Ich bin Western- und gleichzeitig auch Costner-Fan. Es tat weh, mit ansehen zu müssen, wie sein Stern vom Höhepunkt Anfang der 90er („Dances with wolves“, „Robin Hood“, „JFK“ „Perfect World“) langsam sinken begann. Seine ambitionierten Endzeitprojekte „Waterworld“ und „Postman“ erwiesen sich als Kassengift und so griff er in Folge fast immer zur falschen Rolle, die ihn noch tiefer abrutschen ließ. Mit „Open Range“ wollte er nun aus eigener Kraft wieder ein Comeback starten, lehnte dafür die Rolle des Bill in Quentin Tarantinos „Kill Bill“ ab und finanzierte den 26 Millionen teuren Film zu einem Großteil aus der eigenen Tasche. Trotz des ungünstigen Starttermins in den USA (nämlich Sommer), wo der Western mit einer ganzen Reihe von Blockbustern konkurrierte, schafft er fast das Dreifache seiner Kosten wieder einzuspielen. Warum? Das ist ein kleines Phänomen, denn überlange, episch angelegte Costner-Streifen waren in der Vergangenheit reines Kassengift und dementsprechend mulmig war mir schon in der Magengegend. Dennoch, ein Western und immerhin mit Costner, der vor fast 10 Jahren mit „Wyatt Earp“ den letzten guten Film in diesem Genre zustande brachte. Riskieren wir es also.
Vergleichbar ist „Open Range“ mit diesem Heldenmythos nicht, denn er ist anders. Er geht in die Richtung von „Unforgiven“ und liefert einen Abgesang auf die wirklichen Cowboys des Wilden Westens. Es sind die Männer, die mit ihren Kühen durch die Prärie zogen und nicht die Revolver schwangen, um Banditen das Handwerk zu legen. Costner nimmt sich sehr viel Zeit für die Exposition stellt und das Quartett vor, dass quer durch das Land zieht und seine Herde grasen lässt. Boss Spearman (Robert Duvall) ist ihr Anführer. Ein alter Haudegen, der sein Leben mit den Kühen verbracht hat und trotz seines Alters noch längst nicht müde ist. Charley Waite (Kevin Costner) reitet nun schon seit vielen Jahren mit ihm, ist aber seltsam verschlossen und birgt eine düstere Vergangenheit. Der junge Button (Diego Luna) ist quasi der Cowboy-Azubi, mehr Kind als Mann und in der rauen Welt noch nicht ganz etabliert. Mose Harrison (Abraham Benrubi) ist der Vierte im Bunde. Mehr Mädchen für alles als Cowboy, aber genau so wichtig.
Schon nach wenigen Minuten versank ich in diesem Film. Ein wohliges Gefühl, wie es mich zuletzt in „Master & Commander“ überkam. Kameramann James Muro ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet, lässt sein Instrument über diese unendlichen, grünen Weiten schwenken und zeigt die Cowboys, wie ihre Blicke sich in die Ferne richten. Man könnte meinen in einer besseren Marlboro-Werbung zu sein. Fast jede Einstellung würde ich bedenkenlos als Desktophintergrund nutzen. Später wird Regen und Nacht den Film dominieren, was die Atmosphäre noch intensiver gestaltet.
Dazu Michael Kamens einfühlsame Musik – Wahnsinn! Die Optik ist herrlich die Charaktere stimmig und die Atmosphäre unglaublich. Sofern man sich denn darauf einlassen kann, denn „Open Range“ hat abgesehen vom finalen Konflikt keinerlei Action, lebt von den Dialogen und seinen Figuren und hat nicht mal eine außergewöhnliche Story zu bieten. Umso verwunderlicher, dass der Film, trotz R-Ratings, so erfolgreich war.
