Review

kurz angerissen*


Seriös beginnen mit einer Texttafel.
Diese dann aber auflösen wie einen Witz.
Ab in die Vergangenheit.
Wieder zurück in die Gegenwart. Dabei aber immer schön die Zeitmaschine auf Standby halten.
Erst den schüchternen Jungen spielen, dann frech mit den Augen zwinkern. Oder dem Anderen gleich eine aufs Maul geben.
Einmal um den heißen Brei herum.
Ablenkungsmanöver.
Dann rein in den Abspann.
...und wieder raus.
Als Schwanz mit dem Hund wedeln.
Reales und Fiktion vermischen. Eine Prise gefährliches Halbwissen dazu.
Pfade auslegen für das Grauen mit Blondschopf, das sich in der Gegenwart auf dem Präsidentensessel lümmelt.
Und schon ist es keine Biografie mehr über den 46. Vizepräsidenten, sondern ein Treppenwitz über die Geschichte der amerikanischen Politik.

Wenn man ohnehin nicht die gesamte Faktenlage beisammen hat, kann man zweierlei Dinge tun: Entweder man lässt es einfach sein mit dem Biopic. Oder, und das ist wohl die unterhaltsamere Variante, man bekennt sich einfach zur Lücke und überbrückt sie mit einem Schuss überdrehter Politsatire, in deren Kern möglicherweise ja auch ein Fünkchen Wahrheit schlummert. Wenn man Adam McKays Fußspuren zurückverfolgt hat, weiß man: Der Kerl ist sich nicht zu schade für die zweite Option.

„Vice“ verknüpft episodisch jene Eigenschaften, die bestimmte Biografien und Dokumentationen in den letzten 20 Jahren haben herausstechen lassen. Er ist so nonchalant und trocken wie die politisch Agierenden in „Wag the Dog“ und wendet Rhetorik so ausgebufft an wie der Strahlemann in „Thank You For Smoking“. Sein Schnitt ist so manipulativ-unterhaltsam wie die Arbeiten Michael Moores und erzählerische Konventionen fernab des „True Story“-Dogmas verspottet er nicht weniger lautstark als Craig Gillespie es mit „I, Tonya“ zu tun pflegte. Christian Bale gibt mal wieder dem Method Actor Zucker, scheint sich diesmal jedoch über seinen eigenen Perfektionismus fast schon lustig zu machen. Schwer zu sagen jedenfalls, ob er es hiermit tatsächlich auf den Oscar angelegt hatte, für den er schließlich immerhin nominiert wurde – falls ja, muss er der Jury eine Menge Humor zugetraut haben.

Selbstverständlich ist es in einem gewissen Sinne bequemer, einfach am Rad zu drehen und anhand wahnwitzigster Einfälle (u.a. einem Shakespeare'schen Bettgespräch) munter Parabeln zu ziehen, um auf diese Weise ein möglichst freies Statement zur zeitgenössischen Politik abzugeben. Mit Besonnenheit und harter Recherche eine seriöse Analyse der Strukturen vorzunehmen, wäre wohl der anspruchsvollere Ansatz. Aber sofern man Politik auch als Dialog mit dem Volk versteht, hat „Vice“ seinen Bildungsauftrag vielleicht nicht ganz falsch verstanden.


*weitere Informationen: siehe Profil

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