Blickst du in die Sterne, kannst du in deine Zukunft sehen. Was die Erdbevölkerung der 90er angeht, starrte sie dabei durch das immer größer werdende Ozonloch, während sie sich von brennenden Reifenbergen und anwachsenden Müllhalden umgeben wähnte. Wohin bloß mit all den Nebenprodukten der rasanten Expansion der gierigen 80er? Na klar: Ab ins Weltall damit. Vielleicht wurde ja so die äußerst eigentümliche Science-Fiction-Pop-Art jener Zeit geboren.
Auch das Fernsehen war geflutet mit actionreichen Produktionen in pappenen Abriss-Studiokulissen, die man als Antwort auf das philosophisch-nüchterne Star-Trek-Establishment verstehen konnte, aber in erster Linie bleibt das exzentrische Setdesign von Luc Bessons „Das Fünfte Element“ in Erinnerung, wenn es um die popkulturelle Prägung geht. All diese extravaganten Kostüme darin, die den Gezeiten einer nicht dekodierbaren Mode zu gehorchen schienen, die schrillen Frisuren, die überladene Infrastruktur und die Verpoppung gehobener Kunst… wenn ein Robert Zemeckis der Zeit gewissermaßen voraus war, als er 1989 mit den nicht minder schrägen Gadgets aus „Zurück in die Zukunft II“ das Fundament für solche Verschrobenheiten schuf, dann befand sich Besson 1997 mittendrin im Sweet Spot und konnte wortwörtlich den Gaultier von der Leine lassen. Entdecken wir heute im Blockbuster-Segment einen seltenen kreativen Ausrutscher der Marke „Thor: Tag der Entscheidung“, dann sind darin immer auch Restspuren der DNA von „Das Fünfte Element“ verborgen.
Kurz bevor Taxifahrer jedoch lernten, durch New Yorks Wolkenkratzer-Canyons zu schweben, wussten LKW-Fahrer bereits, wie man mit tonnenschweren Anhängern durchs All navigiert. Wenn sich ein Film als Cheapo-Variante von Bessons pompös-schäbiger Space Opera qualifiziert, dann muss es einfach „Space Truckers“ sein. Ein Film, der keineswegs für das Kino gemacht ist, sondern für die endlose Reproduktion im Sonntagsprogramm der Privaten. Ein Film, der auf VHS-Band gebannt gehört, wo er mit jeder Abtastung noch ein Stück ranziger, billiger und abgenudelter wirkt.
„Space Truckers“, das ist die Geschichte eines freiberuflich arbeitenden Weltall-Truckfahrers (Dennis Hopper), der seine besten Tage hinter sich hat und sich mit einem Berufsanfänger (Stephen Dorff) zusammentun muss, um eine ominöse Ladung Sexpuppen auf die Erde zu befördern. Beiden bleibt gar nichts anderes übrig, als den zwielichtigen Job anzunehmen, denn es geht um ihre Existenz. Mit an Bord ist außerdem die Kellnerin eines Astro-Diners (Debi Mazar), die eine Mitfahrgelegenheit braucht, um ihre kranke Mutter auf der Erde zu besuchen. Mit diesen Zutaten ist schnell ein Spannungsdreieck gebildet, wie es im Lehrbuch für die Dreifaltigkeit von Comedy, Love Story und Actionfilm geschrieben steht. Das Trio hockt, wohl aus Budgetgründen, überwiegend in der Transporterkabine und wird dort zum dominierenden Zentrum eines Films, der seinem Drehbuch zufolge eigentlich vielmehr von der Außenwelt zeigen müsste, handelt es sich doch streng genommen immer noch um ein Road Movie.
Doch von der (Milch-)Straße ist eher wenig zu sehen, auch wenn ihr Ruf überdeutlich nachhallt. Die unendlichen Weiten teilt sich das mit Sternen gespickte schwarze Nichts des Universums immerhin mit den amerikanischen Landstraßen, und gefüllt wird das Vakuum auch hier mit selig dämmernder Country-Musik. Dass dann im Abspann ausgerechnet „Cotton Eye Joe“ von den Rednex angespielt wird, lässt den wahren Redneck natürlich vor Schreck aus dem Schaukelstuhl springen, aber der Einspieler passt wunderbar zum Zeitgeist der 90er und ist ein weiteres Indiz für einen Mainstream, die damals besonders gerne Traditionelles zerlegte und in schnell konsumierbare Fast-Food-Formeln umwandelte.
