Review

Eine Filmcrew, bestehend aus 4 jungen Leuten, bricht zum Amazonas auf um dort eine Dokumentation ueber die dortigen Kannibalenstaemme zu drehen. Kurz darauf bricht jeglicher Kontakt zu der Crew ab und auch 4 Monate spaeter fehlt von den 4 Leuten jede Spur. Aus diesem Grund engagiert das Fernsehstudio den erfahrenen Professor Monroe, da dieser sich mit Kannibalenstaemmen gut auskennt und sicherlich die jungen Leute wiederfinden wird. Professor Monroe bricht in den Amazonas auf und mithilfe einiger Soldaten kann er einen Eingeborenen gefangen nehmen. Dieser fuehrt das Team zu seinem Stamm, welcher grosse Angst vor den "weissen Mann" zu haben scheint. Dort entdeckt Professor Monroe auch vier frische Skelette, an denen eine Kameraausruestung haengt. Die Kannibalen haben die jungen Leute getoetet und gefressen. Es gelingt Professor Monroe das Vertrauen und die Freundschaft der Kannibalen zu gewinnen und das Filmmaterial der toten Filmcrew mit nach Amerika zu nehmen. Professor Monroe hatte keine Probleme mit den Kannibalen gehabt, also was hatte die junge Filmcrew falsch gemacht? Die Sichtung ihrer Videoaufnahmen soll Klarheit verschaffen. Doch statt einer Dokumentation werden Professor Monroe und die Bosse des Filmstudios Zeugen des abscheulichsten Filmmaterials, das je gedreht wurde...

Der Kannibalenfilm, ein Genre bei dem sich die Nackenhaare vieler Menschen aufstellen. Diese Filme gehoeren zu den verhasstesten Sub-Genres des Horrorkinos und viele Filme dieses Genres sind in vielen Laendern verboten. Es gibt sogar sehr viele Horrorfans die beim Thema Kannibalenfilme ploetzlich einen unerwarteten Hass an den Tag legen. Wie kann es sein das Menschen, die sich die blutigsten Filme anschauen, ausgerechnet gegen Kannibalenfilme solch eine Abneigung haben? Nun, die Frage ist eigentlich ziemlich einfach zu beantworten. Kannibalenfilme kennen kein Tabu! Wer sich einen Kannibalenfilm ansieht, sollte sich im Voraus klar machen, worauf er oder sie sich da einlaesst. Denn es geht nicht nur um das Schlachten und Ausweiden von menschlichen Koerpern, so wie es in den meisten Zombiefilmen der Fall ist. Nein, Kannibalenfilme gehen noch sehr viel weiter. Da gibt es brutale Folterungen, Frauenverachtende Szenen, Vergewaltigungen und sogar Morde an echten Tieren. Fuer viele Filmfreunde und auch Horrorfans ist das schon zu viel des Guten. Eine Tatsache die jeder denkende Mensch nachvollziehen kann, denn der Kannibalenfilm an sich ist wirklich nur fuer die haertesten und abgebruehtesten Filmegucker etwas.

Gerade dieses Genre erlebte in den 70er und 80ern seine filmische Hochkonjunktur. Besonders die Italiener waren von dem Thema sehr angetan und schickten einen Kannibalenfilm nach dem Anderen ins Rennen. Der Ausloeser war Umberto Lenzis "Mondo Cannibale" gewesen, welcher mehr Abenteuer- als Kannibalenfilm war. Doch die brutalen Splatterszenen, Tiertoetungen und die Darstellung der Kannibalenstaemme faszinierte die Menschen. Viele dieser Kannibalenfilme wurden sogar vor Ort mit den Mitgliedern echter Kannibalenstaemme gedreht. Das wirkte automatisch faszinierend fuer das Kinopublikum und so kam der Kannibalenfilm langsam ins Rollen. Als dann ende der 70er durch den Zombiefilm "Zombie - Dawn of the Dead" der Zombie- und Splatterfilm salonfaehig wurden, wirkte sich das auch positiv auf den Kannibalenfilm aus. Neben dutzender Zombiefilme drehten die Italiener ploetzlich Kannibalenfilme wie am Fliessband. Wo man bei den Zombiefilmen noch auf dem Teppich blieb, versuchten die Italiener mit jedem weiteren Kannibalenfilm weitere Tabus zu brechen. Diese Tabubrueche fanden schliesslich ihren Hoehepunkt in dem Film "Nackt und zerfleischt" aka "Cannibal Holocaust".

