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In den besetzten Niederlanden der frühen Vierziger Jahre stellen die Bankiersbrüder van Hall eine Schattenbank auf die Beine, die - von den Deutschen lange Zeit unbemerkt - all jenen Löhne, Gehälter und Darlehen zukommen läßt, die dem niederländischen Widerstand zuzurechnen sind. Schon nach kurzer Zeit profitieren von diesem System der heimlichen Geldverteilung viele dem Besatzungsregime mißliebige Menschen, das immer weitere Kreise zieht und am Ende sogar als Streikkasse für die niederländischen Eisenbahner herhalten muß. Dieses "Untergrundsystem in Nadelstreifen" hält fast bis Kriegsende, erst im Frühjahr 1945 wird Walraven van Hall dann doch geschnappt und exekutiert - bis dahin haben er, sein Bruder und einige Helfer jedoch tausenden Menschen ein Überleben gesichert. Der Bankier des Widerstands setzt den historischen Vorbildern, den Brüdern van Hall, ein Denkmal in Form eines Spielfilms, der bewußt keine Dokumentation sein will, aber deutlich mehr als nur eine halbdokumentarische Geschichte darstellt.

Die Initialzündung bei Walraven van Hall (Barry Atsma), der eigentlich zur See gefahren ist, wegen eines Augenleidens ausgemustert wurde und nun mehr oder weniger gezwungen als Bankier arbeitet, erfolgt eher unspektakulär: als er eines Tages einen jüdischen Bekannten besuchen will, findet er dessen Frau und Kind vergiftet auf der Wohnzimmercouch, während sein Bekannter sich im Stiegenhaus erhängt hat. Bestürzt stürmt Walraven mit dem Abschiedsbrief auf die Strasse, als ihn ein Fremder freundlich anspricht: Ob man nicht endlich etwas unternehmen wolle dagegen, denn so etwas werde es in Zukunft häufiger geben...

Walraven,  - großgewachsen, schlank und blond und damit optisch eher dem NS-"Arier"-Idealtyp zuzuordnen - der sich selbst jedoch weder als Held noch als besonders oppositionell betrachtet, zögert noch - erst seine ins Vertrauen gezogene Frau gibt ihm grünes Licht. Der erste Coup ist noch klein, die Auszahlung einer Art Pension an Hinterbliebene der niederländischen Flotte wird seit kurzem von den Deutschen verboten - Walraven gelingt es, diese Auszahlung mittels anderer beschaffter Gelder weiterlaufen zu lassen. Mit den ersten Erfolgen holt er auch seinen Bruder Gijs (Jacob Derwig) an Bord, der zunächst genauso zögerlich erst überzeugt werden muß. Immer größer wird der Kreis der Unterstützten, und die Brüder müssen sich etwas einfallen lassen, um Gelder aufzutreiben. Beide agieren vollkommen normal, betreiben ihr Tagesgeschäft und genießen das Vertrauen des mit den Deutschen kollaborierenden Präsidenten der niederländischen Bank, Meinoud Rost van Tonningen - ihre Schattenbank managen sie unbemerkt nebenbei. Ein sorgfältig ausgewähltes Netzwerk von Helfern, das bei flacher Hierarchie in Zellen arbeitet, übernimmt die Verteilung der Gelder.

Der Bankier des Widerstands nimmt sich viel Zeit für eine ausgewogene Figurenzeichnung - die Vorbereitung eines Coups, die Angst der Protagonisten, das Schwindeln und Täuschen unter vermeintlich honorigen Bankern, die Freude über das teilweise sehr knappe Gelingen nehmen den Hauptteil des Films ein. Der gefährlichste Gegner der Brüder bleibt jedoch der teilweise in Uniform auftretende niederländische Bankpräsident Rost van Tonningen - bei einer Razzia bringt er einen SD-Offizier erst auf die Spur der Schattenbank: während dieser nur die gefundenen Waffen sicherstellt, mutmaßt van Tonningen laut über die Geldgeber der Untergrundzeitungen, Flugzettel, Waffen etc. - zur Ergreifung dieser Geldgeber möchte er sich des Apparats des SD (Sicherheitsdienst der SS) bedienen. Dessen brutale Verhörmethoden werden zwar mit einem Seitenblick gestreift, treten aber ansonsten genausowenig in den Vordergrund wie Anschläge, Sabotage oder überhaupt die Entwicklung des Krieges. Ein einziges Mal im Film muß Walraven, in einem Personenzug sitzend, die Überholung eines Güterzuges miterleben - betroffen sieht er die Hände vieler Menschen aus den schmalen Belüftungsschlitzen der Güterwagen herausragen. Diesen Umstand benutzt er später, als ein Generalstreik der niederländischen Eisenbahner ansteht, der die deutschen Militärbewegungen stark behindern würde - dem Präsidenten der niederländischen Eisenbahn, den er beim Golfen(!) aufsucht und der vom Streik nichts wissen will, wirft er vor: "Ihr laßt die Züge mit den Juden fahren"...

Stets sein Doppelleben verbergend, gelingen Walraven und seinem Bruder Gijs so manche Husarenstücke bezüglich Geldbeschaffung - interessant auch die Darstellung der involvierten niederländischen Exilregierung als eine Bande von Krämerseelen, die sich ausschließlich über den Kreditrahmen und die Rückzahlung nach dem Kriege der von den van Hall-Brüdern stets als Darlehen gewährten Geldern Gedanken machen. Im Januar 1945 schließlich zieht sich die Schlinge zu und Walraven wird aufgrund von Verrat doch erwischt - hier erlaubt sich Der Bankier des Widerstands einen einzigen kitschigen Moment, als nämlich im selben Augenblick, als dieser den SD-Schergen in die Falle geht, zeitgleich sein Sohn, der alleine im Schnee auf einen Baum geklettert war, von diesem herunterfällt und sich verletzt. Auch der fast als running Gag durchgehende, mehrfach im Film begonnene und nie fertig erzählte Witz "Was ist der Unterschied zwischen Rost van Tonningen und der niederländischen Flagge" wird ganz am Ende aufgelöst: "Beide werden nach Kriegsende aufgehängt"...

Der Bankier des Widerstands ist ein sehenswert inszenierter Film, der ohne große Glanzlichter mit allerdings durchweg glaubhaft dargestellten historischen Figuren ein eher unorthodoxes Kapitel des Widerstands gegen die NS-Diktatur darstellt. 7,5 Punkte.

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