Der erste Film nach dem Mega-Erfolg ist immer der Schwerste und das trifft sicherlich auch auf Leonardo DiCaprio zu, der nach "Titanic" sein Bestes in dieser Kultbuchverfilmung gab.
"The Beach" war in den USA ein Flop, sonst aber ein Gewinner, was wohl auch an Leonardos Popularität lag.
Das Buch selbst ist mir nicht bekannt, aber der Film kann unter "sehenswert" eingeordnet werden. "Trainspotting"-Regisseur Danny Boyle folgt hier wieder der düsteren Richtung in einer Geschichte um wahre Herausforderungen und Abenteuer, um die letzte urwüchsige Zuflucht und all die Selbsttäuschungen, die dahinter stehen.
Di Caprio spielt hier einen Rucksacktouristen, der von einem geheimnisvollen Zimmernachbarn (in vollem Durchgeknallten-Modus: Robert Carlyle) eine Karte zu einer Insel erhält, wo es einen wunderbaren Strand, ein unberührtes Paradies geben soll.
Zusammen mit einem bekannten Pärchen macht er sich auf den Weg, hinterläßt eine Kopie jedoch bei zwei weiteren Leuten.
Daß das Paradies auf Erden nicht existiert, zeigt schon der Weg dorthin ganz deutlich. Die Insel liegt versteckt, niemand will und darf dorthin und wir erfahren auch bald wieso, denn es gibt eine illegale Hanfplantage dort, der Strand selbst liegt abgetrennt vom Rest der Insel, zu dem man nur gelangen kann, wenn man von einem Wasserfall springt.
Boyle läßt es lange offen, ob er nun einen Unterhaltungsfilm oder eine zynische Gesellschaftssatire inszenieren will, jedoch ist schon früh zu ahnen, daß den Zuschauer hier eine Katastrophe erwartet. Und da hilft auch die Idylle im Strandcamp der Ausgestiegenen nichts. Neid und Mißgunst gibt es trotzdem, neben dem Spaß muß für die Gemeinschaft gearbeitet werden, raus kann man nicht so einfach.
Der entlarvenste Moment ist sicherlich die nötige Reise in die Zivilisation, die von all den Aussteigern benutzt wird, um an die verlorenen Segnungen (gibt sonst nur Fisch und Reis und Früchte) wieder heranzukommen. Eine endlose Liste von Bestellungen (oft Süßigkeiten und, signifikant, Monatsbinden und Kondome) zeigt einem verwirrten Di Caprio, wie es um den totalen Ausstieg steht.
Die wahre Schwärze allerdings folgt noch: ein Haiangriff führt zu Toten und Verwundeten, wobei letztere nicht in ein Krankenhaus gebracht, sondern im Wald ausgesetzt werden. Ausgedacht und durchgeführt werden die Unmenschlichkeiten von der Führerin der Gruppe, deren Machtkomplex und Kontrollwahn erst langsam enthüllt werden.
Trotzdem präsentiert der Film Di Caprio als Schlange im Paradies, sein Hai-Abenteuer verleitete die anderen zum Leichtsinn, sein Fehler mit der Kopie sorgt für Ärger im Paradies, als die Landsleute natürlich ebenfalls übersetzen, um dann im Haschfeld niedergemetzelt zu werden.
Bemerkenswert ist nicht die Wahl eines möglichen sich entwickelnden Gut-gegen-Böse-Schemas, obwohl sich das herauskristallisiert (als man merkt, was für ein fieses Schwein die Leiterin ist), sondern Di Caprio geht auf den, ohnehin filmlangen, Egotrip, verbannt aus der Gemeinschaft auf Zeit, später in Urtrieben und halbem Wahnsinn nicht mehr kontrollierbar.
Erst auf der absoluten Schlußgeraden kommt es zur Konfronation nicht nur mit den Haschanbauern, sondern auch zur Sprengung der "Gemeinschaft", indem sich die zerstörerische Seite selbst entlarvt.
Angereichert mit düsteren Bildern, Traumsequenzen, verstörend-zerstörerischen Visionen und einem Di Caprio, der einmal in Form eines Computerspiels durchs Unterholz taumelt, ist "The Beach" ein dunkler Brocken für die breite Masse. Die Essenz des Buches soll verändert worden sein, doch es ist keine totale Plotverflachung bemerkbar. Allerdings leidet die Zugänglichkeit sehr unter dem Egoismus und der Selbstzentrierung der Hauptfigur. Andere Figuren fallen über weite Strecken immer mal wieder aus dem Rahmen heraus oder verschwinden eine Weile, um zum Schluß wieder aufzutauchen. Recht blutig und herb übrigens die Ergebnisse der Hai-Attacke und die Erschießungen.
Trotzdem kann man diesen Horror-Trip zeitweise genießen, wenn auch einiges schon lange zu erahnen ist, bevor der Film sich entscheidet, dies auch konkretisieren zu müssen.
Wunderschön jedoch Inszenierung und Location, eine generelle Aussage (das Ende deutet ein zynisches "es ist nirgends schöner als zu haus" an) läßt sich aber schwer ableiten. Der Traum vom Leben beyond Zivilisation, vom einmaligen Erlebnis ist jedenfalls ausgeträumt. Wenn wir die Natur schon nicht zerstören, dann zerstören wir uns untereinander wenigstens selbst, den mit der puren Natur kommen wir nicht mehr zurecht. So in etwa könnte das Credo lauten. Begnügen wir uns damit. (6,5/10)