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Nacht. Ein abgelegenes Industriegelände im Nirgendwo. Ein Van. Davor ein Toter, im Umfeld treibt sich irgendwo ein verzweifelter und bewaffneter Mann herum. Im Van befinden sich drei schwerst bewaffnete Gangster, ein paar Taschen mit Gold, eine Menge Bargeld und eine völlig aufgelöste Geisel. Gegenüber des Vans steht eine Limousine mit zwei ebenfalls schwer bewaffneten Männern, die in den Van hinein wollen um sich das Gold unter den Nagel zu reißen. Eine lange Nacht, und für manche eine immerwährende Nacht.

Dabei war der Plan so gut. Weil die beiden Cops Ridgeman und Lurasetti einen Drogendealer, der Stoff an Schulen verkauft, nicht mit freundlichen Worten zur Aufgabe überredet haben sondern mit Taten, und weil sie dabei gefilmt wurden, werden sie für ein paar Wochen vom Dienst suspendiert. Ohne Gehalt. Was beiden gerade gar nicht in den Kram passt. Aber Ridgeman weiß, wo ein Dealer ist, dem man die dringend benötigte Kohle abknöpfen könnte. Ridgeman weiß aber nicht, dass dieser Dealer nicht nur mit Heroin rummacht, sondern tatsächlich einen Banküberfall plant. Und die beiden Cops da dummerweise tief mit reinzieht.

Dabei war der Plan so gut. Henry und Biscuit sind Freunde seit der Kindheit, und als Henry aus dem Knast kommt, ist Biscuit da und verschafft ihm einen Job. Fahren und Waffen festhalten für einen Dealer, der irgendeinen Job durchziehen will.

Und wie es mit Plänen so geht – Ridgeman will seine Familie aus dem miesen Viertel herausholen, Lurasetti will seine Freundin heiraten, und Henry will, dass seine Mutter nicht mehr auf den Strich gehen muss. Und Vogelmann, der Dealer? Der will an das ganz große Geld, und um dorthin zu kommen hinterlässt er in der Stadt eine dicke und fette Spur aus Blut und Leichen. Vogelmann ist kälter als kalt, Vogelmann ist der Tod.

Und am Ende des Jobs kommt es dann zu der Konstellation mit der ich den Text begonnen habe. Bis dahin ist der Weg lang und weit, und das Sitzfleisch des durchschnittlichen Actionfans wird gehörig strapaziert, lässt sich Regisseur S. Craig Zahler doch extrem viel Zeit um jeden einzelnen Charakter ausgiebigst vorzustellen. Dessen Motivation für den Job darzulegen, inklusive gründlicher Vorstellung der Nebenfiguren sowie einiger Personen, die im Film gerade mal eine Sprechrolle ergattern konnten, und die Spannung baut sich nur ganz allmählich auf. Wahrscheinlich zu allmählich für den Filmfan von heute, und ich denke mir, dass man den Film auch ohne weiteres von 158 auf 120 Minuten zusammenkürzten könnte, ohne dass etwas fehlt. Die Episode mit der Bankangestellten Kelly Summer und ihrer Psychose in Bezug auf ihr Kind ist ja zum Beispiel ganz hübsch anzuschauen, bringt die zu erzählende Geschichte aber keinen einzigen Millimeter weiter und schindet nur und ausschließlich Zeit. Eine Nebenfigur wird umständlich eingeführt, wird im Alltag begleitet, gerät in einen Schlamassel und Schluss. Auch auf die Gefahr hin dass ich mich wiederhole: Die Kunst, Geschichten effektiv und auf den Punkt gebracht zu erzählen, ist den Drehbuchautoren Hollywoods in den letzten etwa 40 Jahren gewaltig abhanden gekommen …

Ich schweife ab. DRAGGED ACROSS CONCRETE. Langsam und schmerzhaft werden die Figuren hier über den Beton gezogen, und es tut beim Zusehen oft weh, auch wenn man konstatieren muss, dass der Geschundene nach 100 Metern Beton immer noch genauso malträtiert ist wie nach 200 Metern. Oder nach 500. Aber so ganz allmählich, kaum spürbar, baut der Zuschauer eine Bindung zu den Figuren auf, gerade weil sie so ausführlich vorgestellt werden, und gerade weil sie in allen ihren Facetten beleuchtet werden. Da ist dann das tiefschwarze Showdown gleich doppelt so bitter, und der Schmerz beim Zuschauen wächst sich allmählich zu einem echten Grauen darüber aus, was der Mensch dem Menschen antun kann. Umso idiotischer wirkt dann der angetackerte Schluss, der den Zuschauer unvermittelt aus dieser Depression herausreißt und in ein komplett anderes Setting wirft. Aber das mit den Drehbuchautoren hatten wir im letzten Absatz schon …

Bei Rotten Tomatoes kann man den Terminus „So düster und zermürbend wie der Titel, entscheidet sich DRAGGED ACROSS CONCRETE für ein langsam brennendes Drama statt Hochgeschwindigkeits-Nervenkitzel“ (1) lesen, und die Organisatoren der Goldenen Himbeeren führten extra für den Film eine neue Kategorie „Schlimmste rücksichtslose Missachtung von Menschenleben und öffentlichem Eigentum“ (2) ein. Beides kann ich rückhaltlos unterschreiben, und beides veranschaulicht den Film verdammt gut: Ein langsames und düster-zermürbendes Drama, das sich der rücksichtslosen Vernichtung von Menschenleben verschrieben hat. Ich fand’s gut …

Und einen Tipp möchte ich noch loswerden: Die deutsche Synchro ist ausgesprochen misslungen, und erinnert in der Wahl der Sprecher sowie in ihrer leierenden Nichtigkeit an selige Privatfernsehzeiten aus den 80ern. Wer immer sich traut sollte zur Originalfassung greifen! Die Untertitel auf der BD sind erstklassig, und allein die volltönende Stimme von Mel Gibson ist die halbe Miete. Mir persönlich hat es gereicht als Udo Kier, der sich in seiner 2-Minuten-Rolle nicht selber synchronisiert hat, von einer hörbar desinteressierten Putzkraft gesprochen wurde. Ich habe umgeschaltet und hatte das Gefühl, in einem ganz anderen Film zu landen. Einem deutlich besserem! Traut euch …

Quellen:
(1) https://www.rottentomatoes.com/m/dragged_across_concrete
(2) https://en.wikipedia.org/wiki/Dragged_Across_Concrete

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