„Am Anfang meines unersättlichen Dranges steht der Instinkt, d.h. Sex, Begierde und Qual! Das war der Anfang der Welt und das wird auch das Ende sein.“
Noch bevor er seine angesehenen Gialli „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“ und „Der Tod trägt schwarzes Leder“ realisierte, verfilmte der italienische Regisseur Massimo Dallamano im Jahre 1969 den Roman „Venus im Pelz“ des österreichischen Autors und gewissermaßen Entdeckers des Masochismus, Leopold von Sacher-Masoch, in italienisch-schweizerisch-deutscher Koproduktion. Nach einer weitestgehend unbekannten, zwei Jahre älteren US-Verfilmung handelt es sich um die zweite filmische Interpretation des Stoffs überhaupt. Nicht mit ihm zu verwechseln ist Jess Francos gleichnamiges (auch unter dem Titel „Paroxismus“ geläufiges) Werk aus demselben Jahr.
„Ich werde bei ihr bleiben und mich unterwerfen. Ich muss wissen, wie das ist!“
Der voyeuristisch veranlagte Severin (Régis Vallée, „Oswalt Kolle: Das Wunder der Liebe“) trifft auf die schöne Wanda (Laura Antonelli, „Das nackte Cello“), die er heimlich bei sexuellen Handlungen beobachtet. Nachdem er sich ihr erfolgreich persönlich angenähert hat und sie Sex miteinander hatten, entdeckt er den Masochismus für sich und will von ihr dominiert werden. Sie erwidert genussvoll seine Wünsche und hat vor seinen Augen Sex mit anderen Männern, peitscht ihn aus etc. Dieses Wechselspiel funktioniert so gut, dass sie sogar den Bund der Ehe miteinander eingehen. Als Wanda mit der Situation jedoch nicht mehr sonderlich glücklich scheint, treibt sie ihren Sadismus auf die Spitze…
„Pelz weckt in mir die tierischen Instinkte!“
Die schicksalhafte Begegnung zwischen Severin und Wanda trägt sich in den bayrischen Alpen zu und da beide zunächst nicht miteinander reden, spricht Severin kurzerhand zum Zuschauer, während er Wanda bespannt und gesteht, das auch schon bei anderen getan zu haben. Aufgezäumt wird das Pferd als ausgedehnte Rückblende, ausgehend von einer Therapiesitzung Severins, dessen Erzählstimme durch den gesamten Film führt. Nach ihrer Annäherung spricht auch Wanda aus dem Off, die Severin versehentlich peitscht, woraufhin er mehr verlangt. Nachdem die Fronten geklärt sind, erfüllt sie ihm all seine Wünsche und darf sich zu diesem Zwecke mit anderen Männern sexuell ausleben. In ihrem gemeinsam bezogenen Haus spielen sie ein Rollenspiel, für das er ihren Chauffeur mimt, wobei sie ihrerseits vom Dienstmädchen beobachtet werden.
Dallamano wechselt nun häufiger zwischen Severins Therapiesitzungen und eigentlicher Handlung, deren bizarres Idyll erste Risse bekommt, als Severin eifersüchtig darauf reagiert, dass sie sich von ihm zu ihrem vermeintlichen Liebhaber fahren und ihn draußen warten lässt – obwohl es sich lediglich um einen Maler (Michael Kroll) handelt, der ein Aktporträt Wandas anfertigt. Daraufhin bittet Severin sie, es mit dem Maler zu treiben – einer Bitte, der sie zunächst nachkommt. Im Anschluss jedoch bekommt sie einen hysterischen Anfall und peitscht Severin brutal blutig. Im Fiebertraum phantasiert Severin daraufhin, wie sie ihrerseits ausgepeitscht wird. Die Versöhnung währt nicht lang: Sie begegnen einem Biker, auf den Wanda Lust verspürt. Während Severin sie chauffiert, befummeln sie sich auf der Rückbank und fordern ihn auf, anzuhalten. Sie treiben’s im freien Miteinander, ihren Mann scheucht Wanda weg. Als sie sich schließlich schon vier Tage mit dem Biker vergnügt, wird Severin endlich sauer und schlägt sie, woraufhin der Biker ihn verprügelt. Wanda lüftet das Ganze als Rollenspiel, doch Severin hadert nun mit allem.
