Wer Fatih Akin nur aus seinen eher heiteren und optimistischeren Werken "Im Juli" und "Solino" kennt (und schätzt), dem wird mit Akins erstem großen Spielfilm "Kurz und Schmerzlos" noch eine ganz andere Seite des multikulturell engagierten Wunderkinds gezeigt. Die noch sehr kleine, grobkörnige Produktion ist ein zutiefst deutscher Milieufilm voll rauher Intensität und mitreißender Emotionalität.
Es geht um drei kleinkriminelle Freunde in Hamburg: Der Türke Gabriel, der Grieche Costa und der Serbe Bobby. Trotz aller Widrigkeiten in ihrem Leben halten sie eng zusammen. Doch die Sache ändert sich, als nach längerer Zeit Gabriel aus dem Gefängnis kommt. Geläutert, beschließt er, mit den krummen Dingern aufzuhören und endlich erwachsen zu werden. Schließlich hat er eine Familie, die er nicht wieder enttäuschen will. Costa zieht auch mit, doch Bobby sieht das anders. Immer noch auf dem Gangster-Trip will Bobby sogar in das große Geschäft einsteigen und für einen Zuhälter der albanischen Mafia arbeiten. Immer mehr entfernt er sich von seinen Kumpels und reitet sich und seine Freunde in eine Katastrophe ohne Ausweg hinein...
Natürlich kann man sagen, dass die Story altbacken ist und in unzähligen Gangsterstreifen verwertet wurde. Doch Akin geht es weder um eine Glorifizierung oder Hochstilisierung der Thematik wie in den ganzen Vom-Straßenjungen-zum-Mafioso-Filmen, noch will er ein weiteres Mal hippes Pulpkino in Form einer derben Gangsterposse reproduzieren (wie etwa "Snatch" oder "In China essen sie Hunde"). Als junger, talentierter deutscher Autorenfilmer konzentriert er sich ganz auf die Schicksale seiner Helden und erzählt mit direkten, grobkörnigen Nahaufnahmen vom Leben der drei Freunde (Verlierer will ich sie nicht nennen, denn das rückt die Sache wieder ins Klischee). Unbeschwert und heiter fängt der Film an, zeigt seine Protagonisten beim Feiern und Freuen, zeigt ihre kulturellen Hintergründe und offenbart ihre gutmütigen, komplexen Charaktere. Ihre (scheiternden) Liebesbeziehungen, u.a. Costa mit Gabriels Schwester, ihre kleinen Meinungsverschiedenheiten und ihre Späße sind detailverliebt und ansehnlich dynamisch inszeniert. Zusammen schaffen sie es, über alles hinwegzukommen, scheint es, und wachsen einem auch mit ihren Macken buchstäblich ans Herz.
Umso schmerzlicher ist es dann mit anzusehen, als die Freundschaft den Bach hinunter zu gehen scheint, weil Bobby übermütig wird und die anderen ihn nicht davon abhalten können. Gefühle kochen hoch, Konflikte brodeln, und der Strudel der Gewalt schlägt zu. Waren die Schlägereien und Querelen zuerst noch ein nettes, nicht allzu ernstes Randdetail, so kommen auf einmal Waffen ins Spiel und es geht um Leben und Tod. Tragik und Bitterkeit. War es vorher noch Akins warmer, persönlicher, sympatischer Erzählstil, der den Film von anderen Vertretern des Genres abhob, so legt "Kurz und Schmerzlos" plötzlich eine ungeheure, schonungslose Intensität auf. Keine Ode an das Gangstertum, sondern eine bitter-realistische, kompromisslose, merklich sozial engagierte Milieudarstellung, die an die Nieren geht, gerade weil man sich als Zuschauer zu dem Zeitpunkt schon voll in die drei Freunde hineinversetzt hat. Ihr Leid wird spürbar und man ahnt schon: Es kann kein gutes Ende nehmen...
Die Leistung der Nachwuchsschauspieler in dem Film ist mehr als beachtlich - sie spielen voller Herzblut. Und Akins Leistung liegt auch hier in seinem einzigartigen Talent, das Leben verschiedenster Menschen voller Esprit, Toleranz und Sympathie detailverliebt zu schildern, sie auf der Leinwand lebendig werden zu lassen und ihre Gefühle dem Betrachter spürbar zu machen. Dabei ist er in seiner Erzählweise angenehm unaufdringlich, poetisch und trotzdem mitreißend und packend. Weiteres Lob verdient auch sein multikulturelles Engagement. Er befasst sich ausführlich mit den religiösen und kulturellen Hintergründen seiner Protagonisten als ein wesentlicher Teil ihrer selbst, ohne sie in ein bewertendes Licht zu rücken, und bringt es so dem Zuschauer nahe. Diese Offenheit und Toleranz zeigt sich auch in seinen späteren Filmen, und alleine deswegen hätte Fatih Akin eine Auszeichnung verdient.
"Kurz und Schmerzlos" ist jedenfalls wunderbares, intensives großes Kleinformatkino mit all den essentiellen Ecken und Kanten, die man anderswo einfach glattbügeln würde. 10/10.