Doch diese Idylle wird getrübt und zwar vom einflussreichen Rancher Baxter (Michael Gambon), dem diese Cowboys, die einfach ihre Tiere auf fremden Weiden grasen lassen, ein Dorn im Auge sind. Der erste Konflikt geht noch glimpflich aus, doch der zweite verläuft schon tödlich und so ziehen Waite und Spearman in das kleine Städtchen Harmonville ein, um dort festzustellen, dass selbst der Marshall von Baxter gekauft ist. Das hier final die Situationen eskaliert ist klar und so baut „Open Range“ auch keine großen Erwartungen auf, sondern kümmert sich um die Figuren, wo Kevin Costner immer mehr zum Zug kommt. Seine nuancierte Spielweise ist von Zurückhaltung und fast schon Schüchternheit geprägt, er will hier nicht er uneingeschränkte Star sein - überlässt Duvall sehr oft die Bühne. Er ist ein Mann, der als Ex-Soldat die Gräuel des Krieges nie richtig verdaut hat, zu gefühlsbetonten Reaktionen neigt und von Alpträumen geprägt ist. So ist seine Beziehung zu Sue Barlow (Annette Benning), die Schwester des Arztes, auch schwer verklemmt. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass die beiden beileibe keine glorifizierten Helden sind, sondern einfach ihre Ideale verteidigen möchten und Rache üben wollen. Sie befürworten die Gewalt zwar nicht, nutzen sie jedoch, wenn sie es für nötig halten. Die vielen Dialoge zwischen Spearman und White sind von Themen wie Freundschaft, Loyalität, Unabhängigkeit, Respekt und Freundschaft geprägt. Ihren intensivsten Moment dürften sie kurz vor dem entscheidenden Konflikt haben, als sie in einem Laden noch mal, wie zu einer Henkersmahlzeit, die teuersten Süßigkeiten und Zigarren kaufen, um sich dann recht locker auf das Schicksal vorzubereiten.
„Open Range“ hat für mich viele unvergessliche Momente. Ob der Beginn auf den weiten Prärien oder ihre Ankunft im nächtlichen Gewitter in der kleinen Stadt (Wo man dann auch gleich das heran schwimmende Übel hineininterpretieren könnte) und sich daraus bald entwickelnde Konfliktpotential im Saloon der Stadt – man fühlt sich in dieser so altmodischen, realitätsnahen, Inszenierung verdammt wohl. So fokussiert der Film auf sein Duo und dessen Entwicklung auch ist, die Bad Guys verliert er leider fast komplett aus den Augen und das ist bei einer Laufzeit von 135 Minuten schade. Wohl das Hauptmanko des Films, dass die Gegner im Finale nur Standards abgeben müssen.
Dennoch hat dieser Höhepunkt, vor dem der Großteil der Bewohner aus der Stadt flüchtet, es in sich. Kein stylischer Fight, sondern sich an ehesten im Stil von Sam Peckinpah orientierend, zeigt Costner den ungleichen Kampf, der dann, angesichts der Überzahl, etwas realitätsfern ausfällt. Die Musik setzt aus, es folgen keine Augen- und Wer-zieht-schneller-Duelle, sondern Costner legt gleich brutal los. Es ist ein Kampf bis aufs Blut, alles andere als heroisch, sondern trocken und zweckmäßig. Auch das Duo, inzwischen von wenigen, in der Stadt verbliebenen, Einwohnern unterstützt, schreckt vor Hinterhältigkeit nicht zurück. Klasse hierbei die Soundkulisse, die die Schüsse nur so durch die Stadt rollen lässt, bevor Costner Duvall dann den entscheidenden Moment überlässt.
Hier hätte Costner Schluss machen sollen, den Film vielleicht noch mit einem Ritt in den Sonnenuntergang versehen können, aber leider entschließt er sich noch etwas Pathos einzuwerfen, das den Film mehr schadet als gut tut und ihm letztlich den Schritt zu einem Großen seines Genres verwehrt. Die Beziehung zu Sue wird wieder aufgenommen und führt natürlich zum erwarteten Ergebnis. Ich hätte es offen gelassen, wäre dem Ergebnis zuträglicher gewesen.
Fazit:
„Open Range“ ist anders als die Neowestern der letzten Jahre. Am ehesten vielleicht noch mit „Unforgiven“ vergleichbar. Der Abgesang auf die freien Cowboys des Wilden Westens entpuppt sich als bester Genrebeitrag seit einem Jahrzehnt. Geprägt von James Muros Kameraarbeit und begleitet von Michael Kamens Kompositionen liefern Robert Duvall und Kevin Costner großartige schauspielerische Leistungen ab. Vielen wird der Film aufgrund seiner langsamen Erzählweise zu lahm und zäh sein. Mir gefiel er gerade deswegen. Eine Stärke, die ich schon bei „Master and Commander“ zu schätzen wusste, viele aber als Schwäche auslegen werden. Auf diese Weise kann man allerdings viel besser in dieser Welt versinken, sich fallen lassen und der Atmosphäre hingeben. Ich bin trotz des etwas verhunzten Endes und der marginalen Auftritte Baxters, angesichts der tief schürfenden Dialoge, des finalen Shootouts und der Charaktere, begeistert. Ein zutiefst altmodischer inszenierter Western, wie man ihn lange nicht mehr gesehen hat.