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Von den drei großen Slasher-Serien der Horrorfilmgeschichte ("A Nightmare on Elm Street", "Friday the 13th" und "Halloween") ist die Halloween-Reihe besonders inkohärent verlaufen: "Halloween II" (1981) schließt direkt an das Original an, "Halloween III: Season of the Witch" (1982) ignoriert beide Vorgänger (erklärt sogar "Halloween" (1978) im Film selbst zur Fiktion), "Halloween 4: The Return of Michael Myers" (1988) ignoriert wieder Teil 3, "Halloween 5: The Revenge of Michael Myers" (1989) und "Halloween: The Curse of Michael Myers" (1995) halten sich dann an die Reihenfolge bis "Halloween H20: 20 Years Later" wieder alle vier vorherigen Teile ausblendet um an "Halloween II" anzuschließen. "Halloween: Resurrection" (2002) setzt dann den siebten Teil fort und orientiert sich dabei am Erfolg von "Blair Witch Project" (1999) und der damit losgetretenen Welle vermeintlich authentischer Live-Spielfilme, und mit "Halloween" (2007) brachte Rob Zombie schließlich ein Remake als Neustart, dem er mittlerweile mit "H2" (2009) ein Sequel folgen lässt, das im August dieses Jahres in die Kinos kommen wird.

Nicht direkt an den sechsten Teil anzuschließen war eine gute Entscheidung, hatte dieser doch mit der Einbeziehung von Kultisten den Slasherstoff etwas verwässert und die eigentlich Stringenz der Halloween-Filme einer unglaubwürdigen, dafür komplexeren Handlung geopfert. Zudem ist mit Donald Pleasences Tod auch die Figur des Dr. Loomis ausgeschieden, die bisher eine zentrale Rolle spielte und der durchgängige Widersacher des maskierten Killers gewesen ist.

Man ignorierte also fast alle Vorgänger und konzentrierte sich auf die ersten zwei Filme, in denen Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) die eigentliche Identifikationsfigur war. Hier [Achtung: Spoiler] gab es einen guten Ansatzpunkt um die Reihe fortzusetzen: Laurie, im zweiten Teil zu Michael Myers Schwester "geworden", ist mittlerweile Internatsleiterin, hat selber einen Sohn (Josh Hartnett) und ist von den 20 Jahre zurückliegenden Ereignissen nachhaltig verstört. Und als sich wieder ein neues Halloween-Fest nähert, kommt der vermeintlich tote Michael (Ende des zweiten Teils zusammen mit Dr. Loomis in die Luft gesprengt) zurück und bedroht sie, ihren Sohn und seine drei Freunde, die sich vor einem Schulausflug gedrückt haben und eigentlich zusammen einen draufmachen wollten.

