Review

Dreht man heuer einen Selbstjustizactionfilm, dann sind seit „Taken“ eigentlich stets Altstars gefragt, die zeigen, dass sie es noch drauf haben (siehe „Tokarev“, „The November Man“, „Blood Father“ usw. usf.). Weibliches Vigilantentum ist dabei eher selten und auch wenn Jennifer Garner nicht in der Altersklasse eines Liam Neeson oder eines Mel Gibson ist, so schickt sie Pierre Morel, Regisseur des Trendsetters „Taken“, in „Peppermint“ auf einen ähnlich gepolten Rachetrip.
Dass Heldin Riley North (Jennifer Garner) ähnlich rabiat austeilen kann wie die Herren der Schöpfung, zeigt die für einen Schauwert eingestreute Auftaktsequenz, in der sie einen fiesen Lumpen im Nahkampf erledigt. Danach ist nämlich Rückblendenzeit angesagt, in der „Peppermint“ ausführlich von Rileys früherem Leben als Bankangestellte erzählt, die sich hingebungsvoll um ihre Tochter Carly (Cailey Fleming) kümmert, sich mit Schnöselmuttis wie Superbitch Peg (Pell James) rumschlägt und gemeinsam mit Ehemann Chris (Jeff Hephner) alles tut, um die Rechnungen zu bezahlen. Ein Kollege aus Chris‘ Werkstatt hat die grandiose Idee den lokalen Kingpin Diego Garcia (Juan Pablo Raba) um sein Geld zu erleichtern. Chris verweigert seine Mithilfe, doch Diego kriegt zwar den geplanten Raub spitz, nicht aber Chris‘ Weigerung, weshalb die Goons des Schurken nun die Norths mit Uzis über den Platz verteilen, als diese zu Carlys Geburtstag den Rummel besuchen.
Riley überlebt den Anschlag, Carly und Chris haben weniger Glück. Nachdem die Killer vor Gericht freikommen, windiger Anwälte wie Henderson (Michael Mosley) und korrupter Richter wie Stevens (Jeff Harlan) sei Dank, kriegt Riley erst einen Nervenzusammenbruch und verschwindet dann für knapp fünf Jahre. Die alte Mär vom versagenden bis korrupten Staatsapparat, so klischeehaft wie in B-Pictures wie „Vigilante“ in Szene gesetzt, aber ohne deren rohen Charme und Zeitgeist. Spätere Szenen enthüllen, dass Riley sich während des Untertauchens mit Training, Cagefights und ähnlichen Aktionen zur Kampfmaschine gestählt hat, weshalb auch das FBI in Form von Agentin Lisa Inman (Annie Ilonzeh) nach ihr sucht. Um Rileys Ausbildung wird dabei ein Riesengewese gemacht, das sich im Nachhinein als laues Lüftchen erweist, denn es hat keine Bewandtnis mehr für die Handlung.

