Einer alten mexikanischen Legende zufolge war La Llorona eine wunderschöne Frau, die ihre beiden Kinder ertränkte, als sie ihren Mann bei einem Seitensprung erwischte - fortan sucht sie andere Eltern heim, um deren Kinder ebenfalls zu ertränken. Im Los Angeles der frühen Siebziger bekommt es die verwitwete Sozialarbeiterin Anna (Linda Cardellini) mit solch einer mysteriösen Geschichte zu tun: Eine ihr bekannte Mutter läßt ihre beiden Söhne nicht mehr in die Schule gehen, sondern sperrt sie zuhause ein. Doch die mittels Amtshandlung in ein katholisches Hospiz transferierten Buben überleben nicht einmal die erste Nacht: sie werden ertrunken aus dem Fluß gefischt - Hergang und Täter unbekannt. Darüber ist deren Mutter so verbittert, daß sie Anna - der sie die Schuld am Tod ihrer Kinder gibt - mit einem Fluch belegt: Llorona soll auch deren beide Kinder töten. Doch die couragierte Sozialarbeiterin läßt sich nicht so schnell aus der Fassung bringen, und an Flüche und Geister glaubt sie erst recht nicht. Als jedoch ihre beiden Kleinen (Samantha und Chris) von ebenso gefährlichen wie merkwürdigen Erscheinungen verfolgt und bedroht werden, sucht sie die Hilfe eines ehemaligen Priesters: Der Schamane Rafael Olvera (Raymond Cruz) versucht mit allerlei Wundertinkturen und Kräutern die Kinder gegen La Lloronas Fluch zu schützen...
Mit seinem Erstlingswerk hat Michael Chaves einen schnörkellosen Mystery-Thriller abgeliefert, der in Punkto Kamerarbeit, Grusel-Atmosphäre, Effekte und Darsteller nichts zu wünschen übrig läßt. Behutsam baut der Film eine Spukhaus-kulisse auf, der man sich schon bald nicht mehr entziehen kann: Langsame Kamerafahrten durch dunkle Räume, Close-ups auf Türgriffe, Wasserhähne und sonstige Alltagsgegenstände, dazu nur sparsam eingesetzte Jump-Scares - die authentisch performenden Darsteller (insbesondere die Kinder) tun ein Übriges. Alle Darsteller - mit Ausnahme natürlich der ab und zu in einem weißen Kleid auftauchenden, fratzengesichtigen Llorona - vermögen Sympathiewerte zu verbuchen, und erfreulicherweise hat der Film auch ein (erwartbar) spektukuläres Ende in einem furiosen Showdown zwischen Hausbewohnern und bösem Geist.
Woran es ein wenig mangelt, sind frische Ideen oder Varianten des Spukhaus-Themas, denn der im Conjuring-Fahrwasser schwimmende Plot an sich ist nicht neu. So überzeugend das langsam von der Familie besitzergreifende Grauen auch inszeniert ist, so oft hat man diese Geschichte schon auf der Leinwand gesehen. Was Lloronas Geist in den hunderten Jahren zwischen der Eingangsszene (als sie noch glücklich war) und der auf 1973 datierten filmischen Gegenwart gemacht hat oder wie der Fluch weitergegeben oder gebrochen werden kann, wird nicht weiter erörtert, auch fehlen Freunde, Bekannte oder Arbeitskollegen, die der vehement um ihre Kinder kämpfenden Anna beistehen könnten: ein schwarzer Kollege taucht nur kurz zuhause auf, und eigentlich will Anna die Sache (zunächst) auch alleine durchstehen, ist sich der Gefahr, in der sie und ihre Kinder schweben, aber auch nicht wirklich bewußt. Mit der Festlegung auf 1973 (erkennbar am Interieur des Hauses und den Autos auf der Straße) fallen allerdings auch all die technischen Spielereien von heute (ausgeklügelte Überwachungstechnik bzw. das Internet als schnelle Mobilisierungsquelle für Hilfe) weg - stattdessen gerät Anna kurzzeitig selbst unter Verdacht, da die Brandwunden (die Llorona den auserkorenen Opfern zufügt, wenn sie sie festzuhalten versucht) dem untersuchenden Kinderarzt komisch vorkommen. So bleibt denn letztendlich nur die Hilfe des Schamanen, der erstaunlich bodenständig sein Werk beginnt...
Fazit: Lloronas Fluch stellt eine weitere Variante des Haunted-House-Themas dar; inhaltlich nichts Neues, aber tadellos abgefilmt und durcherzählt und somit für die Gänsehaut-Fraktion in jedem Fall empfehlenswert. 7 Punkte.