Dallamano visualisiert weitere Phantasien seines Protagonisten, der weiterhin mies von Wanda behandelt wird, die kurzerhand mit dem Biker zusammenblieb. Severin sucht sich eine Prostituierte, die sich als verkleidete Wanda entpuppt und daraufhin von ihm geschlagen und gewürgt wird. Nun wiederum empfindet sie dabei große Lust und will sich ihm unterwerfen, wodurch scheinbar alles wieder gut wird. Der Film endet mit Severins irrem Gelächter bei seinem Therapeuten (Peter Heeg, „Das Trauerspiel von Julius Caesar“).
Vergleiche dieses Erotik-Dramas mit der literarischen Vorlage kann ich schlecht anstellen, da mir diese nicht bekannt ist. Zunächst einmal ist Dallamanos Film aber schön fotografiert. Die Kombination prägnanter Landschaftsbilder aus den Alpen und dem spanischen Festland, wohin es das Paar später verschlägt, geht auf und wurde um bildliche Metaphern bzw. Symbole angereichert, wenn z.B. eine Steilklippe zu sehen ist, während Severin der Verzweiflung nahe ist. Star des Films ist natürlich die junge Laura Antonelli, die ich bisher nur aus niedlich-sinnlichen Rollen kannte und überraschend gut die herrische, dem Sadismus nicht abgeneigte Lebefrau gibt. Sie sichert den Erotikfaktor des Films, wenngleich mir Severins Pelzfetisch ebenso fremd ist wie dessen Hang zum Masochismus und Antonelli mit ihren Frisuren bzw. Perücken und ihrer Kleidung für mich bisweilen kaum wiederzuerkennen ist. Die einleitende Handlung, die bestimmt ist von Charakterisierung der Rollen und dem vorsichtigen, schließlich spielerischen Abtasten Severins und Wandas, wurde interessant und neugierig machend gestaltet, mündet aber in etwas holprige Dramaturgie und nicht immer nachvollziehbare Handlungsweisen. Ich vermute, dass es Dallamano nicht gelang, die psychologische Ebene des Stoffs adäquat widerzuspiegeln. Der Rollentausch am Ende setzt dem die Krone auf und lässt das Gesamtergebnis umso unglaubwürdiger erscheinen.
Nicht zu schade war man sich indes, dem Zuschauer kopulierende Pferde zu zeigen. Auch ohne diese Szene wäre „Venus im Pelz“ seine Skandalwirkung seinerzeit sicher gewesen, der in Italien zunächst nicht veröffentlicht werden durfte und somit innerhalb der Zensurhistorie sicherlich einen bedeutenden Meilenstein markiert. Am stärksten ist Dallamanos Film immer dann, wenn er es dem Zuschauer gestattet, zwischen den Bildern den Schmerz einer schwierigen Beziehungskonstellation, basierend auf nicht der Norm entsprechenden, widersprüchlichen Wünschen, Gelüsten und Bedürfnissen, herauszulesen, der sich auf verschiedene Abhängigkeitsgefälle innerhalb einer Partnerschaft beziehen lässt. Gian Piero Reverberi untermalte die Bilder mit beschwingten bis verträumten Easy-Listening-Klängen, die zeitweise im Kontrast zu den Geschehnissen stehen, letztlich jedoch durchaus das Wechselbad der Gefühle sowohl der Protagonisten als auch des Zuschauers musikalisch illustrieren und Dissonanzen ebenso ausklammern, wie es lange Zeit Severin tut, der sich kopfüber und voller Leidenschaft in den Schlamassel stürzt.