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Ruggero Deodato hat uns mit seinem zweiten und letzten Ausflug ins Reich der Kannibalen extrem schwer verdauliche Kost aufgetischt, die hierzulande bis heute vom Präsentierteller in den Giftschrank der beschlagnahmten Filme gesteckt wurde.

Tatsächlich wurde hier die gezeigte Gewalt im Vergleich zum schon nicht zimperlichen Vorgänger „Ultimo mondo cannibale“ beträchtlich angehoben. Eine Anklage gegen die Sensationsgeilheit der Medien sollte es nach Aussagen des Regisseurs werden. Dies mißlingt schlicht und ergreifend deshalb, weil er den Voyeurismus, den er anprangert, selbst betreibt, indem er Vergewaltigungen, Verstümmelungen und Menschenfreßexzesse aufdringlich auskostet. Spätestens die schändlichen Tiertötungen wie das minutenlange Abschlachten einer Schildkröte haben der angestrebten Filmbotschaft sämtliche Zähne gezogen.

Dennoch ist „Nackt und zerfleischt“ ein nachhaltig schockierendes Erlebnis geworden, das bereits aus formaler Sicht von höchstem Interesse ist. Neben der Haupthandlung, die konventionellen Mustern folgt und die Suche nach einem im Dschungel verschütt gegangenen Filmteam behandelt, wird mit den gefundenen, vermeintlich dokumentarischen Aufnahmen eben jener Crew während ihrer Expedition der Aufhänger des Welterfolgs „The Blair Witch Project“ bereits rund zwanzig Jahre vorweggenommen. Rückblickend ist es fast ausschließlich letzterer Teil, dem der Film seine immense Wirkung zu verdanken hat. Vor den Augen der Produzenten im Kinosaal, die das vorher noch nicht gesichtete Material für eine Dokumentation über Kannibalen verwenden wollen, und somit auch vor dem Zuschauer spielt sich nicht wie erwartet ein von den Kannibalen ausgehendes Blutbad ab, sondern die erschütternde Studie einer Gruppe von überheblichen Zivilisierten in Gestalt des vierköpfigen Filmteams. In einer Mischung aus diebischer Freude und Verantwortungsbewußtsein hinsichtlich ihrer Auftraggeber, eine spannende Reportage zu inszenieren, geben sie sich ihrem inneren Neandertaler hin und schlagen mit ihren unmenschlichen Taten gegen die Einheimischen derart über die Stränge, daß man sich ständig die Frage stellt, wann die zwingend logische Reaktion erfolgt.

Einzelne Szenen gehen dabei tief unter die Haut, wie die Vergewaltigung an einer Eingeborenenfrau oder das von den johlenden Männern der Filmcrew gelegte Feuer in dem Dorf ohne Rücksicht auf menschliche Verluste zu der großartigen Musik von Riz Ortolani, die in ihrer Sänfte dem grausigen Geschehen mehrfach entgegengestellt wird und einen eklatanten Kontrast zwischen Bild und Ton herstellt, daß das Unerträgliche noch unerträglicher gemacht wird. Vor allem der finale Gegenschlag der Eingeborenen bricht wie ein Orkan herein und trifft in seiner unerbittlichen Konsequenz wie ein Kanonenkugelschuß in den Magen, wenngleich man weiß, daß er kommen wird. Dabei bekommt man nicht einmal alles zu sehen, der Dokumentarstil mit Wackelkamera deutet lediglich an. Erst im Kopf des Zuschauers entsteht das vollständige erschreckende Bild von dem, was den Protagonisten dort widerfährt. An dieser Stelle regiert der pure Terror, und es ist ärgerlich, daß währenddessen mehrfach die angestrengt entsetzten Gesichter der Produzenten, die dem brutalen Geschehen auf der Leinwand folgen, hineingeschnitten sind, anstatt die Szene einfach nur für sich wirken zu lassen.

Alles in allem dürfte „Nackt und zerfleischt“ dennoch zu Recht der anerkannteste der nicht sehr angesehenen Kannibalenfilme sein, fragwürdig in seiner Aussage, weil er der Sensationslust der Medien selbst mit der ausgiebigen Freude am Tabubruch antwortet (Deodato wiederholt seinen Fehler aus „Ultimo mondo cannibale“), bemerkenswert wegen seiner technischen Sauberkeit, die den Film ganz und gar nicht wie einen billigen Schnellschuß erscheinen läßt, und außerordentlich originell in seiner nicht-chronologisch aufgebauten Erzählweise. Und hier stimmt der Ruf, der „Nackt und zerfleischt“ nicht zuletzt wegen seines Verbots in Deutschland vorauseilt, einmal wirklich ganz und gar: ein wahrhaft schockierender Trip! 5/10.

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