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Wer bei dem Wort Anime an perversen Tentakelsex und sinnlosen Gewaltorgien gähnend abwinkt, wird ein kleines Horrorkleinod wie "Perfect Blue" leider verpassen. Sicherlich bietet auch dieser Zeichentrickoutput aus japanischem Lande auch Nacktheit und Blut, jedoch sind dies eher die sekundären Reize des Films. Denn die üblichen Anime-Genrebestandteile Fantasy, Sci-Fi oder Horror sucht man in "Perfect Blue" vergebens. "Perfect Blue" ist Psychothriller in Reinform.

Mima Kirigoe ist Sängern in dem Girlgroup-Trio Cham. Cham bringt mit seichtem Nippon-Pop die Fans zum toben, allerdings nicht zum kaufen. Manager und Berater drängen Mima zum Wechsel zur Schauspielerei. Mima gefällt diese Möglichkeit, und lässt ihr Popstarleben hinter sich. Mit ihrem Weggang kommt der Erfolg für Cham, und der Abstieg für die Schauspielerin. Ihr einziges Engagement als Darstellerin ist eine einzeilige Minirolle in einer Mysteryserie. Um ihr schauspielerisches Potenzial zu erforschen, schreibt der Drehbuchautor ihr eine gewagte Vergewaltigungsszene. Mima sagt zu, zerbricht aber daran.

Bis dahin ist "Perfect Blue" nur ein persönliches Drama über die Musik- und Filmindustrie. Über Entscheidungen, die das Leben beeinflussen. Doch es gibt einen weiteren Aspekt: Die Stimmen, Mima müsse wieder zu Cham zurückkehren werden immer lauter. Einige scheinen sogar fanatisch daran zu arbeiten. Ein Sicherheitsmann entwickelt eine Homepage, in der er ein gefälschtes Tagebuch erstellt, in dem er in Mimas Worten immer wieder beteuert, wie sehr ihr das Schauspielern Leid zufügt. Hinzukommen mysteriöse Morde um Mima herum. Ihr Manager erhält eine Briefbombe, der Drehbuchautor wird im Fahrstuhl erdolcht, und ihr Nacktfotograph bekommt einen Schraubenzieher ins Auge gerammt. Der Täter bleibt unerkannt. Doch Mimas Phantasien und realistische Tagträume lassen schnell an ihrem Verstand zweifeln. Ist sie schizophren?

Schließlich schlägt der Film in seiner letzten halben Stunde völlig um in ein konfuses, aber ansprechendes Wirrspiel, in dem in jedem neuen Frame ein neuer Verdacht geschürt wird, eine neue, falsche Fährte gelegt wird. Manchmal wird der Zuschauer mit Hitchcock'scher Raffinesse hinters Licht geführt, ein anderes Mal benutzt "Perfect Blue" weitaus ärmliche Mittel, um zu überraschen. "Perfect Blue" lügt uns stellenweise per Bild und Dialog an, um uns in die Irre zu führen. Kein fairer Zug, gerade nicht bei einem Zeichentrickfilm.

Die Animationen wirken manchmal wirklich hübsch und wunderschön komponiert. Jedoch sind einige Hintergründe und einige Characterdesigns eher statisch und unwirklich. Gerade zu Anfang merkt man dem Film sein eher kleines Budget an. Vieles sieht nach durchschnittlichen OVA-Standard aus, und zieht den optischen Gesamteindruck von "Perfect Blue" hinunter.

Satoshi Kon ist die Etablierung eines neuen Genres in der Animewelt geglückt. Sein Film ist ein David Lynch-Alptraum für Manga-Fans. Mit einigen Story-Löchern und unschöner Inszenierung wird sich der geneigte Anime-Fan arrangieren können. Insgesamt jedoch muss es hier leider einen Punkteabzug geben. "Perfect Blue" hätte mehr sein können, als er ist.

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