Ruggero Deodato war kein unbeschriebenes Blatt, so hatte er doch mit "Mondo Cannibale 2. Teil - Der Vogelmensch" bereits einen sehr schockierenden Kannibalenfilm gedreht. Da in diesem Film sehr viele Tiermorde vorkamen, galt der Film als einer der grausamsten Filme der Kannibalenwelle. Deodato wollte deswegen erstmal Abstand vom Kannibalen-Genre nehmen und anstaendigere Filme machen. Doch 2 Ereignisse sollten alles veraendern. Zum einen war da der Film "Mondo Cane", welcher im dokumentarischen Stil den Menschen als das grausamste Tier auf Erden darstellte und eine Nachrichtensendung die sein Sohn im Fernsehen sah. Dabei fiel Deodato auf, dass sich die Journalisten nur auf den Gewaltaspekt konzentrierten und ihm kam der Verdacht, dass die Journalisten gewisse Szenen manipuliert haben koennten um das "Grauen" hervorzuheben. In diesem Moment kam ihm die Idee zu "Nacht und zerfleischt", einen Film der die Sensationsgeilheit der Menschen kritisieren und sie damit zutiefst schockieren sollte. Die Idee fuer seinen naechsten Kannibalenfilm war geboren. Doch sollte dies nur der Anfang vom vorlaeufigen Ende von Deodatos Filmkarriere sein.

Das Drehbuch schrieb Gianfranco Clerici nach Anweisungen von Deodato. Fuer die Musik engagierte er Riz Ortolani, welcher die Musik fuer "Mondo Cane" komponiert hatte und dafuer mit einem Oscar nominiert wurde. Deodato reiste in den Amazonas und suchte die echten Staemme Yanomamo und Shamatari auf um einige der Eingeborenen fuer seinen Film zu gewinnen. Gluecklicherweise gelang es ihm sogar und so mussten nur noch richtige Schauspieler her. Diese wurden bereits ausserhalb des Amazonas gecastet und in den Amazonas geflogen. Dabei wussten die Schauspieler bis zum Drehbeginn nicht in was fuer einen Film sie sich eigentlich befanden. Carl Gabriel Yorke sagte sogar, dass er nicht wusste ob er sich in einem Hollywoodfilm oder gar in einem Snufffilm befindet, da er zuvor einen ominoesen Vertrag unterzeichnet hatte. Da Deodato seinen Film als "echt" verkaufen wollte, sollten die Schauspieler fuer die Filmcrew einen Vertrag unterzeichnen, laut welchem sie sich 1 Jahr von der Oeffentlichkeit fern halten sollten. Damit wollte Deodato die Illusion aufrecht erhalten das das Filmmaterial authentisch ist und diese jungen Menschen wirklich auf derart grausige Art und Weise ums Leben gekommen waren. Fuer die Schauspieler sollten die Dreharbeiten ziemlich hart werden, da sie unter anderem echte Tiere toeten mussten.

