Ein französischer Talentsucher aus der Modebranche spricht 1990 auf einem Markt in Moskau eine junge Verkäuferin an, deren Gesicht ihn fasziniert. Die blonde Frau, die dort Matroschka-Puppen verkauft, folgt seinem Angebot nach Paris und wird dort recht schnell mit den Gepflogenheiten der Modebranche vertraut gemacht. Doch die zierliche Anna (Sasha Luss) ist in Wirklichkeit eine hochkarätige Spezialagentin des KGB, war bewußt auf den Modescout angesetzt und führt in der Folge für den russischen Geheimdienst zahlreiche Auftragsmorde aus. Fast lückenlos von ihrer strengen Chefin Olga (Helen Mirren) überwacht, unterläuft ihr jedoch eines Tages ein Fehler und sie muß mit der CIA kooperieren. Der ehemalige Junkie ohne Familie, der noch dazu mit Geheimdienstlern beider Seiten ein Verhältnis beginnt, lebt von der Hoffnung, nach einigen Jahren Dienst ein freier Mensch zu werden. Doch die Tätigkeit als Doppelagentin setzt ihr immer mehr zu und bleibt überdies nicht unbemerkt...
Wieder ein Action-Thriller von Luc Besson, der sich fast 30 Jahre zuvor mit Nikita (1990) schon einmal dieser Thematik, einer unschlagbaren weiblichen Killerin, angenommen hatte - um es kurz zu machen: Seine 2019er Anna ist ein schwacher Aufguß seines eigenen Meilensteins von 1990, und selbst wer das Original von damals noch nicht kennt, wird von der vorhersehbar langweiligen Handlung nicht sonderlich begeistert sein. Das liegt zum einen daran, daß die titelgebende Heldin von Beginn an jede ihr anvertraute Aufgabe mit Bravour löst, weswegen schon gar keine Spannung aufkommen kann, wie der Film wohl endet (die verschiedenen Zeitebenen, in denen der Film ein paar Monate vor- und dann wieder zurückspringt, sorgen ohnehin eher für Verwirrung), zum anderen an der völlig farblosen Sasha Luss, die ihrem (freilich streckenweise comichaften) Filmcharakter keinerlei Tiefe zu verleihen weiß: Weder in den stylish aufgezogenen Kampfszenen, noch in wenigen züchtig abgefilmten Soft-Bumseinlagen oder der herzerweichend blöden Story des vom Leben gebeutelten Junkies vermag die auch im wirklichen Leben als Model arbeitende Russin irgendein Interesse, geschweige denn Sympathie zu wecken. Dazu kommt, daß der an sich interessante Ost-West-Konflikt kaum Niederschlag im Drehbuch findet und seine holzschnittartigen Proponenten, die jedem erdenklichen Klischee genügen, nur darauf zu warten scheinen, von Anna erledigt oder wenigstens übertölpelt zu werden. Gerade einmal Helen Mirren sorgt mit ihrer Darstellung der knorrigen Kettenraucherin mit Ambitionen auf den KGB-Chefsessel für einige spärliche Schmunzler, ansonsten tut sich niemand sonderlich hervor.
Die ärgerlichste Begleiterscheinung des Films allerdings ist der Umstand, daß sich Besson an keinerlei historische Gegebenheiten hält und seinen Schauspielern Handies, kompakte Festplatten, USB-Sticks und Laptops spendiert, die es seinerzeit sämtlichst noch nicht gegeben hat (und ganz besonders nicht in der damaligen Sowjetunion). Auch die Wahl der Autos (SUVs etc.) ist vollkommen daneben, und da dies sicher nicht am mangelnden Inventar seines Filmstudios liegt, darf man getrost davon ausgehen, daß es Meister Besson einfach völlig egal war, in welcher Epoche seine blonde Lara Croft herumballert. Damit nicht genug spendiert er Anna neben ihren beiden Geheimdienstler-Romanzen auch eine lesbische Freundin, die allerdings zu keiner Zeit eine Rolle in der Handlung spielt, was man als billiges Zeitgeist-Attribut schon negativ auslegen kann.
Außer den genauso temporeich wie phantasievoll unrealistisch choreographierten Actionszenen (Anna schießt z.B. ohne zu schauen unter der Achsel nach hinten und trifft die Angreifer stets punktgenau mit einem einzigen Schuß, wird aber selber nie getroffen, da alle Schüsse auf sie danebengehen), die einem weniger anspruchsvollen Publikum vielleicht gefallen mögen, bietet dieser 2019er Nikita-Verschnitt schlichtweg nichts, was irgendwie in Erinnerung bleiben könnte. 3 Punkte.