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Es gibt nicht umsonst den Spruch, lebe jeden Tag als wäre es dein Letzter, denn im Endeffekt weiß niemand von uns, wann seine letzte Stunde geschlagen hat. Brandon Lee, der einzige leibliche Sohn des legendären Bruce Lees, hatte gerade die Weichen mit Filmen wie Showdown in Little Tokyo (1991) und Rapid Fire (1992) für eine erfolgreiche Karriere als Hollywood-Actionstar gelegt, da wurde er bei den Dreharbeiten zur  Comicverfilmung The Crow - Die Krähe (1994) am 31.03.1993 durch einen bedauernswerten Unfall getötet und das im zarten Alter von nur 28 Jahren. Das perfide daran ist, dass seine Figur Eric Draven, welche er spielen sollte, in der Filmhandlung ebenfalls aus dem Leben gerissen wird und genau wie er in der Wirklichkeit seine große Liebe heiraten wollte. Nach dem Unglück wurde die von Paramount Pictures finanzierte Produktion kurzfristig eingestellt, bis die Entertainment Media Investment Corporation die Rechte kaufte und der Streifen mit aufwendigen CGI-Effekten und Body-Doubles für Brandon Lees Szenen fertig gestellt wurde. The Crow hatte am 10.05.1994 Weltpremiere und ist seiner Verlobten Elizia Hutton gewidmet, die Hochzeit sollte wenige Tage nach dem eigentlichen Drehschluss stattfinden. 

Dabei war Brandon Lee gar nicht mal erste Wahl für seine Rolle, Christian Slater, River Phoenix und Johnny Depp sagten im Vorfeld ab. Außerdem gab es am Set vor Lees tödlicher Schussverletzung eine Reihe von Zwischenfälle, die zum Gerücht führten, der Film sei verflucht gewesen. Ein Arbeiter erlitt schwere Verbrennungen. Ein Stuntman brach sich bei einem Dachsturz einige Rippen. Ein Hurrikan zerstörte mehrere Kulissen und ein Rigger erlitt einen vernichtenden Stromschlag. Doch trotz all dieser bremsenden Rückschläge ist Regisseur Alex Proyas mit The Crow  ein hoch unterhaltsamer, melancholischer, düsterer Fantasy-Rache-Actioner mit absolutem Kultstatus gelungen, wie zahlreiche Kritikerreaktionen und Zuschauermeinungen treffend belegen. Das Drehbuch von David J. Show hält sich zum größten Teil an die Charaktere des Comics von James O'Barr. In der ominösen Teufelsnacht, in welcher die Unterwelt die Stadt in Flammen setzt, werden der Rockmusiker Eric Draven (Brandon Lee) und seine Verlobte Shelly Webster (Sofia Shinas) von den Schlägern des Mafia-Oberhauptes Top Dollar (Michael Wincott) brutal ermordet. Dank den mystischen Kräften einer Krähe steht Erich 1 Jahr später von den Toten auf und kehrt an den Tatort zurück, um sich an seinen Peinigern zu rächen. Als er einen nach dem anderen eliminiert und sich bis zu Top Dollar hocharbeitet, kommt dieser mit Hilfe seiner Geliebten Myca (Bai Ling) hinter sein Geheimnis der Unsterblichkeit. Nachdem Top Dollar Erics Patentochter Sarah (Rochelle Davis) entführt hat und sein Freund der Polizist Albrecht (Ernie Hudson) angeschossen wurde, kommt es letzten Endes zum spektakulären Showdown in schwindelerregenden Höhen...

Wissen Sie, was ich von einem außergewöhnlichen Action / Fantasy Film erwarte? Er muss mich in erster Linie mitnehmen. Ich möchte eins werden mit den Protagonisten, die Welt durch deren Augen betrachten können, mit ihrem Schicksal mitfiebern dürfen und ihnen die Daumen drücken. Ich freue mich über eine Geschichte, die mich in ihren Bann zieht. Über einen Helden zu dem ich hinauf schauen kann. Über eine verachtungswürdige, gemeine Feindbildzeichnung und über eine klare Differenzierung zwischen Gut und Böse. Ich möchte aber auch beeindruckt werden. Beeindruckt werden von der Optik der Szenerie. Beeindruckt werden von Klang und Akustik der musikalischen Untermalung. Beeindruckt werden von den schauspielerischen Leistungen und beeindruckt werden von der fulminanten Action. Ich wünsche mir eine mitreißende Spannungskurve, ein krönendes Finale und eine Kernmessage, mit dessen Inhalt ich mich identifizieren kann. Wenn Sie also bei allen genannten Punkten nickend zustimmen und die gleichen Ansprüche an perfekte Abendunterhaltung wie ich stellen, sind Sie bei The Crow - Die Krähe genau richtig, denn was Alex Proyas und sein Team aus dem 18 Millionen Dollar Budget trotz der traurigen Umstände und der vielen Querelen herausgeholt haben, verdient allerhöchste Anerkennung.

