Ich hab jetzt einige Besprechungen zu dem Film gelesen. Was mich am meisten überrascht: Fast niemand erwähnt die Meta-Ebene. Für die meisten ist der 12-jährige ("fast 13!") Jacob nur ein Homo oder ein Transmädchen, weil er allein zuhaus im Kleid seiner Großmutter zu Tangomusik tanzt.
Dabei gibt es zu der und ihren Erlebnissen in der Nazizeit eine direkte Seelenverbindung. Dass Jacob Jude ist, wird interessanterweise im Film nie erwähnt, immer ist nur von "your people" die Rede. Thematisiert wird das also mehrfach, nur nicht ausgesprochen.
Dass Internat (Boarding School), auf das Jacob dann gehen muss, weil sein Stiefvater ihn beim Tango erwischt, stellt sich als Minischule für Problemkids heraus.
Erst dort schleichen sich so langsam die Horrorelemente ein. Die merkwürdige, subtil andersartige Atmosphäre in der Schule gelingt Regisseur Boaz Yakin ziemlich gut, woran die hervorragenden Jungdarsteller großen Anteil haben. Luke Prael (Jacob) agiert überragend, ebenso wie die unheimlich hübsche Sterling Jerins ("Conjuring 1 + 2"), der eine große Karriere vorauszusagen wohl nicht allzu gewagt ist.
Hinzu kommen zwei Darsteller, die einen Touretti und einen Autisten ebenfalls extrem überzeugend darstellen. So gut hab ich das selten gesehen. (Mir fiel beim Schauen etwa die misslungene Darstellung von Keira Knightley in "Eine dunkle Begierde" ein).
Die dunkle Atmo des Films kulminiert schließlich in einer gänzlich unerwarteten Story-Entwicklung, die womöglich als Analogie zur Shoah zu lesen ist und sich so im letzten Drittel ihre 16-er FSK redlich verdient. Unter dem Strich geht das zwar zu Lasten der Plausibilität und der Geschichte fehlt ein klarer Fokus. Trotzdem weiß die Erzählung aus genannten Gründen zu faszinieren und ungewöhnlich ist sie allemal. Sechs Punkte.