iHaveCNit: Der Spitzenkandidat (2019)
19.01.2019
Gerade politische Filme erfreuen sich, sofern sie ein interessantes Thema zu bieten haben, bei mir großer Beliebtheit. Jason Reitmans „The Frontrunner“ war in dieser Woche nicht mein „Frontrunner“ im Kino. Aber „Der Spitzenkandidat“ hat ein sehr interessantes Thema zu bieten, das sich jeder ansehen sollte, der sich für einen wichtigen Teil der amerikanischen, politischen Geschichte sowie um den Wahlkampf von Gary Hart und die Rolle der Medien dabei interessiert.
Der Mai 1987 wird für Gary Hart ein schicksalhafter Monat. Eigentlich ist er gerade der haushohe Favorit für die demokratische Präsidentschaftskandidatur im Jahre 1988 und er hatte sogar beste Chancen auf die Präsidentschaft. Er hatte das Talent, wichtige politische Probleme und direkte Lösungen einfach und verständlich zu adressieren und zu erklären. Gary Hart ist in der Öffentlichkeit immer stets distanziert über sein Privatleben. Doch gerade der Miami Herald und auch die Washington Post, die ihn auf seinem Wahlkampf begleiten bekommen Informationen zugespielt, nach denen Gary Hart eine Affäre hat. Gary Hart hat nach den Enthüllungen alle Hände voll tun, damit ihm der Vorwahlkampf nicht aus dem Ruder läuft.
„Der Spitzenkandidat“ bietet sehr viel. Den thematischen Hintergrund liefert das Viereck Politik – Presse – Moral - Privatleben. Dabei geht Jason Reitman sehr chronistisch vor und zeigt komprimiert auf die 3 wichtigen Wochen Ende April und Anfang Mai 1987, die Gary Harts persönliche Integrität infrage gestellt haben. Man erlebt, wie der toll von Hugh Jackman gespielte Gary Hart immer tiefer in den Strudel gerät und versucht, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Man erlebt, wie sein Wahlkampfteam mit dieser Situation umgeht – garniert mit einer schön trockenen Portion Humor von J.K. Simmons. Man erlebt wie die Presse aus der Sicht vom Miami Herald und dem Washington Post sich ständig damit auseinandersetzen muss, ob sie die Geschichte tatsächlich veröffentlichen. Und man erlebt auch wie die Situation das Privatleben beeinflusst und hier kann Vera Farmiga als Gary Harts Ehefrau Lee Hart sehr souverän glänzen. Stellenweise ist der Film durch seine chronistische Erzählung etwas nüchtern, kann aber mit intelligenten und spritzigen Dialogen punkten. Gerade da Hart einer der ersten Politiker gewesen ist, der über eine Sex-Affäre gestolpert ist, ist der historische Kontext zu anderen Fällen der amerikanischen Politik schön sehr interessant, da ja JFK auch ein Frauenheld gewesen sein musste oder auch ein Bill Clinton sowie ein Donald Trump solche Affären relativ schadlos überstanden haben. Das lässt natürlich im Hinblick auf Gary Harts Vorwahlkampf die Moral mit zweierlei Maß zurück. Nur der Film wirkt in dieser Hinsicht etwas zu handzahm, da sich der Film einer eigenen Meinung enthält und dem Zuschauer selbst die Meinungsbildung und Diskussion über das sehr vielschichtige Thema überlässt. Aber eine Botschaft liefert der Film dann doch und das finde ich sehr wichtig – es sollte um die Politik gehen und nicht das Privatleben der Person, die den politischen Kurs bestimmt. Es wäre interessant gewesen, wie ein Amerika heute aussehen würde, wäre Hart kein Frauenheld gewesen, wäre er nicht über die Affäre gestolpert und wäre er US-Präsident geworden. Denn sein politischer Stil ist seiner Zeit weit voraus, erfrischend und auf den Punkt gewesen.
„Der Spitzenkandidat“ - My First Look – 8/10 Punkte