George A. Romeros ungewöhnlicher Vampirfilm "Martin" ist ja vor einiger Zeit in sehr schöner Aufmachung hierzulande erschienen, und als Freund der bissigen Kollegen nimmt man den Film doch gerne mal mit. Gar so sensationell bietet sich das Endergebnis dann aber doch nicht dar. Es geht um den jungen Martin, dargestellt von dem damals erstmalig auf der Leinwand zu sehenden John Amplas, der auch in späteren Romero-Streifen auftauchen sollte. Der Bursche macht seine Sache wirklich gut; Grusel und Mitleid gegenüber seiner Figur halten sich die Waage. Auch ist es erfreulich, dass Romeros Personal sich abseits jeglichen hohlen 08/15-Schönheitswahns bewegt und so sehr authentisch wirkt. Witzig im übrigen, dass man immer an einen Fehler denkt, wenn man hört, dass der junge Mann von einem alten Opa stets "Cousin" genannt wird, bis man dann die einleuchtende Begründung erfährt.
Der alte Mann ist ansonsten leider eine ziemlich nervige Figur, und sein Handeln ist im ganzen recht inkonsequent und unverständlich. Zum Beispiel verbietet er Martin gegen Anfang des Films, mit seiner Tochter zu reden, wenig später aber unterhalten sie sich ganz normal bei Tisch und Opa scheint nichts dagegen zu haben. Er nennt Martin allerdings ständig "Nosferatu" und gibt sich einem enervierenden psychopathisch-religiösen Wahn hin, der immer in den gleichen Floskeln von Fluch und Verdammnis zum Ausdruck kommt. Die Inkonsequenz der Handlungsstrukturierung zeigt sich vor allem beim ziemlich schwachen Ende des Films, das sehr abrupt eintritt und letztlich zu jedem Zeitpunkt ähnlich sinnig oder unsinnig hätte wirken können.
Der Gewaltgrad in dem Film ist nicht gerade bemerkenswert, abgesehen von einer völlig unpassend erscheinenden Schießerei gegen Ende. Anstelle dieser Szene hätte man gerne ein bisschen mehr Vampirisches gesehen. Jedoch war Romeros Ziel wohl, gerade dies dem Zuschauer vorzuenthalten und sich so künstlerisch zu profilieren, was ihm auch zugestanden sein mag. Insgesamt präsentiert sich der Film dadurch aber mehr als makabres Jugenddrama denn als Horrorfilm. Immerhin ist die Atmosphäre inklusive der gut gemachten Filmmusik sehr dicht und verbreitet durch die Plazierung des Geschehens in einer heruntergekommenen Vorstadtgegend ein nettes 70er-Jahre-Flair. Das Stilmittel, den Vampirismus als Krankheit zu schildern, deren Opfer fachkundig mit Betäubungssspritze und Rasierklinge hantiert, ist ganz brauchbar und wurde auch später teilweise übernommen, z. B. in "Begierde" mit Catherine Deneuve. Zudem bringt Romero einige "gothisch" wirkende Schwarzweißsequenzen, die sehr edel und atmosphärisch herüberkommen. So hätte eigentlich ruhig auch der ganze Film sein können...
Fazit: Recht interessanter Film, der das Vampirdasein auf recht nüchterne Weise sozialkritisch problematisiert. Von Horror kann da jedoch nur begrenzt die Rede sein.