kurz angerissen*
Coen & Coen spielen: Buster Scruggs' Greatest Hits und andere Balladen. Ein Episoden-Western wie ein ausschweifendes Country-Album, das eine Vorstellung von der unermesslichen Vielfalt amerikanischer Gründerkultur geben möchte, indem es sie möglichst breit abbildet. Jeder Song ausgestattet mit einer ganz eigenen Färbung, eigenen Charakteren und eigenen Lehren. Wenn den Coens ein Road Movie wie „Inside Llweyn Davis“ angemessen erschien, um dem Folk auf die Spur zu kommen, dann erschließt sich auch ihre Motivation, das Western-Genre in 20-Minuten-Häppchen zu portionieren. Nachdem bereits zwei vollwertige Western zur Werkschau der Coens gehören („No Country For Old Men“, „True Grit“) und viele ihrer weiteren Arbeiten (wenn nicht alle) mit klaren Referenzen ausgestattet sind, ist womöglich irgendwann die Erkenntnis gereift, dass man zehn Regie-Karrieren und mehr in dieses weite Feld investieren könnte... und es am Ende doch nicht im vollen Umfang erschlossen hätte.
Da ist es gar kein schlechter Deal, wenn wir anstatt der sechs Western, die nun niemals gedreht werden, sechs Grundszenarien in einem Film zusammengefasst bekommen. Was nicht bedeutet, dass es sich bei den einzelnen Folgen um unausgereifte Rohschnitte handelt. Im Gegenteil; begonnen bei der ersten Einstellung des reitenden und singenden Buster Scruggs ist jede folgende Minute bis ins Feinste durchkomponiert und mit der tragischen, bisweilen auch komischen Poesie durchsetzt, wie sie den Coens schon immer zu eigen war. Hinzu kommen für jedes einzelne Kapitel ganz spezielle Eigenschaften. Man muss nur einmal die mit einem kräftigen Farbschema versehene Heimatfilm-Landschaft betrachten, die Tom Waits als Goldsucher umgräbt. Oder den begrenzten Raum der abschließenden Postkutschen-Folge, die anders als alle vorhergehenden Folgen auf Kammerspiel- und Ensemble-Werkzeuge setzt und einem Kapitel aus Tarantinos „The Hateful Eight“ dadurch verdammt nahe kommt. Oder man vergleiche die Taktart, die der Bankräuber-Story um James Franco ihr Tempo verleiht, mit der Story um den Treck, der ganz gemächlich Anlauf nimmt. Oder auch den schwarzen Humor der Eröffnung (Tim Blake Nelson brennt ein regelrechtes Feuerwerk ab) mit der Bitterkeit, die sich in der Geschichte um den Theatermimen ohne Gliedmaßen ausbreitet.
Diese Vielfalt ist der Schlüssel zum Gelingen der kuriosen Geschichtensammlung, die zu jedem Zeitpunkt den charakteristischen Stempel der beiden Regisseure trägt und dennoch dazu in der Lage ist, immer wieder neue Schwerpunkte zu setzen und Perspektiven einzunehmen. Dass dabei auch noch die handwerkliche Klasse bestehen bleibt, an die man sich längst gewöhnt hat, setzt das i-Tüpfelchen auf diese Arbeit, die aus gemeiner Ironie heraus überhaupt kein „i“ im Titel trägt...