Back in town knüpft sich Riley als erstes jene drei Handlanger vor, die ihre Familie erschossen, und hängt deren Leichen ans Riesenrad auf dem Rummel, pünktlich zum fünften Jahrestag des Mordes. Während Inman ebenso wie die ortsansässigen Cops Stan Carmichael (John Gallagher Jr.) und Moises Beltran (John Ortiz) nach ihr fahndet, mischt Riley Diegos Geschäft auf und macht Jagd auf ihn…
Man muss keine großen Ambitionen haben. Ein einfacher Rachefilm nach Schema F kann auch Spaß bereiten, wenn er gut gemacht ist. Dummerweise scheint „London Has Fallen“-Autor Chad St. John nicht darauf vertrauen zu wollen auch eine Frau mal so richtig hinlangen zu lassen. War die Exposition bei Filmen wie „Taken“ auf das Nötigste reduziert oder formte bei Filmen wie „The Equalizer“ ein bestechendes Portrait eines alternden Killers, so ist sie hier seifiger Kolportagekitsch, der mütterliches Leiden und schreiende Ungerechtigkeit überdeutlich herausstreicht, um zu zeigen warum Mutti nun den Kaffee auf hat. Dabei kamen männlich zentrierte Rachefilme prima ohne Derartiges aus. Auch der Mainplot versucht immer wieder darauf zu verweisen, dass Riley ja eine Frau ist, gibt ihr Visionen der toten Tochter, Gewissensbisse (auch an absurder Stelle) und mütterliche Verhaltensweisen auf den Weg, dass man sich fast schon fragt, ob diese Ungleichheit zum Männer-Rachefilm nun Feingefühl oder nicht doch eher Sexismus ist. Auf jeden Fall wirken all diese Momente als Bremser, verpassen der Figur keine zusätzliche Tiefe, sondern lassen sie im schlimmsten Fall inkonsistent wirken.
Nach „The Gunman“ stand zudem zu befürchten, dass Pierre Morel sein Gespür für Actioninszenierung verloren hat, doch zumindest in dem Punkt kann hier kann Entwarnung gegeben werden. Wenn es in „Peppermint“ zu Fäusteleien und Feuergefechten kommt, dann hat der Film ordentlich Druck. Ähnlich realistisch wie dereinst Bryan Mills schlägt, schlitzt und schießt sich auch Riley North durch die Gegner, bezieht geschickt ihre Umgebung mit ein und entpuppt sich als glaubwürdige Kampfmaschine, auch wenn ihr die coole Überlegenheit von Mills abgeht. Die Choreographie durch Don Lee ist ebenso wie Morels Inszenierung von hoher Qualität, bei der man auf allzu heftiges Kameragewackel oder zu schnelle Schnitte verzichtet. Und Jennifer Garner beweist als gestählte Heldin, dass sie seit „Alias“ und „Operation Kingdom“ nichts verlernt hat.

Auch schauspielerisch ist Garner recht gut in der Hauptrolle, vor allem wenn das Script sie später als toughe Heldin mit Herz etabliert, die auch sozial Schwache beschützt oder in einer amüsanten Szene wieder auf Peg trifft, der sie deren Verfehlungen unters Hemd reiben darf. Ansonsten umgibt der Film seine Heldin mit ein paar markanten Gesichtern aus Hollywoods zweiter bis dritter Reihe und dem TV-Geschäft, in der vor allem John Gallagher Jr. und John Ortiz als Cops sowie Michael Mosley als sagenhaft schmieriger Rechtsverdreher Akzente setzen. Leider fehlt es ausgerechnet dem Oberschurken Juan Pablo Raba an ähnlicher Markantheit, von seinem gesichtslosen, austauschbaren Fußvolk ganz zu schweigen.
Dementsprechend fehlt es „Peppermint“ an überzeugenden Schurkenfiguren, während der Film über weite Strecken nur 08/15-Rachekost der durchschnittlichen Sorte bietet. Das ändert sich im Finale – denn dort geht es noch eine Etage tiefer. Nach einem überraschend kurzen Scharmützel kommt der Bösewicht davon, es kommt zu einem Showdown, in dem Diego mit gefühlt 50 Atzen zum letzten Gefecht anrückt und sich damit die Mörder-Action ankündigt. Und was passiert? Riley killt drei oder vier seiner Schergen, dann kommt es zu einer Verhandlungssituation und schließlich greift auch noch die Kavallerie ein, ohne dass Riley viele der Schurken erledigt. Ein derart herber dramaturgischer Fauxpas ist schon schwer verzeihlich. Ein letzter Twist vorm Finale ist dagegen brauchbar, im Gegensatz zu den Schlussminuten, die schon ganz dreist ein mögliches Sequel vorbereiten.

Ob es dazu kommt, ist angesichts der mauen Einspielergebnisse fraglich, aber schade ist es nicht. „Peppermint“ ist althergebrachte Rachekost, deren Action zwar kompetent gemacht ist, aber viel zu selten auftritt, und noch dazu unter diversen Fehlentscheidungen des Drehbuchs leidet – nicht zuletzt jener, dass Autor Chad St. John seine Heldin nie so loslegen lässt wie ihre männlichen Kollegen. Ob da veraltete Geschlechterbilder eine Rolle spielen? Figuren wie Samantha Caine aus „Tödliche Weihnachten“, Hit-Girl aus „Kick-Ass“, die Braut aus „Kill Bill“ und Lorraine Broughton aus „Atomic Blonde“ zeigen jedenfalls wie solche Charaktere wesentlich zupackender und überzeugender gestaltet werden können.

Details
Ähnliche Filme