Sieben Jahre seit der letzten Produktion Passion, davor fünf Jahre Pause, davor ein eigentlich relativ regelmäßiges Arbeiten, auch in Hollywood, auch mit Budget und einem regulären Kinoeinsatz, was nunmehr alles nicht mehr vorhanden ist und alles nicht mehr gilt. Es stände zu hoffen, dass Brian De Palma schon aufgrund seiner inszenatorischen Fähigkeiten, seiner formellen Finesse, die die Fähigkeit des Erzählens einer Geschichte oftmals übertreffen und oftmals auch ersetzen, auch seine nächsten angekündigten Projekte zweier eher True Crime Prämissen noch bearbeiten kann und sein eigenes Werk noch weiter pflegt. Tatsächlich glaubhaft ist es aufgrund des hohen Alters (De Palma ist Jahrgang '40), der Arbeitsweise zuletzt und vor allem auch der Schwierigkeiten mit der Finanzierung bei einem Filmemacher, der zwar in entsprechenden Kreisen bekannt sein mag, aber jeder Kommerzialität widerspricht: nicht.
2020. Als die dänischen Polizisten Christian Toft [ Nikolaj Coster-Waldau ] und Lars Hansen [ Søren Malling ] während ihres nächtlichen Streifendienstes zu einem scheinbaren ehelichen Disput gerufen werden, treffen sie nicht nur auf eine übel zugerichtete, da zuvor ausgiebig gefolterte Leiche, sondern auch den Täter Ezra Tarsi [ Eriq Ebouaney ], welcher die beiden Cops angreift und auch zur Flucht ansetzt. Geschnappt wird er dabei trotzdem, allerdings von den CIA - Mannen um Joe Martin [ Guy Pearce ], der den rachsüchtigen Mann als illegale und auch mit der eigenen Familie erpresste Geheimwaffe auf die Jagd nach dem Terroristen Salah Al Din [ Mohammed Azaay ], der nicht nur dessen Vater vor laufender Kamera umgebracht hat, sondern derzeit auch weitere Attentate mit Schläfern plant. Christian, der von seinem Vorgesetzten Wold [ Thomas W. Gabrielsson ] nicht unterstützt, sondern gar an weiteren Ermittlungen gehindert wird, macht sich mit der ebenfalls involvierten Kollegin Alexandra Boe [ Carice van Houten ] allein auf die Suche nach dem Täter, was ihn durch halb Europa führt.
Domino als bisher letzter Weckruf, als Mitteilung an die Welt, dass der vor allem in den Siebzigern und Achtzigern populäre Mann noch da ist, immer noch unter den Aktiven weilt und immer noch Mitteilungsdrang hat; bei einem der Genre, die seine Karriere durchzogen hab und als hauptsächlicher Strang der Laufbahn und er als Meister der Gattung, wenn auch einer von früher eben gilt. Eine internationale Produktion, mit einem höheren einstelligen Millionenbetrag und dies nur unter Zuhilfenahme von staatlicher Finanzierung und dennoch oder deswegen unter argen Schwierigkeiten, unbezahlten Rechnungen und Problemen beim Dreh und anschließend noch unter der Post-Production realisiert; von einem Filmemacher, der nicht den Endschnitt abliefern konnte und sich mittlerweile von seiner ursprünglich auch schon eingeschränkten, da ausnahmsweise nicht von ihm verfassten Kreation distanziert. [Die von De Palma ehedem erstellte Fassung soll wesentlich länger gehen und wäre natürlich interessant zu sehen, zumal die hier unterkühlte emotionale Komponente gar nicht so übel gehandhabt ist und auch das unterschiedliche Machtgefüge viele Möglichkeiten zwischen Cop, Killer, Geheimagent und Partnerin des Polizisten offenlässt.]