Diese recht geradlinige Fortsetzung (schon der Song Mr. Sandman schließt in der ersten Minute an den zweiten Teil an) kommt mit zwei weiteren Pluspunkten daher: Für die Rolle der Laurie Strode konnte man Curtis - die sich engagiert für ein das Original würdigendes Sequel zum Jubiläumszeitpunkt einsetzte - zur Rückkehr zu der Rolle, der sie ihren Ruhm verdankt, bewegen, auf den Regiestuhl setzte man Steve Miner, der - sowieso erfolgreich im Horrorgenre tätig - mit "Friday the 13th Part 2" (1981) und "Friday the 13th Part 3" (1982) zwei Slasherklassiker inszenierte, die zugleich die wegweisendsten Sequels der Friday-Reihe sind.
Handwerklich ist der Film entsprechend sauber erarbeitet worden: Curtis und Hartnett überzeugen wie so ziemlich alle Darsteller durchgängig, die Kameraführung ist elegant, der Einsatz von Groß- und Detailaufnahmen gelungen, John Ottman und Marco Beltrami lieferte einen ebenso konventionellen wie wirksamen Soundtrack ab und die Effekte befinden sich auf anständigem Niveau. Damit kann er auf handwerklicher Ebene durchaus mit dem Original konkurrieren, die vorherigen Sequels übertrumpft er spielend.
Zusätzlich lassen es sich die Autoren Matt Greenberg und Robert Zappia ebensowenig wie Miner nehmen, mit den Erwartungen der Zuschauer zu spielen und dem Film darüber hinaus einen unaufdringlich selbstironischen Anstrich zu verleihen:
So erzeugt eine Szene, in der eine Mutter mit ihrer Tochter auf einer Herrentoilette an Michael Myers gerät (00:21:22), durchaus Spannung, die unwichtigen Nebenfiguren - und damit beste Opferrollen - kommen jedoch unbeschadet davon; das liefert dem Film anschließend ein gewisses Maß an Unvorhersehbarkeit, das dem Spannungsbogen durchaus zugute kommt - etwa dann, wenn einer der jungen Protagonisten im Müllzerkleinerer nach einem Schlüssel fummelt (00:58:33).
Für Liebhaber des Subgenres gibt es als zurückhaltenden Gag am Rande einen assoziativ an "Friday the 13th" erinnernden Schockeffekt, als die Krankenschwester des verstorbenen Sam Loomis ihr aufgebrochenes Haus erkundet (dort taucht Pleasence zumindest als Foto nochmal auf), und anschließend in einen Schüler mit Hockeymaske rennt (00:02:02). Subtiler ist da schon die kurze Szene (00:49:32), in der zwei Schülerinnen von einem Schulpsychologen erschreckt werden während im Hintergrund "Scream 2" (1997) läuft - besonders wenn man sich daran erinnert, dass die Jugendlichen in "Scream" "Halloween" im TV anschauen... In letzter Konsequenz gibt es damit eine logische Verschiebung (die 20 Jahre zurückliegenden Ereignisse werden für die Zuschauer, die "Scream" kennen, nämlich als Filmereignisse in einem Film innerhalb von "Halloween H20" hingestellt, was freilich niemanden ernsthaft stören dürfte), allerdings auch einen Verweis auf die augenzwinkernde Ironie, die sich wie schon in "Scream" nicht zuletzt (wie bereits eingangs erwähnt) daran zeigt, dass mit Erwartungshaltungen gespielt wird: Schockeffekte werden groß angekündigt und dann ausgelassen, oder aber nicht angekündigt und dann als Variation gängiger Klischee-Effekte durchgespielt - etwa wenn Laurie Michael endgültig ermorden will, die Musik den dramatisch-anrührenden Abgang verspricht und dann aber der Wachmann polternd herbeistürzt und sie Szene sprengt (01:13:26). So offensiv selbstreflektiv wie "Scream" will der Film aber an keiner Stelle sein, was ihm davor bewahrt als dreister Nachahmer zu erscheinen. (Zudem stammte das ursprüngliche Buch von Williamson, dem Autoren von "Scream", da wären Parallelen ohnehin gestattet gewesen...)

Und trotz des lockeren, unverkrampften Tonfalls, den der Film damit gekonnt anstrebt, gibt es durchaus noch Platz für "tiefere" Szenen [Achtung: Spoiler!]: Lauries psychische Entwicklung wird hier ausgiebig behandelt (wohl auch ein Grund dafür, dass Curtis nochmal zurückgekommen ist) und ihre Vergangenheitsbewältigung, die sich während ihrer Affäre mit dem Schulpsychologen ebenso abspielt wie in Gesprächen mit ihrem Sohn. Darüber hinaus wiederholt man in diesem Kontext auch die Unterichtssequenz aus "Halloween" - diesmal mit Laurie als Lehrerin - die auf formaler Seite sehr dich am Original liegt, auf inhaltlicher Ebene aber Lauries Situation bestens zusammenfasst: Die Frage nach Viktors Verhalten in Mary W. Shelleys "Frankenstein" beantwortet eine Schülerin mit dem Hinweis, er sei vor Angst wie gelähmt gewesen und erst als jemand sterben musste und er nichts mehr zu verlieren hatte, habe er es vermocht seine Angst zu überwinden und sich seinem Monster zu stellen (00:39:44). Und so wird auch Laurie in diesem Film erst richtig aktiv, nachdem Michael ihr den Liebhaber und Schulpsychologen genommen hat. Von da an wächst sie wieder über sich hinaus zum Final Girl, das den verwundeten Killer letztlich auf der Krankenbahre noch entführt um ihn im Finale zu enthaupten. (Im folgenden Sequel - das schwächste der Reihe - wird angenommen, hinter der Maske steckte bloß ein Opfer Michaels, womit die Reihe wieder fortsetzungsfähig war.)

Bisweilen erinnert der Film, der mit zertrümmerten Beinen, ausgehöhlten Bäuchen und durchtrennten Kehlen daherkommt, eher an die Ruppigkeit von Teil 2 und 6 als die Zurückhaltung des Originals, und an Miners Friday-Filme: zumindest das gehäufte Auffinden der entstellten Opfer gegen Ende lässt Erinnerungen an diese aufkommen. Die spärliche Verteilung dieser Szenen dürfte in Verbindung mit ihrer kurzen Dauer allerdings doch dazu führen, dass Splatter-Liebhaber nicht auf ihre Kosten kommen werden.

Insgesamt schwächere 7/10 für den zweitbesten Teil der ursprünglichen Reihe, der zwar handwerklich sauber erarbeitet und inhaltlich verhältnismäßig gut durchdacht daherkommt, dem Slasherfilm aber auch keine Innovationen zu entlocken vermag.

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