Review

Spröde Julia Ormond macht ungeheure Entdeckung

Als der Nachbarsjunge Jesaja auf mysteriöse Weise stirbt, ahnt Fräulein Smilla Jaspersen das Mord im Spiel ist, denn der Junge hatte Höhenangst und damit keinen Grund vom Dach zu springen. Schnell kommt sie auf die Spur einiger mysteriöser Figuren, welche in Grönland rätselhafte Expeditionen durchführen. Aber ihre Schnüffelei macht die Polizei aufmerksam, die sie nun bestimmt darum bittet sich aus dem Fall herauszuhalten. Doch dank ihres mysteriösen Nachbarn fasst sie neuen Mut und begibt sich in Lebensgefahr.
Mit dem Titel kann zwar recht wenig anfangen, aber mit dem Inhalt dafür um so mehr. Der Film wird nur aus der Sicht Smillas erzählt, so dass der Zuschauer zum mitdenken animiert wird. Er weiß genau so wenig oder genauso viel wie die Hauptperson und bewundert ihren Mut. Der verzwickte Fall wird spannend erzählt, nur geriet das Ende für mich etwas zu actionreich und ungelenk. Ein ähnliches Problem, welches schon mein Lieblingsthriller der letzten Jahre „Die purpurnen Flüsse“ hatte.

Hans Zimmer ist für knallige Kompositionen bekannt, aber hier beweist er viel Gefühl. Die Musik bringt das kalte Klima und sie sonst recht selten zu sehende Location rund um Dänemark und Grönland näher. Eine bewusst sensible und stimmige Untermalung der eisigen Bilder.

Da ich den Roman nicht gesehen habe, kann ich ihn mit der Vorlage nicht vergleichen. Doch sollte man als Kritiker einsehen, dass Buch und Film zwei völlig verschiedene Medien sind. Auf eine originalgetreue Verfilmung kann man daher nicht hoffen.
Der Film verzichtet zum größten teil auf famose Action und lässt die Figuren walten. Fräulein Smilla ist eine recht prüde, allein lebende Frau die über Eis und Schnee wie kaum ein anderer Mensch bescheid weiß. Auf Kontakt zu anderen Menschen kann sie gern verzichten, was durch ihre schroffe Art bewiesen wird. Ab und an sind ihre Abfuhren, die sie dem Nachbarn verpasst unfreiwillig komisch.
Als sie den toten Jungen sieht und kurz auf dem Dach nachsieht wird ihr schnell klar, dass etwas nicht stimmt. In den folgenden Rückblicken verdeutlich der Film nun, dass diese Frau einen recht weichen Kern hat, denn sie war mit dem kleinen Jungen befreundet. Daher liegt ihr auch viel an ihm. So beginnt eine spannende Jagd nach den Hintergründen mit vielen mysteriösen Figuren.
Der Zuschauer kann nichts mit dem mysteriösen Nachbarn anfangen, der sich scheinbar sehr zu Smilla hingezogen fühlt, noch mit dem geheimnisvollen weißhaarigen Mann, der der verwitweten Mutter des toten Nachbarsjungen Geld zusteckt? Deshalb beweist sie Eigeninitiative und forscht nach. Doch beiden obduzierenden Arzt trifft sie auf taube Ohren, erst später erfährt sie von einer entnommenen Gewebeprobe an der Leiche des toten Jungen. Warum aber reagiert der behandelnde Arzt so eingeschüchtert und zurückhaltend?
Geschickt wirft der Film nun Köder aus, die der Zuschauer gern und hastig schluckt um zu merken, dass daran auch eine Schnur befestigt ist. Smilla beginnt sich ihrem Nachbarn anzuvertrauen, der sich aber plötzlich mit dem weißhaarigen Mann trifft. Selbst die Polizei verhaftet sie und droht mit Haft, weil sie illegal Material entwendet hat. Doch alles endet im nichts.
An dieser Stelle bekommt der Film einen in meinen Augen etwas harten Bruch, denn die sonst so kesse und harte Smilla bricht bei der Polizei schnell zusammen. Aber dank der Hilfe ihres Vaters, ihres Erinnerungsvermögens und der aufbauenden Wortes gibt sie nicht auf.
Ein wenig weit hergeholt ist in dieser Situation die plötzliche Beziehung zu ihrem Nachbarn, denn aus der selbstbewussten Smilla wird eine wärmesuchende, normale Frau. Wieso fühlt sie sich zu dem Mann so hingezogen, der eigentlich genau das verkörpert, was sie an Männern so hasst. Ich verweise mal auf den Dialog als Smilla ihm ihre Gefühle offenbaren will und er sie nur küssen will (Autsch!)
Nach dem sie nun ihrem Nachbarn vertraut, weiht der in Geheimnisse einer Grönlandexpedition ein. Mit knapper Not entkommt sie darauf der Polizei und betritt ein Schiff, was von der mysteriösen Firma „Grönland Minen“ gechartert wurde. Auf dem Schiff wandelt der Film sich und wird actionreicher, dennoch bekommt man hier auch Antworten. Die Befürchtung das es sich hier um außerirdisches Leben handeln könnte bewahrheiten sich hier glücklicherweise nicht.
Schlussendlich gibt es ein zu actionreiches Finale mitten im grönlandischen Eis, welches nicht so recht zum Rest des Films passen will und ein wenig nach „James Bond Flair“ aussieht. Da wird geschossen, gemordet und sich geopfert was das Zeug hält, während der vermeintliche Oberbösewicht Smilla noch klar macht wie er ordentlich Schotter machen will. Nur die Weltherrschaft will er nicht an sich reißen..
Statt mit der Brechstange zu agieren, wäre hier mehr Feingefühl wünschenswert gewesen. Rätselhaft auch der Verbleib des Kapitäns am Ende, der zwar angeschossen wurde aber nicht tot war.
Auch wenn der Film manchmal recht schnell ein paar Orte (Schiff mit dem Blinden) scheinbar hektisch abarbeitet und hin und wieder ein paar scheinbare Logikfehler offenbart verliert er nie seine Spannung. Ärgerlich, dass Smilla ihr Gespür im Film aber nie richtig zum Einsatz bringen kann und man bei einer Erwähnung in einem alten Video belässt. Nichtsdestotrotz ist dieser Film ein spannendes, europäisches Meisterstück, dass im Gegensatz zu den amerikanischen Genrevertretern ohne Blut und Brutalität überzeugen kann. Hier herrscht die straffe Story und toll spielende Schauspieler. Schwächen gibt es zwar, aber über die kann man getrost zu einem großen Teil hinwegsehen. Alles lässt sich aber nicht vertuschen.