Die Bedingungen im Amazonas machten die Dreharbeiten fuer die gesamte Filmcrew ziemlich anstrengend, doch alle Beteiligten waren mit Herz bei der Sache und so konnte der Film schnell abgedreht werden. Deodato reiste zurueck nach Italien und warf die Werbetrommel fuer seinen Film an. So wurde behauptet, dass die Videoaufnahmen echt seien um die Menschen ins Kino zu locken. Als der Film in den italienischen Kinos startete stuermten die Menschen die Lichtspielhaeuser, da jeder dieses schreckliche Video sehen wollte. Leider hielt auch die Polizei die Aufnahmen fuer echt, beschlagnahmte den Film nach einer Woche und verhaftete Deodato. Er sollte des Mordes angeklagt werden. Deodato geriet sofort in Panik und kontaktierte die angeblich getoeteten Schauspieler. Diese traten, zur Ueberraschung aller Italiener, quicklebendig in einer Fernsehshow auf und die Anklage wegen Mordes gegen Deodato wurde fallen gelassen. Doch die Staatsanwaltschaft war derart wuetend ueber Deodato, dass sie ihn noch wegen der Tiermorde verklagte und ihn fuer 1 Jahr ins Gefaengnis steckte. Damit waren Tiermorde endlich auch in Italien verboten und Deodato bereute den Film je gedreht zu haben und die armen Tiere getoetet zu haben. Somit markierte "Nackt und zerfleischt" den Endpunkt des filmisch Ertragbaren und wurde zu einem der schockierendsten Machwerke aller Zeiten.

Der Film beginnt mit einer der wohl schoensten Eroeffnungsszenen die man jemals in einem Horrorfilm gesehen hat. Die Kamera schwenkt, aus einem Flugzeug heraus, ueber die wunderschoene Landschaft des Amazonas und begleitet wird diese Szenerie von der schoensten Melodie, die das Horror-Genre je hervorgebracht hat. Das erweckt beim Zuschauer direkt ein schoenes Gefuehl und sogar "Fernweh" kann wieder entstehen. Dabei handelt es sich lediglich nur um eine Taktik, um das spaetere Grauen umso krasser ueber den Zuschauer hereinbrechen zu lassen. Nach diesem wunderschoenen Anfang wechselt die Szenerie ins karge New York ueber, wo ein Reporter ueber das Verschwinden der jungen Filmcrew erzaehlt. Dabei erfaehrt der Zuschauer naeheres ueber die scheinbar sympatischen jungen Leute und wird auch ueber den Suchtrupp aufgeklaert. Kaum ist diese erklaerende Szene vorbei befinden wir uns ploetzlich mitten im tiefsten Dschungel. Wir sehen einige Kannibalen, die sich ueber menschliche Ueberreste hermachen und bewaffnete Soldaten, welche sich an die Kannibalen heran schleichen. Die Soldaten greifen mit ihren Waffen die Kannibalen an und erschiessen fast alle von ihnen. Einen der Kannibalen koennen sie allerdings gefangen nehmen. Der Wechsel zwischen dem friedlichen New York und dem erbarmungslosen Dschungel des Amazonas geschieht derart ploetzlich, dass die hereinbrechende Gewalt voellig ueberraschend fuer den Zuschauer kommt. In diesem Augenblick kann "Nackt und zerfleischt" atmosphaerisch schon voellig punkten.