Regisseur Stuart Gordon war einer der größten Experten seines Fachs, wenn es darum ging, mit geringen Mitteln ein Maximum an Realitätsflucht zu ermöglichen. Auch seine achte Regiearbeit ist demnach wieder bestens dazu geeignet, die schnöde Gegenwart für einen Moment aus den Augen zu verlieren. Dies gilt, obwohl das gesamte Skript im Grunde direkt auf die ökonomische Skrupellosigkeit sehr realer Großkonzerne verweist, so wie überhaupt der gesamtgesellschaftliche Aufbau der hier präsentierten Zukunft lediglich eine Parabel auf die Realität ist, sich also tunlichst von utopischen und dystopischen Szenarien fernhält und lieber einen Spiegel ohne Zerrformen aufstellt, ähnlich wie etwa die Zeichentrickserie „Futurama“, die drei Jahre später an den Start gehen sollte. Es ist einfach so, als mache der Mensch da draußen ganz normal weiter, wie er Jahrhunderte auf seinem Geburtsplaneten agiert hatte, mit medialer Reizüberflutung und Konsum ohne Ende.
Das Setdekor allerdings ist dermaßen dominant, dass es die gesamte Handlung umschließt wie eine Blase und kaum einen Gedanken daran zulässt, was jenseits der ganzen Hebel, Geräte und Kisten verborgen sein mag. Die Erde bekommt man gegen Ende mal kurz in Form eines Krankenhauszimmers zu sehen, bis dahin wird sie aber lediglich als weit entfernter Zielort umschrieben, mit dem allenfalls nostalgische Erinnerungen verknüpft sind, wenn überhaupt. Die interstellaren Kulissen sind es letztlich, die dem Film sein Gesicht geben. Bei ihnen handelt es sich um kostengünstige Provisorien, oberflächliche Illusion also, die allzu schnell als Zusammenstellung billiger Module aus Plastik oder Schlimmerem enttarnt ist, doch ist es ja gerade das baukastenartige Setdesign, das den eigenwilligen Charakter dieser Produktion ausmacht, die als Ausläufer einer dem Untergang geweihten VHS-Ära auftritt. Wo Luc Besson einen solchen Effekt mit aufwändigen Requisiten erst teuer reproduzieren musste, da bedient sich Gordon sozusagen direkt an der Quelle.
Und wenn man einmal über die improvisierte Bauweise der Sets hinweggesehen hat, realisiert man, wie originell sie im Detail tatsächlich gestaltet sind. Das dem Aufbau einer ringförmigen Raumstation nachempfundene Diner zum Beispiel überzeugt mit einer Architektur, die sich sogar über die Gravitationsgesetze erhebt und jene Art von Out-of-the-Box-Thinking offenbart, die man sich von der Science Fiction doch immer so sehr wünscht. Ähnliches gilt für die todbringenden Roboter, deren Design so minimalistisch ausfällt, dass sie sich beinahe zum Einsatz im Straßenverkehr eigneten, würden ihre Blitze die Autofahrer bloß fotografieren anstatt sie zu dampfenden Blubberbläschen zu zersetzen. Bei Charles Dance wiederum, der seiner fiesen Visage zum Dank erneut den schmierigen Widerling spielen darf, wird das Dilemma des Halb-Mensch-Halb-Maschine-Daseins in gewisser Weise sogar besser auf den Punkt gebracht als in jedem hochwertigen SciFi-Epos; denn wie könnte die Unvereinbarkeit biologischer und maschineller Komponenten noch augenscheinlicher werden als durch eine im höchsten Maß karnevalistische Körperprothese, die ästhetisch wie haptisch dermaßen nah an das Erlebnis „Actionfigur“ heranreicht, dass es jedem 11-Jährigen ganz warum ums Herz werden müsste…
Äußerst schlecht gealtert ist „Space Truckers“, wann immer er sich an computeranimierten Außenszenen versucht, frei schwebenden Colaflaschen etwa oder Manövern über der All-Landebahn. Da ist man beinahe schon froh, wenn die Andockstation eher nach Lego-Nachbau als nach Computer-Polygonen aussieht. Man kann bei solchen frühen Einsätzen von CGI oft kaum glauben, dass ein „Jurassic Park“ aus der gleichen Zeit stammt, obgleich jener nicht zuletzt aufgrund der geschickten Kombination mit animatronischen Effekten die Zeit schadlos überdauert hat. In letztgenannter Kategorie hat der Film immerhin eine gelungene Szene mit quadratischen Schweinen zu bieten. Die Grunzwürfel gehen nicht einfach nur als gelungener optischer Gag durch, es wird mit ihnen außerdem das Dilemma globaler Produktion und Verteilung aufs Korn genommen, das bis zum heutigen Tag eher schlimmer als besser geworden ist. Bedauerlich, dass dieser Weg nicht weiter verfolgt wurde, denn weitere Kreaturen dieser Art hätten die Zukunft etwas lebendiger und organischer wirken lassen.
