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Im äußersten Nordwesten Europas leben auch Menschen, wenn auch nicht sehr viele. Von dem überwiegend hohen Lebensstandard Islands bekommt man beim Nordic Noir von Börkur Sigþórsson allerdings wenig mit, da man sich auf ein in Grau gehülltes Drogendrama einstellen muss.

Die unterschiedlichen Brüder Atli (Baltasar Breki Samper) und Erik (Gísli Örn Garðarsson) befinden sich in akuter Finanznot, weshalb die Polin Sofia (Anna Próchniak) ihnen als Drogenkurier dienen soll, indem sie einige Kapseln mit Kokain schluckt. Doch bereits am Flughafen stellen sich erste Probleme ein, die nur der Anfang einer langen Abwärtsspirale sind…

Die Exposition ist relativ stark, denn zunächst fokussiert sich das Geschehen einzig auf Sofia, die aus nachvollziehbaren Gründen mit Übelkeit zu kämpfen hat. Kurz darauf erlebt man diese Situation aus Sicht von Atli, der die Dame möglichst unauffällig in Empfang nehmen soll. Dabei scheint er zu vergessen, dass es auch in Island, trotz der nur 350.000 Einwohner Überwachungskameras gibt. Das ist nur eine von einer Handvoll Unzulänglichkeiten, die sich durch die Handlung ziehen.

Zudem sehen komplexe Charakterzeichnungen anders aus. Zwar entwickeln sich die Brüder (Atli saß drei Jahre wegen Drogenhandels, Erik ist erfolgreicher Anwalt) nicht so, wie man sie auf den ersten Blick abstempeln würde, doch das Konfliktpotential bleibt gering, während die Figur der Sofia unweigerlich Mitleid erregt, da sie die meiste Zeit über wie ein Häufchen Elend irgendwo kauert oder sich erbricht, - aus Sicht der Brüder zumeist erfolglos.

Nach einer gewissen Zeit dreht sich die Chose allerdings im Kreis, wogegen andere Bereiche wie rivalisierende Kriminelle allenfalls angerissen werden, in Erscheinung treten diese aber nicht. Das Nachtrauern einer verflossenen Liebe birgt nur sehr bedingt Substanz und auch eine ermittelnde Polizistin verfolgt nicht immer den Weg der nahe liegenden Deduktion.
Erst zum Finale dreht Sigþórsson etwas auf und lässt ein wenig FSK16-Blut fließen, wogegen der Ausgang nicht allzu befriedigend ausfällt und gar Raum für eine Fortsetzung zuließe.

Den Mimen ist bei alledem kein Vorwurf zu machen, denn die drei Hauptakteure performen intensiv, ohne je ins Overacting zu verfallen. Auch der Score von Ben Frost vermag kleine Akzente zu setzen, während am unauffälligen Handwerk wenig zu bemängeln ist.
Dennoch entfaltet die Geschichte nie ihr volles Potential, viele Belange fallen minimalistisch aus und auch die Spannung hält sich in Grenzen. Düster ist das Ganze schon, doch so richtig mitgerissen wird man in die Abgründe nicht.
5,5 von 10

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