Daraufhin trifft Professor Monroe am Amazonas ein und wird mit seinen Fuehrern und dem gefangenen Kannibalen bekannt gemacht. Gemeinsam begibt man sich auf die Suche nach dem Stamm des Kannibalen. Um das Vertrauen des gefangenen Kannibalen zu gewinnen, beschliesst man ihn mit den Eingeweiden eines Guerteltieres zu fuettern. Hierbei kommt es zur ersten, wirklich schockierenden Szene. Der Fuehrer schneidet dem Guerteltier die Kehle auf und sticht mit seinem Messer 2 mal in den Hals des schreienden Tieres. Das Schlimme an dieser Szene ist... Sie ist echt. Die Schreie des kleinen Tieres sind echt, es wurde wirklich getoetet. Kaum hat man als Zuschauer diese sehr heftige Szene einigermassen verdaut, konfrontiert der Film einen mit der naechsten Schockszene. Professor Monroe und seine Begleiter werden Zeugen eines bestialischen Kannibalenrituals, in welchem eine Frau bestraft wird. Dazu rammt der zustaendige "Henker" ihr einen Pflock mehrmals zwischen die Beine, danach eine Art von naegelbestueckten Stein zwischen die Beine und mit diesem schlaegt er ihr schliesslich den Kopf ein. Begleitet wird diese Szene von einem gespenstischen Soundtrack und wird wirklich sehr ausfuehrlich gezeigt. Die Bestrafung und "Vergewaltigung" der gefesselten Frau zieht sich einige Minuten hin und ist wirklich harter Tobak. Mit dieser Szene warnt "Nackt und zerfleischt" den Zuschauer ein letztes Mal, denn wenn er jetzt noch weiter gucken sollte, sind alle entstehenden Schaeden selbst verantwortet.

Die Suche der Maenner geht schliesslich weiter und der Film artet sogar zu einem sehr spannenden Abenteuerfilm aus. Schliesslich findet der Trupp den ersten von zwei Kannibalenstaemmen. Doch zu Professor Monroes Ueberraschung zeigen sich die Kannibalen sehr aengstlich und einige von ihnen weinen sogar. Was ist in diesem Dorf vorgefallen, weswegen die Menschen solch eine Angst vor dem "weissen Mann" haben? Es gelingt Professor Monroe das Vertrauen des Stammes zu gewinnen, jedoch findet er keine Hinweise auf die verschwundene Filmcrew. Jedoch gibt es noch einen weiteren Stamm, welcher mit dem Verschwinden der jungen Leute etwas zu tun haben koennte. Professor Monroe laesst sich den Weg zu dem anderen Kannibalenstamm zeigen und bricht mit seinen Gefaehrten zu diesem auf. Lange muessen sie auch nicht suchen, da der andere Kannibalenstamm gerade ueber die Frauen des ersten Stammes herfaellt. Monroe kann sich diese Abschlachterei nicht lange ansehen und beschliesst einzugreifen. Sie eroeffnen das Feuer auf die feindlichen Kannibalen und koennen so einige der Frauen retten. Dies fuehrt nun endgueltig zum Vertrauen des ersten Stammes. Wieder beim Stammesfuehrer angelangt entdeckt Professor Monroe vier frische Skelette, an denen noch intaktes Videomaterial haengt. Die Filmcrew ist also definitiv in der Suppe der Kannibalen gelandet. Professor Monroe schenkt den Kannibalen einen Kassettenrecorder und darf als Dank das Videomaterial des Filmcrew mit nach New York nehmen. Damit endet schliesslich die erste Haelfte des Filmes und war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird.

Bisher handelte es sich bei "Nackt und zerfleischt" um einen ziemlich spannenden Abenteuer- und Horrorfilm, welcher von diversen schockierenden Szenen untermalt wurde. Dabei handelte es sich um die Toetung des Guerteltieres, die Bestrafung der Frau und die Frauenschlachtung der feindlichen Kannibalen. Doch mit der 2. Haelfte schlaegt der Film eine voellig neue und schockierende Richtung ein, denn in New York wird das Filmmaterial der getoeteten Filmcrew entwickelt und betrachtet. Fortan blickt der Zuschauer nicht mehr durch eine gewoehnliche Kamera, sondern durch die Handkameras der Filmcrew. Wir sehen fortan alles durch die Sicht dieser jungen Leute und damit laesst der Film den Zuschauer an allem teilhaben. Um den Effekt des gefundenen Videomaterials zu erhoehen, hat Deodato den Aufnahmen einen leichten Braunstich, diverse Verschmutzungen und Bildstoerungen verpasst. Dadurch wird die Illusion, das sich dieses Videomaterial fuer Monate im Urwald befunden hat, sehr glaubhaft ruebergebracht und zieht den Zuschauer regelrecht in seinen Bann. Man lernt die jungen Leute etwas naeher kennen und erlebt sie bei ihrer Reise durch den gnadenlosen Amazonas. Dabei sind einige der Mitglieder ziemlich wuetend, was Sympathien zu wecken versteht. Kurz darauf wird der Fuehrer der Truppe von einer Schlange gebissen und ihm wird das Bein abgehackt. Diese Szenen bekommen durch die Sicht der Handkamera einen unglaublichen Haertegrad, da alles unglaublich echt aussieht. Trotz ausgebrannter Wunde stirbt der Fuehrer an dem Schlangenbiss und die Schlange wird mit einer Machete getoetet. Auch dabei handelte es sich um ein echtes Tier.