Das Leben muss somit der Hauptdarsteller in die Bude bringen. Der knorrige Dennis Hopper passt als Held der alten Garde ziemlich gut in das bunte Ambiente, besser jedenfalls als in seiner Bösewicht-Rolle aus „Super Mario Bros.“, der ja eine ähnlich bunte Welt zu bieten hatte. Als wandelnder Anachronismus liefert er die nötigen Kontraste, da macht es auch keinen Unterschied, ob es nun der Schauspieler oder sein Charakter ist, der sich über die affigen Merkmale dieser Zukunft lustig macht. Mit einem blondierten Bruce Willis in Hochform kann er es vielleicht nicht aufnehmen, aber ob nun Taxifahrer oder LKW-Fahrer, das Transportwesen bekommt in beiden Fällen etwas angenehm Kerniges zugesprochen. Der kurz vor seinem Durchbruch mit „Blade“ stehende Stephen Dorff verbringt die eine Hälfte seines Auftritts in alberner Dienstuniform und die andere mit freiem Oberkörper, während er in der Dreier-Konstellation für die dynamischen Wendungen verantwortlich ist. Debi Mazar wiederum, die in ihrer Karriere oft stachelige Biester spielte, strahlt als Cindy eine ungewöhnliche Niedlichkeit aus und droht zunächst zur Zierpflanze zu verkommen, die wie ihr Konterpart meist in Unterwäsche unterwegs ist, jedoch ist ihre Figur ein tieferer Teich als es zunächst scheint, wie sich spätestens bei ihrem Zusammentreffen mit Charles Dance herausstellt. Es macht also durchaus Spaß, das Trio durch die ein oder andere brenzlige Situation zu begleiten, gerade zum Ende hin hätte es aber gerne noch etwas mehr Anarchie sein dürfen, denn das vorhersehbare Töpfchen-Deckelchen-Spiel lässt sich in seiner Harmonie am Ende kaum ertragen und wird der schnoddrigen Anlage der Figuren nicht gerecht. Ferner bleibt Shane Rimmer als eigentlicher Oberfiesling erschreckend blass, so dass man die Rangfolge ignorieren und stattdessen Dance zum Haupt-Antagonisten erklären möchte, der im Grunde ohnehin die Rolle übernimmt, die Hopper gerade erst in „Waterworld“ gespielt hatte.
Als spektakuläres Science-Fiction-Abenteuer mit großen Spezialeffekten und halsbrecherischen Actionszenen ist „Space Truckers“ sicherlich eine massive Enttäuschung, bleibt er doch lieber in der Kabine und verlässt sich auf das sitcom-eske Zusammenspiel seiner Hauptdarsteller in recht eigenwilligen Kulissen. In denen steckt offenbar nicht einmal viel Geld, sehr wohl aber einiges an Kreativität, so dass man mit Fug und Recht behaupten kann, sie machen 80% der Wirkung des Films aus und sorgen in der Retrospektive für ein typisches 90er-Jahre-Seherlebnis. Den Rest liefert ein grummeliger Dennis Hopper und seine jungen Co-Piloten, weiterhin ein Charles Dance im ungewohnt ironischen Comic-Modus. Wem „Das Fünfte Element“ schon zu billig aussah, der schlägt hier wohl verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen, aber als eigene Kunstform verstanden verströmt dieser krude Weltraumtrucker-Chic durchaus einen gewissen Reiz, gerade auch, weil sich dahinter ein Hybrid-Werk verbirgt: Mit einem Bein noch in der altmodischen On-Set-Effektarbeit verhaftet, mit dem anderen auf dem Sprung in eine unerforschte Dimension der Digitalität.