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„Für mich ist ein Mann, der mich nicht körperlich lieben kann, eine Quelle des Unglücks... ein Abgrund des Leidens.“

Zwischen „Eine perfekte Liebe“ (1996) und „Meine Schwester“ (2001) drehte die umstrittene französische Filmemacherin Catherine Breillat das Sexdrama „Romance“, das im Jahre 1999 veröffentlicht wurde und aufgrund expliziter Sexszenen und anderer ungewohnt intimer Einblicke in dünnhäutigen Kreisen als skandalös aufgefasst wurde.

„Ich darf dich betrügen, du mich aber nicht!“

Die junge, attraktive Lehrerin Marie (Caroline Ducey, „Innocent“) lebt mit ihrem Mann Paul (Thomas Sagamore Stévenin, „Der Joker und der Jackpot“) zusammen, der ihr dauerhaft den Beischlaf verweigert. Marie ist dies nicht länger hinzunehmen bereit und begibt sich auf die Suche nach unverbindlichen sexuellen Abenteuern. So lässt sie sich von einem Fremden (Rocco Siffredi, „Rocco's True Anal Stories“) in einer Bar abschleppen, sich von Robert (François Berléand, „Verhängnisvolles Alibi“), ihrem Schulrektor, für dessen Bondage-Fetisch benutzen und auf einer Treppe von einem weiteren Fremden vergewaltigen. Nachdem Paul dann doch einmal kurz über sie herübergerutscht ist, ist Marie tatsächlich schwanger von ihrem Mann, mit dem sie mittlerweile eine Art Hassliebe verbindet. Bei einer gynäkologischen Untersuchung lässt sie sich ihre Vagina von einer ganzen Gruppe Studenten betrachten und bringt ihr Kind schließlich in Pauls Abwesenheit zur Welt.

„Ein dünner Schwanz, der hat keine Würde!“

Mir fällt es nach wie vor schwer, einen Zugang zu Breillats Filmen zu finden. Auch diesmal scheint sie aufzeigen zu wollen, dass Frauen keinesfalls „unschuldige“, „reine“ Wesen sind, die kein Wässerchen trüben können. Das ist zunächst einmal ebenso wenig neu wie die Erkenntnis, dass auch Frauen sexuelle Bedürfnisse haben, die sie sich im Zweifelsfall anderweitig erfüllen, wenn der Mann seinen „ehelichen Pflichten“ nicht nachkommt. Eben dabei sieht man Marie in „Romance“ zu – und hört ihr zu, da sie zugleich als mitteilungsfreudige Offscreen-Erzählinstanz fungiert und über Sex, Beziehung und Leben philosophiert. Ducey agiert sehr freizügig, trägt jedoch einen üppigen ‘70er-Jahre-Busch vor sich her. Die Penisse Stévenins und Siffredis in den Mund zu nehmen scheut sie sich nicht, auch nicht, sich von Berléand fesseln oder vom Frauenarzt den Finger einführen zu lassen. Die nach einer knappen halben Stunde eingeleitete, skandalumwitterte, vermeintlich reale Sexszene mit Pornodarsteller Siffredi ist jedoch nicht der Rede wert: Entgegen anderslautender Gerüchte handelt es sich um keine reale Penetration, zudem ist während des Akts keines der Geschlechtsteile zu sehen. Davon einmal abgesehen ist die ganze Sequenz vollkommen zerredet worden und der Geschlechtsakt extrem kurz, was eigenartigerweise überhaupt nicht problematisiert wird: Für alle Beteiligten scheint es normal, vorm Beischlaf lange zu quatschen, um sich anschließend innerhalb von 100 Sekunden zu erleichtern bzw. in sich erleichtern zu lassen.

Überliefert ist, dass Breillat Bock auf den Pornodarsteller hatte – so wäre es kaum verwunderlich, wenn er in erster Linie verpflichtet worden wäre, damit Breillat sich einmal von Angesicht zu Angesicht an seinem Anblick erfreuen kann. So etwas wie eine Pornoszene wird zu einem späteren Zeitpunkt von Marie imaginiert, während sie auf dem Gynäkologenstuhl sitzt und von Puffszenen tagträumt. Dieser Moment erinnert an HC-Inserts alter Sexploitation-Filme. Und wer sich durch den von ermüdenden inneren Monologen durchsetzten, spröde und langweilig inszenierten Film tatsächlich irgendwie angeregt fühlen sollte, wird gegen Ende von der unvermittelt auf einen einprasselnden Nahaufnahme einer Geburt abgestraft. Unter Breillats Federführung wirkt die sexuelle Entdeckungsreise einer jungen Frau nicht nur lustfeindlich, sondern manch authentisch vulgärem Dialog zum Trotz auch gekünstelt und schwer nachzuvollziehen, da die ganze Situation absurd erscheint. Marie wird ihrer Off-Schwadronerei zum Trotz lediglich schemenhaft charakterisiert, alle anderen – inklusive ihres Mannes – gar nicht. Was sie und Paul verbindet oder zumindest einmal verband, bleibt diffus. Als Psychogramm einer Frau mit gespaltenem Verhältnis zur Sexualität funktioniert „Romance“ daher ebenso wenig wie als Erotikdrama. Sex bedeutet für Breillat kein Miteinander, sondern ein Machtgefüge, und hat mit Lebensfreude oder Leidenschaft augenscheinlich nicht viel zu tun. Das ist weder sonderlich aufsehenerregend oder spannend, das ist einfach nur ermüdend.

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