Voellig auf sich allein gestellt, gelingt es der Filmcrew eine Riesenschildkroete zu fangen und diese, in der wohl perversesten Szene aller Zeiten, zu schlachten und zu essen. Da wird der Schildkroete zuerst der Kopf und dann alle Gliedmassen abgeschnitten, ehe sie bei lebendigem Leibe gehaeutet wird. Diese Szene verfehlt ihre Wirkung nicht, da sie einfach nur pervers und widerlich ist. Kaum hat man als Zuschauer diesen Schrecken ueberstanden, stoesst Alan mit seiner Crew auf den ersten Kannibalenstamm. Zu Alans Aergernis sind die Kannibalen nicht sehr agressiv und haben panische Angst vor den "weissen Menschen". Also beschliesst Alan etwas Action in die Sache zu bringen, zerrt einige hilflose Kannibalen in eine Huette und zuendet diese schliesslich an. Dabei verbrennen viele der unschuldigen Kannibalen und um die Kannibalen noch weiter zu provozieren, treibt Alan es mit seiner Freundin auf den Ueberresten der verbrannten Eingeborenen. Diese Szenen wirken durch die Augen der Handkamera unglaublich realistisch und grauenvoll. Vorallem kann man bei der Sexszene im Hintergrund die voellig veraengstigten Kannibalen sehen, was der gesamten Szene eine grausame Praesens gibt. Doch dies ist erst der Anfang, denn Alan und seine Mitstreiter begehen noch viele weitere Verbrechen, bei denen der Zuschauer durch die Handkamera zum Mittaeter wird. Hoehepunkt ist jene Szene, wo Alan mit seinen Kollegen ein Eingeborenenmaedchen vergewaltigt und schliesslich auf einem Pfahl steckt. Gerade letzte Szene wirkt unglaublich echt und furchterregend. Diese Greueltaten gehen so lange weiter, bis die Kannibalen endlich zurueckschlagen.

Die Atmosphaere von "Nackt und zerfleischt" zu beurteilen ist gar nicht mal so einfach, da es sich im Grunde um 2 Filme handelt. Die erste Haelfte des Filmes handelt von Professor Monroes Suche nach der vermissten Filmcrew. Obwohl bereits diese Haelfte einige schockierende Bilder aufweisen kann, hat diese etwas von einem Abenteuerfilm. Die Suche nach dem vermissten Filmteam ist unglaublich spannend und hinter jeder Ecke koennten gefraessige Kannibalen lauern. Begleitet wird diese tolle Stimmung von grandiosen Landschaftsaufnahmen und einen wunderschoenen Soundtrack. Trotz einiger harter Szenen wirkt der Amazonas wunderschoen und die erste Haelfte des Filmes ist ein atmosphaerischer Gluecksgriff geworden. Wunderschoen und schockierend zugleich. Die zweite Haelfte schlaegt da schon einen anderen Ton an, da wir alles durch die Augen einer Handkamera sehen. Durch dieses Stilmittel fehlt ploetzlich die Distanz zum Geschehen, denn man ist mitten drin. Der Zuschauer sieht, was die jungen Leute gesehen haben. Durch den absichtlichen Einsatz diverser Verschmutzungen und Brauntoene entsteht wirklich der Eindruck, dass dieses Videomaterial sich monatelang im Urwald befunden hat. Obwohl es sich um die Aufnahmen einer Handkamera handelt, hat Deodato diese mit seinem Soundtrack unterlegt und unglaublich aber wahr, die Szenen wirken dadurch noch unglaublicher. Die Filmcrew begeht unglaublich teuflische Taten und da die Handkamera immer voll draufhaelt und damit die Distanz zu dem Geschehen nicht mehr gegeben ist, wirkt die 2. Haelfte umso schockierender. Hier ist nichts mehr schoen, sondern einfach nur noch schockierend. Atmosphaerisch genial!

