Im argentinischen Buenos Aires wird die junge Polizistin Manuela Pelari, genannt Pipa (Luisana Lopilato) anläßlich des 14. Jahrestages des spurlosen Verschwindens eines jungen Mädchens von deren Mutter aufgesucht und noch einmal mit diesem, längst abgeschlossenen Fall konfrontiert: Die verschwundene Cornelia gehörte zu einer Gruppe von fünf Mädels, die einen Ausflug zu einem Vulkan im Süden Argentiniens, in Patagonien, unternahmen. Während die Clique, zu der auch Pipa gehörte, danach zurückkehrte, tauchte Cornelia nie wieder auf. Die Suchmannschaften der Polizei fanden nur ein zweifellos ihr gehörendes Halskettchen im Wald, und trotzdem alle vier Zurückgekehrten verhört wurden, ergab sich keine Spur. Schlußendlich wurde Cornelia für tot erklärt, die fehlende Leiche wurde mit den im Wald herumstreunenden wilden Tieren notdürftig "erklärt", Cornelias Mutter jedoch glaubte nie an diese Version, ließ jährlich eine Messe für die Verschwundene lesen und wendet sich nun, viele Jahre danach, noch einmal an die inzwischen bei der Polizei arbeitende Pipa, die damals auch dabei war. Spurensuche nach einer Vermissten lautet also das Thema von Verloren (im spanischen Original: Perdida), das auf dem Roman "Cornelia" von Florencia Etcheves beruht.
In dieser argentinischen Produktion baut Regisseur Alejandro Montiel behutsam die Rekonstruktion eines Cold Case auf, bei der die Hauptdarstellerin Pipa, eine schmale, aber toughe Beamtin, die mit ihrem Ego schonmal in der eigenen Abteilung aneckt, nicht nur ihre eigene Wahrnehmung des längst vergangenen Erlebten überprüfen muß, sondern auch schnell an bürokratische Hürden stösst, die sie mit Beharrlichkeit und unerschütterlichem Erfolgsdenken zu überwinden versucht. Ihr Vorgesetzter, ein väterlich agierender Abteilungsleiter der sie jahrelang protegiert hat, suspendiert sie schließlich, als ihr Nachforschen in alten Spuren einer Freundin das Leben kostet.
In angemessenem Erzähltempo baut Perdida einen Spannungsbogen auf, der einen stets mit der sympathischen Pipa (die selbst nicht ohne Fehler ist) mitfiebern lässt. Die dabei im Lauf des Films angeschnittenen Thematiken reichen von internationalen Mädchenhändlern und Mafiosi über falsch gelegte Spuren, korrupte Polizisten, unterdrückte Familiengeheimnisse bis in die Psychiatrie und wie weit es mit dem Zusammenhalt ehemaliger Freundinnen steht, und über allem hängt ständig die Frage, wem man tatsächlich trauen kann - mehr sei nicht verraten, um nicht zu spoilern.
Die mir sämtlichst vollkommen unbekannten Darsteller erledigen ihre Sache recht ordentlich, sowohl Hauptakteurin Luisana Lopilato wie auch Amaia Salamanca (als "Sirena" Nadine) spielen glaubwürdig und überzeugend - auch für die Nebenrollen hat sich das Drehbuch etwas ausgedacht: so erweist sich beispielsweise der glatzköpfige Killer mit dem auffallenden Kopftattoo nicht nur als tumber Schläger, sondern hat eine durchaus ambivalente Rolle - auch der Boss des Mädchenhänderrings, ein Ägypter der sich mit "Mein König" anreden läßt, ist trotz kurzer Screentime ausreichend fies dargestellt - genauso wie die Pipa zuarbeitende Freundin Alina (Oriana Sabatini), deren Photoshop-Kenntnisse bei der Aufklärung des Falls behilflich sind, deren Drogensucht aber eine eigene Polizistinnen-Karriere verhindert haben.
Perdida erfindet das Genre zwar nicht neu, und manche Wendung vermag der geneigte Krimifreund bereits im Voraus zu erkennen, dennoch bleibt ein außergewöhnlich dichter, sehr konsequent erzählter Krimi, der - und dies ist ein Sonderlob - ohne selbstzweckhafte Gewalt auskommt, auf übertrieben-spektakuläre Action verzichtet, ganz ohne Logiklöcher zu Ende erzählt wird, einmal aufgenommene Fäden auch weiterführt und somit schlußendlich keine Fragen offen läßt. Eine klare Empfehlung für diesen argentinischen Mystery-Thriller - 8,49 Punkte.