Review

Als die mexikanischstämmige Visagistin Gloria (Gina Rodriguez, Auslöschung) aus L.A. ihre beste Freundin Suzu (Cristina Rodlo) in ihrer alten Heimat Tijuana besucht, ahnt sie noch nicht, wie folgenreich dieser Abend für sie werden wird: Denn kaum hat sie ihre Freundin für den Schönheitswettbewerb zur Miss Baja California aufgestylt und in den Club begleitet, wird dieser schon von einer Bande Gangster überfallen. Während es diese wild um sich schießend auf den Veranstalter, den örtlichen Polizeichef Saucedo (Damián Alcázar, Narcos) abgesehen haben, kann Gloria im Kugelhagel zwar entkommen, verliert aber ihre Freundin aus den Augen, die nicht wieder auftaucht. Am nächsten Tag vertraut sie sich einem Polizisten an, da sie die Gangster beim Betreten des Clubs (durchs Fenster im Damenklo) gesehen hatte, doch dies erweist sich als schlechte Idee, denn der Gesetzeshüter liefert sie geradewegs bei den Gangstern ab: Es sind die Los Estrellos, die mächtigste Drogengang von Tijuana. Gloria, die nur ihre Freundin wiederfinden will, muß den Estrellos, die einen Krieg gegen Saucedo führen, einen Gefallen tun und zunächst einen mit Sprengstoff bepackten Wagen vor einer Polizeibehörde parken. Danach soll sie, als US-Staatsangehörige unverdächtig, als Kurier Drogengelder über die Grenze bringen, wofür ihr Estrellos-Anführer Lino (Ismael Cruz Cordova), der als Druckmittel Suzus kleinen Bruder als Geisel behält, zusichert, sich um den Verbleib ihrer Freundin zu kümmern, von der es nach wie vor keine Spur gibt. Doch auch die in Mexiko operierende US-Drogenbehörde DEA will Glorias Mitarbeit: Sie halten sie für ein Bandenmitglied, schnappen sie sich unterwegs und verlangen von ihr, eine Wanze in Linos Handy zu platzieren...

Beim vorliegenden Miss Bala, was man sinngemäß mit "Miss blaue Bohne" ins Deutsche übersetzen könnte, handelt es sich um ein US-Remake des mexikanischen Originals von 2011, von dessen seinerzeitiger Sozialkritik und Hoffnungslosigkeit 8 Jahre später allerdings nicht mehr viel geblieben ist: in der Tat ist diese 2019er Version ein typischer Hollywood-Actioner, trotz reichlicher Shootouts ohne allzugroße Härten durchchoreographiert und natürlich hochglanzpoliert von der ersten bis zur letzten Szene.

Fast alles in Miss Bala entspricht dem üblichen Klischee: Die Misswahl findet in einem exquisiten Club statt, der ältere Polizeichef steht auf junges Frischfleisch, ist wie seine Untergebenen korrupt bis ins Mark und genießt ansonsten die Sonnenseiten des Lebens; das in Tijuana dominierende Drogenkartell, dem Namen nach ("Los Estrellos", die Sterne) eher eine HipHop-Truppe, besteht aus einer handvoll ähnlich US-Rappern mit stylishen Silberkettchen in teuren Schlitten auftretenden Streetgang (mit Selfies vor dem brennenden Polizeirevier) und ihr junger Anführer Lino (laut Drehbuch selbst halber Amerikaner) ist eher ein verständnisvoller Softie, der nur zeitweilig grimmig dreinschaut und sich der unfreiwilligen neuen Mitarbeiterin gegenüber erstaunlich zurückhaltend verhält. Kann man diesen Leuten schon nicht trauen, so kann man dies auch nicht der DEA, die Gloria im entscheidenden Moment natürlich hängen läßt, sodaß die Hauptdarstellerin ständig gefordert ist, zwischen beiden Fronten zu lavieren, was ihr im Übrigen leidlich gelingt.

Das weitere Geschehen entspricht dem Schema F (Doppelagentin wieder Willen gerät unter Verdacht, kann Verdacht entkräften, entdeckt Geheimnis, usw.) und mündet weitgehend überraschungsfrei mit nur einem winzigen, vorhersehbaren Plot Twist in ein Grande Finale (eine größere Schießerei, wer hätte das gedacht?). Die Themen Frauenhandel und Zwangsprostitution bleiben fast völlig ausgespart, und bis auf eine (allerdings praktisch im Off stattfindende) Exekution hält sich die direkte Gewalt auf einem äußerst niedrigen Level.

Zu den wenigen Positiva von Miss Bala (neben den akkurat inszenierten Shootouts) zählt Gina Rodriguez, die ihren titelgebenden Filmcharakter glaubhaft darstellt, zumindest soweit das Drehbuch ihr dies zugesteht: in den allermeisten Szenen ist ihr Auftreten von (durchaus sympathiestiftender) Beklemmung und Gedrängtsein bestimmt, und nur zwischendurch läßt sie eine gewisse Entschlossenheit erkennen. Ihre Performance aber reicht somit immerhin, sich dieses bestenfalls mittelmäßige Action-Drama bis zum Ende anzuschauen: 4,51 Punkte.

Details
Ähnliche Filme