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Pittsburgh, Pennsylvania. Ein GEORGE A. ROMERO Film, also Pittsburgh Pennsylvania. Die Polizei steht vor dem Rätsel einer Mordserie an jungen Frauen – vor der Tötung vergewaltigt und beinahe blutleer.
Der Täter ist der junge Martin, der das Blut der Frauen trinkt. Hierfür muss er auf Kanülen und Rasierklingen zurückgreifen, fehlen ihm doch die spitzen Eckzähne des klassischen (Film)-Vampirs. Gerade bei seinem abergläubischen Onkel untergekommen, der ihn für nichts geringeres als ein Früchtchen der Dynastie Dracula hält. Vermutungen, die in der ohnehin vollends zerklüfteten Psyche des Protagonisten auf fruchtbaren Boden stoßen. Vom Onkel mit Kost und Logis bedacht, erhält er ebenfalls die Erlaubnis, seinem Blutdurst nachzugeben, so lange er sich von den Hälsen der Nachbarschaft fernhält. Schließlich muss die ultimative Verlogenheit der Ordnung von Small Town America aufrecht erhalten werden. Der Beweggrund für die augenscheinliche Akzeptanz von Seiten des Seniors ist dessen Verlangen, die Andersartigkeit Martins zu tolerieren, gegebenenfalls totzuschweigen nur ein Vorwand, dieser mit Repressalien bis hin zur Ausrottung zu begegnen. ROMEROS Art, den tausendfach portraitierten Generationenkonflikt mit der Sprache des Horrorfilms einmal von einer anderen Seite, einer Seite, die Übertreibungen als allgegenwärtiges Mittel zulässt, zu beleuchten funktioniert. Dafür spricht auch die akademische Gestelztheit der Dialoge, die fast an die Arzt-Patienten-Gespräche aus dem ultimativen Forensikerfilm EQUUS mit Richard Burton erinnern.
Über die tatsächliche Natur von Martins Vampirismus lässt man den Zuschauer konsequent im Dunkeln. Zwar scheint er sich im Kopf des Jungen abzuspielen, die Abwesenheit der biologischen Merkmale, den Zähnen spräche für diese Theorie. Auch seine Reaktion auf die Behandlungen von Seiten des Onkels mit Knoblauch und Kruzifix kontert er mit einem simplen: „There is no magic“ und dem beherzten Biss in die vorgehaltene Knolle.
Als Geburtsjahr gibt Martin hingegen 1895 an und außerdem werden wir Zeuge seiner Erinnerungsfetzen, die ihn als Ziel von Exorzismen vergangener Zeiten ausweisen. Klar ist nur die Verfassung Martins, die Vampirismus und seine Form gefährlicher Schizophrenie als Symptome der gleichen Krankheit darstellt.
JOHN AMPLAS in der Titelrolle verleiht der Typographie im Film dargestellter Vampire eine Dimension der Lebensmüdigkeit wie sie ironischerweise fast sechzig Jahre zuvor im Urvater des Blutsaugerfilms NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS vom mysteriösen MAX SCHRECK bereits angedeutet wurde. Der Vampir, der in seinem Sein gefangen ist. Das Gegenteil des hedonistischen LUGOSI-LEE-Womanizer-Bloodsuckers also. Diese Performance ist sogar effektiver als KLAUS KINSKIS vielgerühmte Selbstmitleidsrevue im NOSFERATU-Remake 1979.

Urteil:

GEORGE A. ROMEROS vierter Film war sein erster auf 35MM und zeigt seine handwerkliche Abwendung weg vom schwarzweißen Experimentalfilmformat hin zum budgetierten Horrorfilm als Mittel zum Transport für ihn relevanter Inhalte. MARTIN ist intelligenter Horror von einem der größten Genreregisseure in dessen Glanzzeit gedreht..

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