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Zwischen Klo und Klößen

Der siebte Weimarer „Tatort“ (und zweite aus dem Jahre 2018) ums Ermittlungsduo Lessing/Dorn (Christian Ulmen/Nora Tschirner) wurde diesmal nicht anlässlich eines Feiertags erstausgestrahlt, dafür stand Drehbuchautor Murmel Clausen wieder Co-Autor Andreas Pflüger zur Seite. Die Regie führte Titus Selge, der 2010 bereits den finalen Frankfurter Beitrag mit Andrea Sawatzki und Jörg Schüttauf zur Reihe beisteuerte: „Am Ende des Tages“.

Ein Lieferwagen des Kloßfabrikanten Hassenzahl (Matthias Paul, „Die Steinigung“) wurde in einen Verkehrsunfall verwickelt, der Fahrer ist flüchtig. Die Hauptkommissare Lessing und Dorn finden auf der Ladefläche des Unfallwagens einen Karton mit Granulat, das sich als die sterblichen Überreste des Firmengründers entpuppt. Zusammen mit ihrem vergrippten Chef Stich (Thorsten Merten) statten Lessing und Dorn der Manufaktur einen Besuch ab, wo sie auf Vorarbeiterin Cordula Remda-Teichel (Christina Große, „Die Lehrerin“) treffen. Es stellt sich heraus, dass diese eine Liaison mit Hassenzahl hatte, dessen Ehefrau Roswita (Milena Dreissig, „Schirmchen“ aus „Stromberg“) seit Jahren als vermisst gilt. Pünktlich zum Tode ihres Mannes taucht sie jedoch plötzlich wieder im Unternehmen auf: Sie habe nach einem Sturz eine Amnesie erlitten und ist sei mit Tankstellenbetreiber und Pilzsammler Roland Schnecke (Nicki von Tempelhoff, „Das Experiment“) zusammengekommen, der sie im Wald aufgelesen, sich rührend um sie gekümmert und ihr einen Job als „Hygienemanagerin“ an seinem Tankstellen-WC verschafft habe. Weitere Verdächtige sind Kartoffelbauer Thomas Halupczok (Jörn Hentschel, „Willkommen bei den Honeckers“) und die Einzelhandelseinkäuferin Marion Kretschmar (Anne Schäfer, „Die geliebten Schwestern“), die mit Hassenzahl im geschäftlichen Clinch lagen…

„Von der Kloßkönigin zur Königin der Klos…“

Im Prolog werden Bilder der Kartoffelverarbeitung gegen die des Suizidversuchs einer Frau geschnitten – sowie eines Autounfalls, dem eigentlichen Beginn der Handlung. Diese verfügt über sämtliche so liebgewonnenen Weimarer „Tatort“-Zutaten: Zuallererst die verschrobenen, wunderbar und humorvoll ausgearbeiteten, doppelbödigen Figuren, allen voran Roswita Hassenzahl alias „Mogli“, die geschickt mit ihrem Image als etwas minderbemitteltes Frauchen vom Chef spielt, es jedoch faustdick hinter den Ohren hat (und sich mit dem „Soßkloß“ sogar als verkanntes Genie entpuppt!). Diese werden von sicherer Hand durch ein Drehbuch geführt, das feinsinnigen Humor inklusive Sprachwitz und Situationskomik ebenso bereithält wie Spannung aufgrund des bis zuletzt aufrechterhaltenen Whodunits?, schauspielerische Finesse und gestalterische Ästhetik. Und nicht zuletzt weiß natürlich der zwischen immer leicht zynischer Abgeklärtheit, ungläubigem Erstaunen und anerkennendem Respekt pendelnde Blick der Ermittlerin und des Ermittlers auf das Geschehen zu gefallen, der das Herzstück dieser Weimarer Fälle bildet. Themen wie Geldgier und Ökologie bis hin zu ein bisschen Kannibalismus werden ebenfalls zumindest touchiert; gerade letzteres dürfte bei sensiblen Menschen zu einem allgemeinen Unwohlsein und einem möglicherweise kritischeren Blick auf künftige Lebensmittelindustrieprodukte nicht genau einsehbaren Inhalts sorgen.

Das Informationsmanagement, das die Dramaturgie zwischen Spannung und Suspense gekonnt steuert, integriert an den richtigen Stellen einige Rückblenden, bevor sich die Handlung schließlich zu einem Finale hochschraubt, das zwar die Skrupellosesten über die Klinge springen lässt, aber auch ein Herz für die Betrogenen, die Kleindiebe und die Lebenskünstler beweist. Für einen kleinen Erotikanteil sorgt die zeigefreudige Anne Schäfer, so richtig appetitanregend wird „Die robuste Roswita“ jedoch durch sein kulinarisches Dauermotiv. Heute Abend gibt’s jedenfalls Klöße mit gemischten Pilzen in Rahmsoße. Zu dumm nur, dass die Soße nicht bereits integriert ist...

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