Um die Eisen aus dem Feuer zu holen, mussten alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Gebannt lauscht das Publikum dem melancholischen The Crow-Score Rainvorever von Greame Revell und den poetischen Gedanken der kleinen Sarah (Rochelle Davis), welche die emotionale Brücke zum schrecklichen Schicksal von Eric und Shelly schlägt, aber auch Mut machen soll, da es nicht immer nur Regnen kann. Indessen geht  Brandon Lees Performance als gruftig-satanistisch geschminkter Rächer in schwarzer Lederkluft im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut. Leid, Schmerz, Verzweiflung, Wut und Hass kanalisiert er in einem breitgefächertem Minenspiel zwischen tieftraurig und fratzenhaftem, sarkastischem Grinsen, als hätte er seine eigene Bestimmung fast erahnt. Spätestens wenn Draven unter den Fittichen der sagenumwobenen Krähe aus seinem Grab empor steigt und seinen Rachefeldzug durch die rabenschwarze Nacht startet, ist Gänsehaut pur garantiert und Alex Proyas sorgt mit seiner erhabenen audiovisuellen Inszenierung für das geeignete Ambiente. In den schwarzen Gassen geben sich Licht und Schatten in unendlich wirkender Finsternis die Hand, wenn sich ein loderndes Flammenmeer aus Zerstörung und Gewalt ausbreitet. Die Kamera schwenkt in ästhetischer Obersicht über die Stadt, während der untote Racheengel zu in Mark und Bein fahrenden Gothic-Rock Klängen von Dach zu Dach eilt und seine Feinde um ihr Leben fürchten müssen. 

Den sympathischen Protagonisten stehen der von Michael Wincott erstklassig verkörperte eiskalte, gewissenlose, egozentrische Gangsterboss Top Dollar und dessen durchgeknallte Bandenmitglieder T-Bird (David Patrick Kelly), Skank (Angel Davids), Tin Tin (Laurence Mason) und Funboy (Michael Massee) gegenüber, die mit ihrer Überdrehtheit in Kombination mit dem diktatorischen Führungsstil Top Dollars die abgrundtief bösartige, comicartige Feindbildgenerierung perfektionieren. Der Kontrast zwischen Gut und Böse liefert den Nährboden für sukzessiv steigernde, spektakuläre und streckenweise auch brutale Actionszenen, welche ebenfalls auf eine imposante Optik setzen. Draven räumt seine Widersacher nicht einfach nur so aus dem Weg, nein dass muss unter dem recht dehnbaren Begriff der Kunst rabiat und stilvoll zu gleich erfolgen, als Beispiel sei hier das ausufernde Massaker in Top Dollars Hauptquartier genannt. The Crow bekam auch auf Grund seiner expliziten Gewaltdarstellung massig Zensurprobleme mit der MPAA, was der Vergleich zwischen der R-Rated Fassung und der Unrated-Version nachhaltig dokumentiert. Wobei die angeordneten Änderungen vor Veröffentlichung sich größtenteils nur sanft bemerkbar machen und der Sehgenuss des weltweiten Kinocuts nur unwesentlich getrübt wurde.

Selbstverständlich können Sie versuchen, dass berühmt berüchtigte Haar in der Suppe, beispielsweise am einfach strukturierten Rache-Plot oder an den abgehobenen Charakteren auszumachen, doch The Crow hält seine Angriffsfläche bemerkenswert klein und darf sich meiner Meinung nach als Vorzeigeobjekt für einen außergewöhnlichen Fantasy-Actioner fühlen. The Crow - Die Krähe erzählt seine mystische, bewegende Geschichte von Liebe, Hoffnung und Vergeltung packend und mitreißend, während dem Zuschauer nichts anderes übrig bleibt, als sich mit dem Schicksal seiner Hauptfiguren zu verbünden und der actionreichen Abrechnung der Krähe mit der Unterwelt gebannt Folge zu leisten. Neben seinem enormen Widerunterhaltungswert sorgt The Crow auch dafür, dass der leider zu früh von uns gegangene Brandon Lee in wohliger Erinnerung für die Nachwelt bleibt und dass ein jeder von uns das Leben wieder zu schätzen weiß, deshalb lassen Sie mich dieses Review mit einem Zitat beenden: "Wenn uns die Menschen, die wir lieben, genommen werden, können wir sie trotzdem behalten, indem wir nie aufhören, sie zu lieben. Gebäude brennen und Menschen sterben, aber die wahre Liebe hält ewig" MovieStar Wertung: 10 von 10 Punkte.



 


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