Ein träger Junisommer: acht Freunde, vier Mädchen, vier Jungs, so um die 17-18 alle, verabreden sich zum Feiern, zum Gute-Zeit-Haben. Was zunächst spielerisch beginnt, mit Alkohol und Sex führt zum Pornodreh, zur Prostitution, mörderischen Unfällen und dem Zerstören eines Lebens vor Gericht…
Rene Ellers Debütfilm von 2018 ist eine belgisch-niederländische Ko-Produktion, mit jungen und alten, erfahrenen Schauspielern beider Ländern besetzt und er basiert auf Elvis Peeters Roman von 2013, der, wie ich im Booklet las, wohl noch um einiges krasser und unstrukturierter sein soll. Das klingt nun unter Umständen zu negativ, der Film „Wij“ ist sehr wohl gut strukturiert. Auslöser ist die Verhandlung gegen einen flämischen Lokalpolitiker (der Film spielt ausschließlich in Belgien) in Antwerpen, wo er wegen Zuhälterei und Drogenkonsums vor Gericht steht. In Rückblenden und Aussagen erfahren wir, was in jenem verhängnisvollen Sommer passierte.
Der Videoclip-Regisseur Rene Eller lullt uns am Anfang in wunderschöne Bilder ein, dazu ein hervorragender Elektro-Soundtrack und sympathische Schauspieler. Doch selten war der Spruch: „That escalated quickly“ passender als hier. Zunächst spielerisch, doch dann immer zielgerichteter wollen die Jugendlichen um das Alphamännlein Thomas an Geld und ihre eigene sehr gutbürgerliche Herkunft durch radikale Taten denunzieren. Der wohlbehütete Schoß, aus dem diese Jugendlichen kamen, gebiert leider empathielose, passive, apathische und nur oberflächlich starke Menschen… dies wird im Verlauf des Films immer klarer. Stück für Stück wird das Bild in den 4 Kapiteln immer düsterer; im letzten Kapitel kulminiert es schließlich in einer verstörenden Lüge… die wohl aber doch eine ganz bittere Wahrheit enthält.
Und so magisch und verstörend der Sog des Films auf mich auch war, so eine Geschichte krankt daran, dass nahezu alle Figuren eher unsympathisch sind bzw. als Identifikationsflächen nicht geeignet sind. Aber dennoch fesselt „Wij“ auf unheimliche Weise. Und ja, es gibt ein paar kurze Pornoszenen, die aber weiß Gott nicht voyeuristisch oder gar sexy sind (zumal es auch ziemlich klar ist, wo Bodydoubles eingesetzt wurden) und in den Kontext des Films halbwegs passen. Oft finde ich Pornoszenen in Mainstreamfilmen vollkommen unnötig (z.B. in dem an sich sehr guten serbischen Film „Clip“), ein Andeuten hätte gereicht, hier war es okay für mich, aber letztendlich auch unnötig. Aber das mindert den Wert des Films aber nicht. Wir werden Zeugen einer Abwärtsspirale, die dem Zuschauer einiges abverlangt, die das Hinabsteigen in diese Spirale aber wert ist, zumindest in meiner Sicht.
Nicht schön, aber beeindruckend.
7,5/10.