Wenn man ueber die Splattereffekte von "Nackt und zerfleischt" sprechen will, sollte man zuerst die Tiermorde erwaehnen. Ja lieber Filmfreund, in diesem Film werden echte Tiere getoetet und das nicht zu knapp. So mussten ein Guerteltier, eine Spinne, eine Schlange, eine Riesenschildkroete, ein Ferkel sowie 2 Aeffchen fuer dieses Werk ihr Leben lassen. Die Tiermorde sind wirklich sehr hart anzusehen, da diese groesstenteils (logischerweise) von den Schreien der armen Tiere begleitet werden. Ganz besonders sei hier die Schildkroetenszene erwaehnt, weil was sich die gesamte Filmcrew um Deodato dabei geleistet hat ist einfach nur krank. Angeblich wurden professionelle Schlachter fuer diese Szenen engagiert, also wenn das bei der Schildkroete ein "professioneller" Schlachter gewesen sein soll gehoeren echt ALLE Profischlachter in ein Schlachthaus oder eine Gaskammer. Unglaublich was dort fuer eine Sauerei betrieben wurde. Doch auch fernab der Tiermorde kann der Film mit einigen netten Effekten aufwarten. Diese kommen groesstenteils in der 2. Filmhaelfte vor und wirken durch den Einsatz der Handkamera unglaublich realistisch. Da wird einer Schwangeren der Foetus rausgeholt, einem Mann der Penis abgehackt, diverse Koepfungen, eine Beinamputation, ein Koerper in seine Bestandteile zerhackt, eine Frau auf einem Pfahl aufgespiesst und sogar eine Frau mit einem Pflock zu tode vergewaltigt. Diese Szenen wirken alle ziemlich hart und sind sehr gut gemacht. Anders als bei einem Lucio Fulci kann man die Effekte hier ueberraschenderweise nicht als solche erkennen, nichtmal bei den normalen Szenen der ersten Filmhaelfte. Da waren echte Profis am Werk!

Ungewoehnlich fuer einen itaienischen Horrorfilm koennen auch die Schauspieler restlos ueberzeugen. Am Ueberzeugendsten ist da natuerlich Robert Kermann als Professor Monroe. Dieser bringt seine Rolle unglaublich glaubwuerdig und symphatisch rueber. Anfangs begibt er sich in groesste Gefahr um die Filmcrew zu finden und als er das Videomaterial der Bande begutachtet ist er umso schockierter. Man fuehlt als Zuschauer genauso wie Professor Monroe und das macht ihn zur absoluten Identifikationsfigur in diesem schockierenden Werk. Die Schauspieler der Studiobosse koennen da leider nicht mithalten, da ihre Rollen auch ziemlich klischeebehaftet sind. Wo der Film auch noch Ueberzeugen kann, ist bei der Wahl der Schauspieler fuer die getoetete Filmcrew. Dabei sei allen voran Alan Darsteller Carl Gabriel Yorke hervorgehoben. Noch nie wirkte ein "normaler" Mensch derart hassenswert, man denke nur an die Szene mit dem gepfaehlten Maedchen. Alan betrachtet laechelnd und zufrieden sein teuflisches Werk bis sein Kumpel sagt: "Alan, ich filme grad. Mach doch mal ein betroffenes Gesicht." Alans laechelndes Gesicht veraendert sich in eine betroffene Miene und er sagt: "Unglaublich, ich frag mich wie ein Mensch nur zu sowas faehig sein kann." Noch nie wirkte das Boese so dermassen boesartig. Doch auch der Rest der Teufelsbande kann ueberzeugen, wie Alans Freundin, gespielt von Francesca Ciardi. Ist sie anfangs beim Anblick der geschlachteten Schildkroete noch angewidert, mutiert sie spaeter auch zur absoluten Bestie und ist nicht viel besser als ihr Freund Alan. Diese Entwicklung ist schockierend, da sie anfangs als der symphatische Teil der Gruppe wirkte.

