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Robert Redford wie immer in großer Form. Wieder einmal gießt er in seiner Literaturverfilmung das Füllhorn schöner Bilder über dem Zuschauer aus, konzentriert sich aber zu wenig auf den dramatischen Ablauf seiner zu erzählenden Geschichte und kann es nicht vermeiden, daß aus der Buchumsetzung ein Haufen Klischees entsteht.

Der Mann hat viel gelernt, nehme ich an, wenn er an Werke wie "Jenseits von Afrika" zurückdenkt und er hat sein Wissen gut umgesetzt. Redfords Filme sehen immer gut aus und er besitzt einen eigenen, beinahe unverwechselbaren Stil. Doch auch hier verliert sich Redford in der Macht der eigenen Bilder, verliert sich in der berauschenden Landschaft Montanas, um dabei ganz aus den Augen zu verlieren, daß nebenbei auch noch eine Geschichte erzählt werden muß.

Und die ist so formvollendet wie vorausberechenbar, als die Tochter im Teenageralter mit Pferd und Freundin einem traurigen Schicksal in Form eines schrecklichen Autounfalls ausgesetzt fühlt, die ihrer Freundin das Leben, dem Pferd die Vernunft und ihr einen Unterschenkel kostet. Drama, nimm deinen Lauf. Und das Buch liefert: eine nun neurotisch-verschlossene-widerborstige-allesegale Tochter (als ob die in dem Alter nicht alle ein wenig so wären), eine engagiert-managerhafte Medienmami, die ständig sagen muß, wo es langgeht und ein ebenfalls beschäftigter Daddy, der vor Rücksichtnahme beinahe zerfließt. Der Konflikt ist vorprogrammiert, die Läuterung aller Beteiligten höchstens Ziel. Und der Regisseur läßt sich Zeit.

Es ist schon eine gute halbe Stunde vorbei, ehe wir uns dem Medizinmann cum Titelgeber Tom Booker alias Redford höchstpersönlich annähern. Und die Reise zu ihm gestaltet sich ebenfalls als Road Trip. Doch dann kann für die restlichen 90 Minuten alles geordnet ablaufen. Das Pferd gesundet langsam, die Tochter erwacht, die Mutter vergißt die Karriere und, Extra-Konflikt, verliebt sich in den Flüsterer, der so eine Erfahrung natürlich schon einmal durchgemacht hat. Als dann alles nach happy ending aussieht, taucht der fast vergessene Ehemann noch auf und alles fragt sich, warum die beiden sich nicht schon die ganze Zeit verstanden haben, so verständnisvoll unrealistisch ist der Gute gezeichnet. Ergo nimmt man dann doch voneinander Abschied, nicht gar so tränenreich, aber traurig und kehrt zur Stadt-Zivilisation zurück.

Der Film verzichtet auf Bookers Buch-Tod, der uns mit noch einem Klischee vermutlich gänzlich erschlagen hätte. Die Transparenz der Geschichte ist auch so relativ enttäuschend, aber darauf setzt Redford auch gar nicht so stark. Er läßt stattdessen die Schauspieler reifen, ihre Charaktere sich entwickeln. Mit langen, ruhigen Einstellungen erzählt er neben der Geschichte auch von dem Gefühl für Schönheit, Freiheit und Natur und legt somit ein Plädoyer für die Lebendigkeit ab. Niemand kann ihm absprechen, daß hier nicht alle reichlich Leinwandzeit bekommen haben, die alle Romantik-, Freiheit- und Taschentuchliebhaber mit der Altbekanntheit der Story versöhnt. Die Gewichtung stimmt, um nicht eine reine platte Heul-Doch-Story abzuliefern.

Allerdings kann auch nicht vergessen werden, daß die Dramatik sehr darunter leidet. So schön alles aussieht, so wenig spannungsfördernd ist die Chose entwickelt. Kristin Scott Thomas paßt zwar optisch perfekt in die Rolle, sie mit Redford zusammen sehen wollen wir jedoch nicht. Er ist schließlich schon glücklich, sie bedeutet nur Ärger. Töchterlein ist gar nervig in bester Hollywood-Tradition und bietet nichts, was vom üblichen Neurotikerschicksal abweichen würde. Interessant nur Pferdeszenen, doch wer sich davon jetzt geheimnisvolle Wunder erwartet, erlebt nur eine Sport- und Beruhigungstherapie für geschundene Tiere.

Der Story mangelt es also an dem Zauber, den die Bilder besitzen. Und trotz aller Optik können 160 Minuten bisweilen verdammt lang sein, wenn man einfach mehr Aufs und Abs erwartet. Dennoch sicher ein Schwelgfest für die Augen, aber die Tränen wollen und wollen bei mir nicht kommen, da ist zu viel Kalkül im Spiel. (6/10)

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