In meiner Jugend hatte ich mal eine Zeit, in der ich Bücher reihenweise „verschlungen“ habe, jeweils ausgeliehen von einer Bücherei. Von daher fühle ich mich bei manchen Filmen richtig zuhause, weil die Story ähnlich strukturiert ist und diese Filme gemacht sind wie ein gutes Buch, ein Roman eben.
PEPPERMINT ist wie ein solcher Roman, ein Thriller. Ich habe damals oft solche Bücher in nur einer Nacht unter der Bettdecke komplett gelesen. Schweißgebadet, zitternd vor Aufregung und mit klopfendem Herzen.
Hinzu kommt, daß mich die Hauptlinie der Handlung von PEPPERMINT in manchen Dingen an meine eigene Lebensgeschichte erinnert. Natürlich nicht so extrem wie in diesem Film, aber durchaus ähnlich. Auch mir wurde von Gangstern übel mitgespielt. Aufgrund von Mißgunst, Habsucht, Neid und dem ewigen Haß der Maulwürfe auf die Adler. Mir fällt wahrscheinlich auch deswegen aktuell kein Film ein, der mich derart emotional berührt und sogar teilweise erschüttert hat. Und das, obwohl ich mittlerweile in dieser Hinsicht ziemlich „hartgesotten“ bin.
Die Geschichte des Films in kurzen Zügen: Eine junge Familie veranstaltet für die kleine Tochter eine Geburtstagsparty. Allerdings kommt keiner der eingeladenen Gäste, wegen einer Intrige der Mutter einer Freundin der Kleinen. Die drei beschließen deshalb, ein zu dieser Zeit stattfindendes Volksfest zu besuchen. Damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Wegen eines Mißverständnisses wird auf die junge Familie ein Attentat verübt, nur die Mutter überlebt schwerverletzt. Die aufgegriffenen Täter kommen wegen unsicherer Beweislage ungestraft davon, obwohl sich das Opfer absolut sicher ist, und die es auch waren.
Und wie es oft ist: Die verständliche Wut deswegen, die Enttäuschung und der Schmerz des Opfers bringen es beinahe in die Psychiatrie. Sie flieht, bereitet sich vor und beginnt nach einigen Jahren einen brachialen Feldzug gegen die Schuldigen. Wirklich brachial!
Jennifer Garner brilliert in der Rolle der Protagonistin des Filmes. Ihre Interpretation der Riley North in der Art einer Charakterdarstellerin wirkt derart erschreckend intensiv, man meint sie IST Riley North!
Jennifer ist das Highlight dieses Meisterwerks, man muß sie in dieser Rolle gesehen haben. Mit viel Charisma dominiert Sie diesen Film von Anfang an bis zum sehr bemerkenswerten Schluß. Die kalte gnadenlose Entschlossenheit und die wirklich ergreifende Darstellung von Schmerz und Trauer, der sich stetig wandelnde Ausdruck in ihrem Gesicht und Körper, perfekt dargestellt. Und ich habe großen Respekt vor dieser sehr schönen Frau, und vor ihrem Mut zur Hässlichkeit und Ungepflegtheit, die die Darstellung dieses Charakters phasenweise mit sich bringt.
Jeder Film wird gedreht und jedes Buch wird geschrieben, um zu unterhalten und Geld damit zu verdienen.
Die einerseits schonungslose Realitätsnähe von PEPPERMINT wird deshalb unterstützt durch spärlich und dramaturgisch geschickt positionierte prosaische Elemente. Dies und die realitätsnahe Handlung fangen den Filmkonsumenten gleich zu Anfang ein, und bauen eine permanent zunehmende und horrende Spannung auf.
Pierre Morel hat PEPPERMINT produziert. Mit viel Erfahrung und seinem Wissen und Können als Produzent, Regisseur und Kameramann ist ihm ein cineastisches Juwel gelungen. Ich habe auch seinen Film „96 Hours“ gesehen, ebenfalls ein emotional intensiv wirkendes Werk.
Morel und sein Team haben bei PEPPERMINT eine gute Story filmtechnisch brilliant in Szene gesetzt. Frappierend düstere und realistisch wirkende Bilder eines großstädtischen Problemviertels wechseln sich ab mit actiongeladenen Fightstunts, schockierenden Szenen aus dem Gangstermilieu und faszinierenden Actioneffekten. Alles wirkt dynamisch und kompakt, es kommt keine künstliche Hektik auf. Die Handlung fließt von der ersten bis zur letzten Sekunde, spannungsgeladen und ohne Durchhänger, perfekt.
PEPPERMINT ist ein hervorragender Film und absolut sehenswert und empfehlenswert. Die Freunde des gepflegten Actionkinos werden ihren Spaß daran haben.
Dies ist aber kein gewöhnlicher Actionfilm. Vielmehr sehe ich darin ein Abbild von sehr bedauernswerten realen Vorgängen in unserer heutigen Gesellschaft, die korrigiert werden müssen. Der Film ist deshalb einerseits auch ein gesellschaftskritisches Videodokument, das zum Nachdenken anregen sollte. Andererseits ist PEPPERMINT eben nur ein Film mit dem Ziel die Kinokunden und Heimkinokunden zu unterhalten. Deshalb sind, wie schon erwähnt, auch einige Dinge etwas künstlerisch gestaltet. Dazu gehört die auch hier etwas unterirdisch dargestellte Arbeit von Polizei und Justizbehörden, die real sicher wesentlich professioneller ist. Das ist vielleicht auch sinnvoll, damit Kriminelle nicht schon auf der Leinwand sehen, worauf sie achten müssen.