Der Soundtrack von Komponist Riz Ortolani ist einfach nur bombastisch. Der Mann wurde 1962 bereits fuer seine Musik aus "Mondo Cane" fuer einen Oscar nominiert und zeigt auch bei "Nackt und zerfleischt" sein unglaubliches Koennen. So ist das Hauptthema des Filmes die wohl wunderschoenste Musik die man jemals in einem Horrorfilm hoeren durfte. Diese Melodie allein ist schon ein unglaublicher Ohrwurm und laesst die Gier nach dem Soundtrack bei mir wachsen. Doch auch mit duesteren Klaengen kann Ortolani aufwarten und diese hauen maechtig rein. Man achte nur auf die Melodie bei der Bestrafung der Frau, selten passten Bilder und Musik so perfekt zueinander wie in dieser Szene. Selbst wenn man bei den Bildern nicht hinschaut, laesst der Soundtrack einen das Grauen regelrecht "spueren". Wirklich unglaublich was Riz Ortolani hier geschaffen hat. Haette es nicht so viele Skandale um "Nackt und zerfleischt" gegeben, haette Ortolani fuer sein Schaffen sicherlich den Oscar mit nach Hause nehmen duerfen. Doch auch beim normalen Sound kann der Film sehr ueberzeugen, denn im Urwald ist staendig was los. Mal ein Rascheln, dort das Geschrei eines wilden Tieres. Als Zuschauer kommt man nie zur Ruhe, staendig ist bei dem Film etwas zu hoeren und das steigert die Atmosphaere ungemein. Spaetestens bei den Handkameraszenen werden die Gerausche ein sehr wichtiger Teil der dargestellten Welt. Doch auch solch harte Gerausche, wie Schlitzgerausche, klingen sehr authentisch und lassen den Zuschauer regelrecht im Sessel versinken. Sound und Filmmusik harmonieren auf fantastische Weise mit den gezeigten Bildern. Unglaublich toll!



