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Argentinien 1960: in der deutschsprachigen Community von Buenos Aires finden die jungen Leute Sylvia und Klaus zueinander. Bei einem Besuch bei dessen Familie wird sie Zeuge einer Zusammenkunft einiger Männer, die antisemitische Parolen schwingen. Davon irritiert berichtet Sylvia zuhause ihrem Vater, einem KZ-Überlebenden, von den Geschehnissen. Bei einem Gegenbesuch von Klaus fragt Sylvias Vater diesen unauffällig aus und erfährt, daß der ihn großziehende Vater eigentlich dessen Onkel sei - dennoch bleibt der Verdacht, daß Klaus Eichmanns Onkel in Wahrheit dessen leiblicher Vater Adolf Eichmann sein könnte - ein gesuchter NS-Verbrecher.
Als dieser vage Verdacht über den deutschen Anwalt Fritz Bauer Mossad-Chef Harel (Lior Raz) zugetragen wird, hat dieser zunächst wenig Interesse, aktiv zu werden, zumal Argentinien noch kein Auslieferungsabkommen mit dem Staat Israel hat. Als jedoch Ministerpräsident Ben Gurion von der Sache hört und interveniert, wird eine Auslandsoperation des Mossad vorbereitet: ein kleines Team israelischer Agenten unter der Leitung von Harel soll nach Südamerika fliegen, um Eichmann zu überwältigen und nach Israel zu entführen. Dort angekommen, müssen die Agenten sehr vorsichtig vorgehen, Eichmanns Domizil auskundschaften und sich auch noch einmal selbst von dessen Identität überzeugen, schließlich war Agent Peter Malkin (Oscar Isaac) kurz zuvor bei einem ähnlichen Einsatz in Österreich einer Verwechslung aufgesessen und hatte einen Unschuldigen erschießen lassen - eine solche Panne gilt es unbedingt zu vermeiden.
Als man Eichmann, der einen auf die Sekunde genau getakteten Tagesablauf hat, dann glücklich gekidnapt hat, behauptet dieser beim ersten Verhör, selbst Jude zu sein und betet auf hebräisch. Erst die beharrliche Nachfrage nach seiner (im übrigen falschen) SS-Nummer bringen den zahlenverliebten Phlegmatiker dazu, seine Identität preiszugeben: Ja, er sei Adolf Eichmann, gibt er schließlich zu. Die nächste Schwierigkeit liegt darin, den überführten Schreibtischtäter außer Landes zu bekommen, denn die israelische Fluggesellschaft El Al nimmt diesen nur mit, wenn jener schriftlich seine freiwillige Einreise nach Israel bestätigt. Doch Eichmann denkt gar nicht daran, ein solches Dokument zu unterschreiben. Erst als Malkin sich dem Gekidnapten mit unkonventionellen Methoden nähert, gelingt es ihm, so etwas wie eine persönliche Beziehung aufzubauen...

Die geglückte Entführung Adolf Eichmanns aus Argentinien durch den israelischen Geheimdienst war schon öfter Thema auf der Leinwand, und so stellt sich die Frage, was Regisseur Chris Weitz in seiner 2018er Version Operation Finale den bekannten historischen Fakten noch hinzufügen wollte bzw. wie seine Interpretation aussehen würde. Herausgekommen ist ein prominent besetzter, typischer Hollywood-streifen, der sich weitgehend an den Konventionen eines Heist-Movies abarbeitet und das mit der Person Eichmanns verbundene Grauen des Holocaust eher im Hintergrund (mit wenigen kurzen Szenen von Massenexekutionen) behandelt.

Der historische Eichmann gilt als das personifizierte Böse, der die Verfolgung, Vertreibung und Deportation von Juden aus ganz Europa federführend organisierte, sich nach dem Krieg über die sogenannte Rattenlinie nach Südamerika absetzte und dort unter dem Decknamen Ricardo Klement lebte. Ein zeitlebens optisch unauffälliger, eher schmächtiger Brillenträger, der sich jedoch auch nach dem Krieg seiner Taten bewußt gewesen sein und sich dieser gerühmt haben soll. Der Eichmann im Film wird von Ben Kingsley dargestellt, der diese - freilich undankbare - Rolle nach mehreren filmischen Darstellungen verfolgter Juden übernahm. Sein Eichmann ist ein serviler Pensionist, der weitgehend mit den Entführern kooperiert und kaum ein Wort über seine Aktivitäten während der NS-zeit verliert. Sein Widerstand beschränkt sich auf die Weigerung, das Dokument zur freiwilligen Einreise zu unterschreiben, da er wohl ahnt, wie das angekündigte Gerichtsverfahren in Israel für ihn enden wird. Doch gerade dieses Dokument ist eine reine Erfindung des 2018er Drehbuchs, das neben einigen anderen Einfällen offenbar nur dazu dient, für den Zuschauer einen Zugang zur sperrigen Filmrolle eines Adolf Eichmanns herzustellen.
Dadurch ergeben sich dann auch skurrile Situationen wie jene, in der ein Entführer gemeinsam mit Eichmann lacht: als dieser - wegen eines befürchteten Suizids keine Minute unbewacht - auf der Toilette sitzt ("Herr Entführer, darf ich jetzt abwischen?") meint ein hinzugekommener Agent: "Ah, das sind also die Herrenmenschen", worauf Eichmann schlagfertig kontert: "Oh, wir sagten immer: der perfekte Nazi, der ist so schlank wie Göring, so groß wie Göbbels und so blond wie Hitler"...

Während Kingsley seine Rolle des 20 Jahre jüngeren Vorbilds (was sich trotz dick aufgetragener Maske nicht ganz kaschieren läßt) einigermaßen ambivalent herunterspult, weiß sein filmischer Antagonist Malkin durch seine vermittelte Einfühlsamkeit noch am ehesten die Sympathien des Publikums auf sich zu ziehen: um an Eichmann heranzukommen, gibt er nämlich persönliche Erfahrungen preis - seine geliebte Schwester Fruma, die er in einigen Rückblenden immer wieder sieht, wurde Opfer des Holocaust. Die schmerzliche Erinnerung an sie teilt er (dem dafür verantwortlichen) Eichmann mit, womit er bei dem Schreibtischtäter (neben eigentlich verbotenem Rotwein und einigen gewährten Zigaretten) bald eine Sonderstellung einnimmt. Inwiefern dies der historischen Wahrheit entspricht, sei dahingestellt. Später, als Eichmann dann in einer El-Al-Uniform an Bord des Flugzeugs gebracht wird, sorgt eine fehlende Landeerlaubnis für zusätzliche künstliche Dramatik, bevor dann in den letzten 5 Filmminuten noch die Verhandlung im israelischen Ramla samt verkündetem Todesurteil kurz angerissen wird.

Fazit: Operation Finale ist ein bezüglich Location und Setting weitgehend stimmig abgedrehter Thriller um die Vorbereitung und Durchführung einer spektakulären Entführung, mehr jedoch auch nicht. Politisch interessierte Zuseher gehen bei diesem hauptsächlich der Unterhaltung dienenden Streifen weitgehend leer aus. Kann man sich geben, muß man aber nicht gesehen haben: 5 Punkte.

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