Ein deutscher, ansehbarer Slasher der in Amerika gut ankam? Gibt es das? Ja, „Anatomie“ hieß er und machte Franka Potente zur deutschen Screamqueen, was ihr unter anderem den Weg nach Hollywood ebnete. Obwohl ursprünglich keine Fortsetzung geplant war, entschloss Columbia Tristar nach dem kommerziellen Erfolg eine drehen zu lassen. Und so kam es leider auch. Warum Potente sich diesmal nur zu einer Nebenrolle überreden ließ ist verständlich, denn dieses Werk ist unterer Bodensatz deutscher Filmkunst.
„Anatomie 2“ hat bis auf größenwahnsinnige Ärzte nichts mehr mit dem ersten Teil gemeinsam, denn das Genre wurde gewechselt. Anstatt eines mysteriösen Killers erwartet uns ein Medizinthriller, in dem ein Arzt mit seinen Jüngern eine Superrasse schaffen will und sich über alle Regeln stellt. Das brisante Thema „Loge“ wird auch hier wieder aufgegriffen, hätte aber auch eben so gut wegfallen können, da der Film auch ohne das Thema Geheimbund genau so schlecht geworden wäre.
Nach einem kurzen, blutigen Intermezzo, die solche Möchtegernhorrorschinken in den ersten 5 Minuten gern an sich haben, wird unser unentschlossener Hauptprotagonist eingeführt. Jo Hauser ist angehender Arzt (weil es halt cool ist), bekommt eine Stelle als AIPler in einem renommierten Krankenhaus und will später mal als ganz Großer seinem schwerkranken Bruder retten. Ein paar Szenen vom stressigen Krankenhausleben (kaum Schlaf, vor sich hin vegetierende Patienten), dass kein Zuckerschlecken ist und schon fragt man sich, warum der gute Doc, nicht schon längst eine eigene Praxis hat, operiert er doch mal eben heimlich in 5 Minuten einen Schädelbasisbruch mit Hilfe einer philippinischen Hühnerschar von Krankenschwestern.
Da Prof. Müller – La Rousse, der hiesige Überarzt, diese Operation beobachtet und beeindruckt scheint, lädt er ihn nach Hause ein, wo er nach einem Vortrag mal eben in die „Loge“ eingeführt wird, den deutschen, chlorfrei gebleichten, Brettzombie Heike Makatsch unter Drogeneinfluss wegknallt bis die Nudel brennt und sich den Jüngern LaRousse vorstellt, unter denen sich auch ein Sohn Heinos befindet. Obwohl anfangs noch mit Prinzipien und Regeln, nimmt er das Angebot an, was den Charakter etwas unverständlich erscheinen lässt. Der Einstieg ging dann doch etwas zu flott. Warum das alles so schnell klappt, wird erst später aufgeklärt, denn nun ist Medizin und Posing (man ist jetzt Dr. Frankensteins Liebling) angesagt.
La Rousse ist nämlich DIE Kapazität was Muskeln angeht und vor Jahren am Nobelpreis vorbeigeschrammt. Zwar besitzt dieses medizinische Thema bei weitem kein Potential wie Gehirn oder Herzmuskeln, lädt aber den Zuschauer zum eifrigen Mitlachen ein. Die künstlichen Muskeln sehen nämlich aus wie verkohlte Zitteraale und können scheinbar überall eingepflanzt werden. Da wird nicht nur an Arm und Bein experimentiert, nein auch am Mannes liebsten Körperteil wird sich vergangen. Schickes Implantat an die Wirbelsäule und schon können wir über Laptop und Infrarotschnittstelle fremde Körper steuern und Abtrünnige Häuser herunterstürzen lassen. Warum man über Leichen geht, aber die gefährlichen Experimente an sich selbst ausprobiert darf man genau so wenig hinterfragen, wie nach praktischen Nutzen dieser Implantate suchen. Zwar kann Jo nach Wadenwechsel, in einem herrlich sinnlosen Szenario, auf dem Fußballplatz ledern was die Muskeln hergeben, aber beim Rest herrscht nur Leerlauf.
Aber da in so einem Film nicht nur eitel Sonnenschein angesagt, muss es irgendwann mal was passieren. Die Anhänger verwandeln sich schrittweise in drogenabhängige Zombies, tragen auf einmal alle schwarz statt weiß und fühlen sich recht angepisst, weil Jo geläutert wird und vom philippinischen Hühnerhaufen auf einem Küchentisch im Wohnheim der Implantate entledigen lässt. Da aber die Schweden nah am Durchbruch sind, die Implantate Fehler haben und der Doc diesmal den noblen Preis will, soll Jo mundtot gemacht werden. Der sieht sich schon bald von vielen Feinden umringt….
Ja, in Anatomie wird sich gemessert, ab und zu geschlitzt, gevögelt, Drogen gespritzt und ansonsten ein paar Tabus gebrochen, aber ein Blutspektakel sollte man dabei nicht erwarten. Spannend und unterhaltend ist er deswegen trotzdem noch nicht, denn der Plot ist Müll, um es mal zu beschönigen. Selbst Fans vom ersten Teil werden hier keinen Spaß haben, schlägt der Film doch eine völlig andere Richtung ein. Hinzu kommt das Problem nicht vorhandener deutscher Schauspielkunst. Weder Barnaby Metschurat, noch Herbert Knaup und erst Recht nicht Heike Makatsch kommen über Daily Soap Niveau hinaus. Eine Wohltat zumindest in Nebenrollen Schauspieler wie Franka Potente (inzwischen als Logenjägerin für das BKA unterwegs) und August Diehl zu entdecken.
Fazit:
Überflüssige Fortsetzung eines sensationell guten deutschen Slashers, die nichts mehr mit dem Original gemeinsam hat. Der Plot ist langweilig und uninspiriert und die Figuren klischeehaft. Den Gnadenpunkt gibt es von mir für ein paar ernstgemeinte Szenen, wie die Operation auf dem Küchentisch und einige andere Hirnschläge (u.a. dämlicher Schlussgag) des Drehbuchautoren und Regisseurs Stefan Ruzowitzky. Franka, das haste aber Glück gehabt!