Schockierend! Dieses Wort trifft wohl ganz gut, was den Zuschauer bei diesem Werk erwartet. Cannibal Holocaust ist ein brutaler und blutiger Film, der in der Mitte der Kannibalenfilmwelle entstand. Mit einem Unterschied: Hier wird nicht nur im Sinne des Mondofilms der Amazonas, aus unseren Augen menschenunwürdige Eingeborenenrituale und Tiersnuff gezeigt, sondern der Film ist genial produziert. Natürlich sind auch die drei erstgenannten Aspekte alle vorhanden, und zwar reichlich, aber Deodato hat wirklich alles darauf gesetzt, einen spannenden Film mit großer Story zu drehen. Wiedermal erwähne ich, dass ich nicht auf Tiersnuff stehe, aber das war halt der "Zeitgeist" solcher Filme!
Doch wo andere Kannibalenfilme durch fadenscheinige Geschichten, schlechte Effekte oder endlose Langeweile das Niveau senken, kann CH glänzen. Nicht umsonst gilt er als einer der ersten Filme, die im Dokumentarstil gedreht wurden. Wie nennt man das noch? "Broadcast yourself" hab ich letztens irgendwo gelesen...?
Dieser Dokumentarstil ist einfach großartig gemacht. Nachdem die zweite Expedition mit dem Filmmaterial zurück ist, um es auszuwerten, treffen wir immer wieder auf wichtige Produzenten des TV-Senders, die feststellen müssen, dass ihr bester Reporter in Wirklichkeit ein unmenschliches Arschloch war, das über Leichen ging um schockierende Reportagen drehen zu können. Dies ist auch genau das, was Deodato dem Zuschauer permanent vor Augen hält! "Ihr seit schuld, ihr wollt sowas doch auf euren Sofas in euren Wohnzimmern sehen!" - Ungefähr das wird Deodato wohl sagen, wenn man ihn fragten sollte, warum er diesen Film produziert hat. Und genau diese Aussage hebt CH auch enorm von allen anderen Filmen dieser Kannibalenwelle ab. Eine solch tiefgründige Aussage lässt sich sonst in keinem dieser Machwerke finden.
Ebenfalls genial finde ich auch Szenen und die Stimmungen, die sie erzeugen. Am stärksten erinnere ich mich an die Liebesszene des Pärchens der ersten Expedition. Nachdem sie ihre grausigen Aufnahmen über einen angeblichen Krieg zwischen Eingeborenenstämmen im Kasten haben, lieben sich die zwei in einer Holzhütte. Die Szene wirkt sehr ausgelassen, fröhlich, anmachend, alles in allem also eine sehr angenehme, warme Szene. Doch dies bleibt nur wenige Minuten so, denn sobald die Kamera etwas in die Höhe fährt, sieht man keine 10 Meter entfernt die überlebenden Eingeborenen eingeschüchtert rumsitzen. Die schöne Liebesszene wird so völlig ins Groteske gezogen, sie wirkt von einem Moment zum anderen völlig anders und erzeugt doch eher ein ungutes Gefühl! Solche Stimmungen zu erzeugen finde ich wahrlich meisterhaft, und Deodato ist es gelungen, einige davon zu drehen!
Insgesamt gebe ich Cannibal Holocaust 10/10 Punkten, diesmal sogar ohne Punktabzug für Tiersnuff. Nicht das ich diese Szenen schätzen würde, ganz im Gegenteil, doch Cannibal Holocaust ist nunmal eine Ikone des Kannibalenfilms, an deren Ausstrahlung nicht ein einziger Mondo- oder Kannibalenfilm heranreicht. Daher halte ich 10 Punkte für sehr angemessen!