Etwas, dass bei den Südkoreaner in Sachen Fernsehserie mittlerweile bzw. schon längst überhandgenommen hat, und wo der Nutzen und der Sinn dahinter dem Außenstehenden nicht so ganz offensichtlich ist, hat bei den Filmen scheinbar mehr Auswahl und mehr Qualität im Visier. Die Asiaten sind seit mehreren Jahren ganz auf die Adaptierung von oftmals westlichen Fernsehserien allerdings auch die der Konsum- und Massenware wie Criminal Minds, Suits, Good Wife oder anderen Viel- und Ewigläufern für die Einheimischen fixiert, hinzu kommen zu diesen Remakes noch die 'Einbürgerung' auch japanischer Exporte hinzu; ein Überflußgeschäft, bei dem die eigenen Stärken eher ignoriert werden und man sich auf die Kopie verlässt. Etwas anders sieht es (zuweilen) noch bei den Kinobeiträgen aus, wird dort zwar auch oft ins Ausland geschielt, aber die Rosinen herausgepickt, und was noch wichtiger ist sich an die 'großen Tiere' oftmals gewagt und diese ab und an als Vorlage für eigene Interessen und eigene Spezialitäten wie bspw. die Neuverfilmungen Cold Eyes (von Eye in the Sky), Believer (von Drug War) oder Door Lock (von Sleep Tight) genutzt und benutzt und die Originale zuweilen auch in den Schatten gestellt. Bei Vanished ist eher die Nachahme die Aufgabe des Regisseurs, die gleichförmige Übertragung, über dessen Sinn man streiten kann, unabhängig davon das Drehteam die Angelegenheit aber makellos löst:
Als die Leiche der kürzlich gestorbenen Industriemagnatin Yoon Seol-hee [ Kim Hee-ae ] aus der Kühlkammer des National Science Institute über Nacht verschwindet und dabei auch ein Wachmann niedergeschlagen wurde, wird der alkoholkranke Detective Woo Joong-sik [ Kim Sang-kyung ] samt dreier Mitarbeiter [ Lee Ji-hoon, Lee Min-ji und Seo Hyun-woo ] an den Tatort gerufen, wo er die Ermittlungen aufnimmt. Dabei zitiert er auch den Ehemann und nunmehrigen Witwer Professor Park Jin-han [ Kim Kang-woo ] heran, der zwar erst auf der privaten Trauerfeier, aber dann bei seiner heimlichen Geliebten Hye-jin [ Han Ji-an ] war und sich bei der Befragung zunehmend in Schwierigkeiten verstrickt.
Nachtwache. Gerade erst begonnen und schon Unregelmäßigkeiten im sonstigen Alltag und in der Routine vom Ablauf. Flackernde Lichter. Stromausfälle. Geräusche, wo keine sein sollten und Bewegungen, wo normalerweise kein Leben mehr ist. Geöffnete Türen. Körper um die Ecke und Leichen auf dem Boden. Nur unweit davon und noch umso exklusiver entfernt sind falsche Tränen vorhanden, ein mechanisches Klavierspiel, eine vorgetäuschte Trauer und ein umkippende und den Inhalt über den Boden verstreuende Medikamentendose, die den scheinbaren Perfektionismus stören, und wo der Schein und das Sein bald nicht mehr zu trennen und verschiedene Welten durcheinander und gleichzeitig am Zusammenbringen sind.
Entscheidend sind hier wie dort die Beziehungen zueinander: dem des Ehemannes und nunmehrigen Witwers zu seiner älteren und reicheren Frau, der Verbindung zu seiner Geliebten, zu dem Polizisten, der ihn nun befragt und auch das komplette Gegenteil von ihm und dennoch Bestandteil eines Puzzles ist, dass der Regisseur hier für uns ausbreitet und nacheinander und erst ganz am Ende am Zusammenlegen ist. Zuschauer, die das spanische Original The Body (2012) kennen – The Body ist auch hier der Alternativtitel, nebst Lost Night – erwartet natürlich ein gewisser Bekanntheitsgrad und das gewisse Vorausahnen, allerdings kann man die Reise in das Labyrinth aus Katz-und-Mausspiel aus Hypothesen, Halluzinationen und Konstruktionen auch problemlos ein zweites Mal antreten und dem Kammerduell zwischen Cop und Killer erneut folgen, ohne das das ursprüngliche Vergnügen geschmälert wird und mit dem Vorteil, dass die Sinne nun noch geschärfter und wacher und aufmerksamer für die Details im großen Ganzen sind. Unterschiede sind allerdings marginal, die Darsteller sind allesamt etwas jünger und auch adretter, und selbst das forensische Gebäude als hauptsächlicher Schauplatz ist eine Spur größer und edler gelegen. Großer, wenn auch einziger Pluspunkt der hiesigen übernehmenden Bearbeitung ist dabei alleinig die Tatsache, dass der befragte Ehemann und sein zunehmendes Dilemma im Vergleich zu der Figur im Original auch verletzlicher und damit einfacher für Identifikation bis hin zur kleinen Sympathie und einer anderen Ebene des psychologischen Thrillers wird.
Eine Befragung, die sich zu einem Verhör auswächst, Fallstricke voller Lügen, die aus einem scheinbar perfekten Verbrechen eine Amateurtat voller Fehler machen, der Wechsel hin zu der Bedauerlichkeit des zunehmend in Bedrängnis und Paranoia geratenen jungen Mörders, der natürlich einer schändlichen Tat schuldig ist, aber nicht so wirkt, hier bis zum Atemstillstand in die Enge gedrückt wird und das Publikum zum Mitfiebern geradezu 'zwingt'. Gut und Böse, richtig und falsch verschwinden in dieser Nacht, in der für alle Beteiligten schnell viele Fragen auftauchen und die Antworten darauf scheinbar auch aus einem Zwischenreich des Unerklärlichen und Unvorstellbaren zu kommen scheinen und die bisher gekannte Realität am Kippen sind.