Fazit

Uff, was fuer ein Film. Bei all meinen bisherigen Kritiken musste ich noch nie vor dem Schreiben soviel nachdenken wie bei diesem Film. Das liegt daran, da "Nackt und zerfleischt" ein ganz besonderer Horrorfilm ist, einer der zum Nachdenken anregt und noch lange im Kopf nachhallt. Der Film bombadiert den Zuschauer mit derart vielen und schockierenden Szenen, dass man anfangs gar nicht weiss "was" man da eigentlich gesehen hat. Die Erkenntnis kommt erst Tage spaeter, da man ueber einzelne Szenen nachdenkt und sich langsam des ganzen Ausmasses bewusst wird. Zumindest war das bei mir der Fall. Beispielsweise die Sexszene auf den Ueberresten der verbrannten Kannibalen vor den Augen der anderen Kannibalen, beim anschauen sieht man einfach nur die Bilder, doch beim spaeteren Nachdenken faellt einem erst auf wie krass und unglaublich boese diese Szene doch gewesen ist. Und so verhaelt es sich bei vielen Szenen des Filmes, auch bei den ganzen Vergewaltigungen. Den Hoehepunkt bilden dabei natuerlich die Tiertoetungen und diese sind auch der Grund, warum viele Horrorfans den Film hassen und nicht objektiv bewerten koennen und wollen. In der Tat sind die Tiertoetungen wirklich unglaublich pervers und verachtenswert und waren fuer mich als Tierliebhaber fast unertraeglich. Das Schockierende ist allerdings, dass "Nackt und zerfleischt" ohne diese realen Toetungen nicht funktionieren wuerde. Das klingt jetzt zwar unglaublich, aber es entspricht der Wahrheit. Durch die Verbindung von realen Tiertoetungen und unechten Menschentoetungen wird der Zuschauer derart manipuliert, dass er nicht mehr weiss was echt ist und was nicht. "War diese Toetung an der Frau jetzt etwa echt?", solche und aehnliche Fragen spuken dem Zuschauer den ganzen Film ueber durch den Kopf und sind die grosse Staerke des Filmes. Bei den Tiertoetungen half mir der Gedanke, dass durch diesen Film das Toeten von Tieren in Italien verboten wurde. Damit haben die Tiertoetungen bei "Nackt und zerfleischt" doch etwas "gutes" an sich, weil wer weiss wieviele Tiere sonst noch fuer italienische Horrorfilme getoetet worden waeren. Da Alan und seine Crew die Kannibalen fuer ihre Aufnahmen gefoltert und getoetet haben, bietet der Film auch eine unglaubliche Medienkritik. Um den Menschen ihre Bilder als "echt" zu verkaufen, begehen die jungen Leute schreckliche Verbrechen und im Jahr 1980 schien das noch unrealistisch zu sein. Schaut man sich allerdings die heutige Medienmanipulation an, man denke nur an das verpatzte Video wo George Bush mit einigen Soldaten im Irak reden sollte und sich alles als gefakt herausstellte, wirkt der Film aktueller denn je. Der Film stellt eindeutig die Frage: "Was ist echt und was wollen die Medien uns als echt verkaufen?" Diese Kritik wird im Film selber auf grausamste Art und Weise zelebriert, doch so unglaubwuerdig ist das alles gar nicht. Wissen wir etwa was wirklich "echt" ist? Fuer die Sensationsgeilheit des Publikums koennte einfach alles gefaelscht sein. Und in der Sensationsgeilheit liegt das Schockierendste des Filmes. Denn es sind nicht die schockierenden Bilder, die schockierende Medienkritik oder der duestere Soundtrack der dem Zuschauer einen Schlag ins Gesicht verpasst, sondern der Spiegel des eigenen Ichs. Obwohl man als Zuschauer nach 30 Minuten bereits eine erste Tiertoetung und brutale Vergewaltigung gesehen hat, schaut man trotzdem den Film bis zum bitteren Ende weiter, da man wissen will, wie die Filmcrew umgekommen ist. Die Sensationsgeilheit des Zuschauers hat gesiegt. Der Zuschauer ist selbst eines dieser Monster die im Film derartig kritisiert werden. Dieser Gedanke macht "Nackt und zerfleischt" zu einem sehr schwer verdaulichen Film und die wenigsten Menschen duerften mit diesem "aufgelaufen sein" klar kommen.
Trotz der verwerflichen Tiermorde ist Deodato ein unglaubliches Meisterwerk gelungen, ein schockierender Horrorfilm fuer die Ewigkeit. Der Film ist sehr spannend, schockierend, blutig und hat einen wundervollen Soundtrack. Doch vorm Ansehen sollte sich jeder Mensch klarmachen was ihn erwartet, denn es wartet nicht nur eine Reise in die tiefsten Abgruende des menschlichen Wesens sondern auch in die Abgruende der eigenen Seele.
Ein unglaublich schockierendes und boesartiges Meisterwerk!


Trotz der Tiertoetungen (haben ja nichts mit der Filmqualitaet zu tun)

10 \ 10

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