Julia Ormond verkörpert die schroffe Fräulein Smilla gut und fehlerlos. Ihre direkte und unbeschönigende Art bekommt jeder zu spüren. Trotz ihr fiesen Einstellung gelingt es ihr die Figur sympathisch erscheinen zu lassen, denn im Grunde sagt sie nur dass, was andere nur Denken. Auch ihr emotioneller Einbruch bei der Polizei wird klasse gespielt. Am besten gefiel mir aber die Szene, als sie ihres Vaters Geliebte zwischen die Beine packt. Fies...
Gabriel Byrne hat den Part des mysteriösen Nachbars inne und spielt den undurchschaubaren Charakter gekonnt. Nie kann man ihm Ansehen auf welcher Seite er steht und ob seine Liebe oder Grammatikschwäche nur gespielt sind. Die finale Auflösung was und wer er nun ist geschah recht vorhersehbar. Man hatte sich schon darauf eingestellt.
Ganz schlau werde ich nicht aus Mario Adorf, denn die Rolle des Kapitäns hätte jeder spielen können. Das plötzliche Auftauchen am Ende sorgt auch für Unverständlichkeit. Wenn schon so eine Rolle, dann auch ein wenig mehr Präsenz. Sein Auftauchen war zu weit hergeholt, aber dafür kann Adorf selber ja nichts.

Fazit:
Gelungener, atmosphärischer Thriller mit tollen Schauspielern, der aber auch ein paar Schwächen besitzt. Man kann zwar über viele hinwegsehen, aber das Ende ist dann trotzdem enttäuschend. Dennoch ist mir dieser offensichtlich liebevolle und ehrgeizige Film lieber als so manch blutrünstiger Mist aus Hollywood.

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