Beginnend in "fairy-tale Denmark" (dann in aller Herren Länder, u.a. Belgien, Spanien, Italien) und dennoch fernab der üblichen Setting und in einer mit (dem hier aber kaum gezeigten) Kopenhagen auch dem Zuschauer relativ unbekannten Urbanität, dazu in der nahen Zukunft, die kleinere Veränderungen in der Erzählung ermöglicht und eine andere Akzentuierung von Aussagen und ein vielleicht abweichendes Bebildern einer noch kommenden, aber schon sich andeutenden 'Realität', werden auch hier gleich zu Beginn schon die handwerklichen Fähigkeiten De Palmas offensichtlich eingesetzt und die Markenzeichen angewandt und präsentiert. Deutlich ist einerseits vor allem die Arbeit der Kamera, die anfangs Nebensächliches im Verlaufe einer Einstellung als das eigentlich Wichtige im Raum hervorhebt, das Vergessen der Pistole bei einer langen Verabschiedung nach gemeinsamer Nacht z.b., wobei die fehlende Waffe anschließend noch die entscheidende Rolle spielt.
Gerade die auch nächste (Suspense)Szene im Treppenhaus ist mit derart vielen 'gewohnten' Perspektiven aus der Schule des Filmemachers gehalten, den unterschiedlichen Blickwinkeln zweier direkt nebeneinander stehenden Personen, die Komplizenhaftung des Zuschauers, das Hinauszögern der Zeit, die sich vor dem ersten Gewaltausbruch bis in das gefühlt Unendliche dehnt, die verzehrte Wahrnehmung im Dämmerzustand kurz vor einer Ohnmacht usw., auf das die Sequenz wie urheberrechtlich nur von diesem einen Regisseur stammen kann. Und dieser ebenso nicht anders kann, als genauso und damit schon am Rande einer Parodie, dort aber noch im sicheren Bereich zu formulieren. Natürlich gibt es auch den viel zitierten Hitchcock-Moment, die Kraxelei über die Häuserdächer während einer nächtlichen Verfolgungsjagd, die bei den Kollegen der Zunft nur eine handelsübliche Aktionszene wäre und hier zum Interpretieren herausfordert und man sich durch die Lehrbücher und ihre ständigen Vergleiche – die Szene vor der Windmühle 'erinnert' an Der Auslandskorrespondent usw. – wälzt.
Dieser Show-off, die Sperenzchen, die Tricks, die er aus der hohlen Hand zaubert und für ihn nur Fingerübungen sind, machen das erste Drittel des Filmes allerdings einfacher zu konsumieren als die zunehmend politische Handlung und ihre Einflüsse aus der jetzigen Welt in den Kosmos der Abendunterhaltung von einem Menschen, der sonst zumeist (bis auf Redacted) weniger in der Gegenwart zu existieren und zu filmen schien als vielmehr die Vergangenheit und eine gewisse Surrealität und Fantasie davon zum Leben erweckte.
Sehen und Gesehenwerden als auch mit ein bevorzugtes Thema und vielverwendetes Instrument, kommen hier Observierungskameras ebenso zum Einsatz wie ein Splitscreen bei einem Anschlag in Amsterdam, auch noch während Filmfestspielen auf dem roten Teppich, bei der die Selbstmordattentäterin sich ebenso aufnimmt wie auch ihre Opfer und gleichzeitig auch von den Umherstehenden und bald Flüchtenden 'geschossen' und so ins Fernsehen und ins Internet und überall hin übertragen wird. Die Szene selber funktioniert aus mehreren Gründen nicht, sowieso häufen sich mit zunehmender Laufzeit der Eindruck eines Wiederauflebens von Klischees des altertümlichen, hier gar steifen Politthrillers, angefangen von den üblen Hintermännern der CIA bis über den Einzelkämpfer in der Todesmission und dem mehr oder minder aufrechten Polizisten als Einzigen außerhalb des Klüngels, aber dennoch mittendrin, sowie auch das Spiel mit Ängsten und vorhandenen Vorurteilen, die vielleicht nicht zum reinen Selbstzweck, aber (wie auch im Sinne der Terroristen selber) für eine Manipulation des Publikums eingesetzt werden. Auch das lange Finale in einer Stierkampfarena folgt diesem Rhythmus und schwankt dabei ständig und letztlich auch zum Ungunsten seiner selbst zwischen einer merkwürdigen Faszination, einem bloßen Kopieren von Manierismen – im Grunde wird im Kopf alles abgehakt, zwischen Sabotage und dem Der Mann, der zuviel wusste bis hin zu Spiel auf Zeit und seinen Ideen – und einer auflösenden Groteske, die alle Beteiligten eher in ein schlechtes Bild rückt und zuweilen unfreiwillig richtiggehend lächerlich ist.