von Alistair MacLean persönlich verfasst und stark an den üblichen Bond-Mechanismen orientiert, sich sehr nah an den Roman hält, und nur das bleihaltige Showdown sich vom eher dialoglastigen Ende des Romans unterscheidet, so liegen die Schwächen des Films doch ganz eindeutig bei der Regie, die es nicht schafft, den Figuren wirklich Leben einzuhauchen. Man merkt deutlich, dass der Belgier Etienne Périer aus dem B-Sektor stammt, und entsprechend hat der Produzent die Wahl des Regisseurs auch als einzigen Fehler benannt …
Nichtsdestotrotz ist DAS MÖRDERSCHIFF ein rasanter und nicht unspannender Actionfilm geworden, der mit einer wunderschönen Landschaft punktet, und mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle und Robert Morley als Gerade-noch-an-.der-Grenze-zum Klamauk-balancierenden Sidekick einen vernünftig wirkenden Gegenentwurf zum 007-Universum auf die Beine stellt. Statt Glamour und Reisen um die Welt kleines Kaff mit miesem Wetter. Statt reihenweise schöner Frauen Nathalie Delon, und statt blutarmer Kampfszenen brutale Fights mit Sterben in Großaufnahme, was stellenweise sehr hart rüberkommt. Aber der geneigte Zuschauer sollte sich eben nicht zu sehr auf logische Abläufe und überzeugende Charaktere einschießen – Das Motto heißt drauflosballern und danach einen Whisky trinken. Oder zwei. Und während des Showdowns im Schloss wird dann auch mal schnell ein Schluck aus der Pulle genommen. Prost Alistair MacLean, möge Deine Seele zwischen den übermäßig geliebten Whiskyfässern ihre Ruhe finden!
Der Originaltitel bezieht sich übrigens auf einen Ausdruck aus der Seemannssprache: 8 Glasen, das ist Mitternacht. Und um Mitternacht soll der Überfall auf das Hauptquartier der Schurken stattfinden. Also dann, wenn es 8 Schläge mit der (Seemanns-)Uhr hat …